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Nachhaltige Aquakultur

Technik. - Die Aquakultur ist die einzige Möglichkeit, den steigenden Fischbedarf der Weltbevölkerung nachhaltig zu decken. Doch bisherige Konzepte sind oft aufgrund von Futterbedarf, Fäkalien- und Bakterienbelastung alles andere als nachhaltig. Ein Kieler Unternehmen entwickelt Zuchtsysteme, die weder zur Überdüngung noch zur Überfischung der Weltmeere beitragen.

Von Mathias Günther | 04.02.2010
    Zwölf Wasserbecken stehen im Labor der Firma "Coastal, Research & Management" in Kiel. Das Wasser wird beleuchtet, mit Luft durchmischt und auf zehn Grad Celsius gekühlt. Ideale Wachstumsbedingungen für die Laminaria saccharina, den Zuckertang. Diese Alge wächst hier an Kunststoffseilen. Die werden nach etwa acht Wochen vom Labor in die Kieler Förde gebracht. Dort ist eine etwa ein Hektar große Wasserfläche mit gelben Bojen markiert. Schwimmkörper halten dicke Leinen an der Oberfläche – die Enden sind mit dem Grund verankert. Peter Krost, Meeresbiologe und Geschäftsführer der Firma:

    "An diesen Langleinen werden jetzt die Algenleinen befestigt. Die sind unten etwas beschwert, so dass sie herabhängen bis etwa in eine Tiefe von 2,50 Meter. Denn das haben wir herausgefunden: das ist die Tiefe, wo die Lichteinstrahlung ausreicht, um ein gutes Algenwachstum zu gewährleisten."

    Die Algenzucht der Firma "Coastal, Research & Management" dient der Forschung. Ziel ist es, Möglichkeiten einer nachhaltigen Aquakultur-Wirtschaft zu untersuchen. Sie soll nicht wie die Offshore-Fischzucht zur Überdüngung des Meeres beitragen, erklärt Peter Krost:

    "Bei Algen ist das eben nicht der Fall, denn die Algen werden nicht gefüttert oder gedüngt. Ganz im Gegenteil, die nehmen eben die Nährstoffe auf, die im Meer vorhanden sind. Und wenn man die nun rausfischt und irgendwas mit den Algen macht, dann sind sozusagen diese Nährstoffe auch nicht mehr im Meer drin."

    Die geernteten Algen verarbeitet die Firma "Coastal, Research & Management" beispielsweise zu Naturkosmetika. Die Kieler Forscher experimentieren außerdem mit Miesmuscheln. Muscheln müssen wie Algen nicht gefüttert werden – sie nehmen ebenfalls Nährstoffe aus dem Wasser auf, die dann bei der Ernte der Muscheln dem Meer entzogen werden. In einem dreijährigen Projekt, das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt unterstützt wird, wird auch untersucht, in welchem Maße Muscheln und Algen ihr Wachstum gegenseitig befördern können. Muscheln, die das Wasser filtern, könnten zum Beispiel dafür sorgen, dass die Algen mehr Licht bekommen. Miesmuscheln und Algen könnten so gemeinsam einen Beitrag gegen die Überdüngung des Meeres leisten. Vielleicht können sie sogar eine nachhaltige Fischzucht vor den Küsten ermöglichen, sagt Peter Krost – dann nämlich, wenn die Algen und Miesmuscheln neben einer Fischzucht angebaut werden und dort die überschüssigen Nährstoffe aufnehmen:

    "Wenn dieses Zuviel an Nährstoffen, was jetzt in das Wasser gelangt, kompensiert werden könnte, dass man also eine Art von Kreislaufwirtschaft schaffen könnte, dass das also so ausbalanciert wird, dass die Abfallstoffe des einen Organismus die Nahrungsgrundlage des anderen ist, dann hätte man ein Gleichgewicht."

    Nur so wäre eine Fischzucht in Aquakulturen vor deutschen Küsten überhaupt genehmigungsfähig, meint Peter Krost. Die Muschelzucht könnte außerdem helfen, ein zweites großes Problem der Fischzucht zu lösen: sie ist auf Fischöl und Fischmehl angewiesen.

    "Es hat sich rausgestellt, dass man Fische eben ohne Fischöl, ohne diese entsprechenden langkettigen ungesättigten Fettsäuren, die nur im Meer vorkommen, nicht füttern kann. Und das gilt jetzt für die Fische, die uns am besten schmecken, sprich Lachse oder Seebrassen oder dergleichen, also die Raubfische. Die brauchen genau diese Bestandteile."

    Fischöl und Fischmehl werden zum großen Teil aus eigens dafür gefangenen kleinen Fischen hergestellt. Der wachsende Bedarf der Aquakulturen gefährdet nach Angaben des World Wildlife Fund inzwischen die Fisch-Bestände. Aber nicht nur aus Fischen kann Fischfutter hergestellt werden, sagt der Meeresbiologe:

    "Diese langkettigen ungesättigten Fettsäuren, die finden sich beispielsweise auch in Muscheln."

    Muscheln, die sich von den Abfällen der Fischzucht ernährt haben, könnten also wiederum zu Fischfutter verarbeitet werden. Ob Muscheln und Algen aber eine nachhaltige Fischzucht ermöglichen können, die zugleich wirtschaftlich ist, muss in der Praxis noch überprüft werden.