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Nach Kritik an EU-Kommissar
Oettinger entschuldigt sich für "Schlitzaugen"-Äußerung

Nach Kritik an seinen Äußerungen unter anderem über "schlitzäugige" Chinesen hat EU-Kommissar Günther Oettinger nun offiziell um Verzeihung gebeten. Er sehe ein, dass seine Wortwahl einige Menschen verletzt haben könnte. Mit der Entschuldigung dürfte die Sache für den EU-Kommissar aber kaum endgültig erledigt sein.

Von Annette Riedel | 03.11.2016
    EU-Kommissar Günther Oettinger bei einer Rede Anfang Oktober in Lissabon.
    EU-Kommissar Günther Oettinger (picture alliance / dpa / Miguel A. Lopes)
    Nun also doch eine Entschuldigung. Er habe inzwischen Zeit gehabt, schreibt EU-Kommissar Günter Oettinger in seiner Pressemitteilung, über seine Rede nachzudenken, und er könne jetzt sehen, dass seine Worte schlechte Gefühle ausgelöst und sogar Menschen verletzt haben können. Das sei nicht seine Absicht gewesen. Und dann wörtlich: "Ich möchte mich für jede Bemerkung entschuldigen, die nicht so respektvoll war, wie sie hätte sein sollen."
    Es waren Oettingers Bemerkungen über schlitzäugige Chinesen, Frauen, die ohne Quote nicht in Führungsetagen kommen, die Regierung der Wallonie, die er "kommunistisch" nannte, die in den vergangenen Tagen heftig kritisiert worden sind. Ebenso, was er zur Homosexuellen-Ehe gesagt hatte.
    "Die deutsche Tagesordnung: Mütter-Rente, Mindest-Rente, Rente mit 63, Betreuungsgeld, bald noch mit der Pflicht-Homo-Ehe …"
    Gestern noch hatte Oettinger gegenüber einem Journalisten in Brüssel geäußert, dass "alles gesagt sei" zu seiner Rede in Hamburg. Und auf die Frage des Kollegen, ob er sich für den Skandal entschuldigen wolle, den seine Einlassungen ausgelöst hatten, hatte Oettinger geantwortet: "Welcher Skandal?"
    Oettinger: Habe "frei von der Leber" gesprochen
    Offenbar war nun der Druck, sich zu entschuldigen, doch zu groß geworden. Entsprechende Forderungen waren im EU-Parlament lauter geworden, kamen aus China, auch aus der Wallonie - etwa der Handelsrat der Region Wallonie in Norddeutschland, Frank Compernolle. Dieser hatte die Veranstaltung vergangene Woche in Hamburg verlassen, weil er die Worte Oettingers als beleidigend empfunden hatte, sagte Compernolle am Montag gegenüber unserem Sender.
    "Ich denke, er soll sich entschuldigen - nicht bei mir persönlich – ich war da als Vertreter der Wirtschaft meiner Region. Aber auch, was er über den Chinesen gesagt hat, was er über die Schwulen gesagt hat, was er über die Frauen gesagt hat. Ein EU-Kommissar ist doch kein Komiker. Das war ein bisschen ein Billig-Populismus."
    "Offen und ehrlich" sei er gewesen, schreibt Oettinger in seiner englischsprachigen Mitteilung von heute Mittag. Und er habe - so heißt es im Text an dieser Stelle dann auf Deutsch - "frei von der Leber" gesprochen. Bezüglich seiner Einlassungen zur Wallonie sei er falsch zitiert worden. Ihm sei es um die Glaubwürdigkeit Europas gegangen. Vor der Dynamik der chinesischen Wirtschaft, so Oettinger, habe er "großen Respekt". Klar ist, dass seine Worte anders verstanden werden konnten: "Alle Haare von links nach rechts mit schwarzer Schuhcreme gekämmt."
    Die EU-Kommission hatte es in den vergangenen Tagen abgelehnt, Oettingers Rede in Hamburg zu kommentieren. Man kann aber wohl davon ausgehen, dass dem Deutschen hinter den Kulissen ins Gewissen geredet worden ist, sich zu entschuldigen, Handelspartner, Minderheiten, Frauen und eine Regionalregierung beleidigt zu haben. Und: zukünftig weniger - wie Oettinger es selbst nennt - "schnoddrig" zu reden.
    Mit der heutigen Entschuldigung dürfte die Sache für den EU-Kommissar aber kaum endgültig erledigt sein. Da er durch Kommissionspräsident Juncker letzte Woche mit einem neuen Ressort - dem wichtigen Haushaltsressort - betraut worden ist, wird er sich einer Anhörung im EU-Parlament zu stellen haben. Dort blüht ihm eine harte Befragung zu seiner Eignung für das Ressort einerseits, aber auch - angesichts seiner Rede - allgemein als EU-Kommissar. Vertreter der Linken, der Grünen, der SPD und der Liberalen haben Entsprechendes schon angekündigt. Von Abgeordneten aus der eigenen Parteien-Familie des CDU-Politikers war noch nichts zum Thema zu hören.