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Neue Konsumkultur gefragt

Klimawandel, ungebremster Energiehunger und steigender Konsum stehen immer knapper werdenden Rohstoffen gegenüber. Die Welt braucht eine neue Konsumkultur. Das schreiben die Autoren des US-amerikanischen World Watch Institutes in ihrem "Bericht zur Lage der Welt 2010"..

Von Dieter Nürnberger | 18.03.2010
    Der Worldwatch Report 2010 trägt den Untertitel "Nachhaltigkeit als neuer Lebensstil" - und somit ist dieser Bericht zur Lage der Welt auch voll von Anregungen und Ideen, wie ein solches neues Leitbild erreicht werden kann. Der Report ist also weniger eine aktuelle Beschreibung der derzeitigen ökologischen Situation, das ist er auch, aber die Autoren wollten schon positive Beispiele einarbeiten und dies auch nicht unbedingt mit einem erhobenen Zeigefinger tun. Viele Ideen sind sicherlich nicht neu, aber deshalb müssten sie ja nicht falsch sein, sagt Ralf Füchs, er ist vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, hier wurde heute Vormittag der Report vorgestellt.

    "Das ist auch eine Veränderung im Kopf. Da geht es nicht nur um neue Autos, um Elektroautos, um leichtere Fahrzeuge – es geht auch darum, den Fetisch Auto zu verabschieden. Status sollte sich nicht daran messen, wie groß und PS-stark ein Automobil ist."

    Der Verkehrsbereich oder der allgemeine Bereich der Mobilität ist somit sicherlich einer der Hauptschwerpunkte des Berichts. Aber natürlich gibt es noch viele andere Aspekte im Alltagsleben, wo Nachhaltigkeit künftig eine Rolle spielen sollte. Auffällig ist, dass die Autoren des Berichts für ein produktives und kreatives Nebeneinander von staatlichen Maßnahmen und durchaus auch privatem Engagement sprechen.

    "Man darf nicht auf die große Politik warten! Man kann auch Veränderungen in der Produktion anstoßen, es gibt eine Konsumentenmacht. Wenn die Nachfrage nach Biolebensmitteln steigt, dann stärkt dies ja auch den ökologischen Landbau. Dann kommen bekanntlich auch die großen Supermärkte dazu. Letztlich aber spielen auch die politischen Rahmenbedingungen eine zentrale Rolle."

    Natürlich wissen auch die Autoren, dass eines der wesentlichen Zukunftsprobleme darin liegen wird, dass auch die Bevölkerung in den armen oder auch Schwellenländern am künftigen Wohlstand partizipieren will. Das wird auch nicht in Frage gestellt, aber die westliche oder die industrielle Welt habe hier eine Vorbildfunktion, sagt Hendrik Vygen, er Mitglied im Vorstand von Germanwatch.

    "Wenn sie unseren derzeitigen Lebensstil kopieren, dann wird die Welt in einer weltweiten Katastrophe enden. Das heißt, die Industriestaaten müssen hier vorangehen und auch unseren Lebensstil neu gestalten. Dies würde sich dann auch weltweit auswirken. Denn dann gebe es auch einen Anreiz, ein solches Modell auch in Schwellenländern zu verwirklichen."

    Ein weiterer Aspekt für einen nachhaltigen Wandel ist allerdings auch der staatliche Sektor. Hier könne vielmehr passieren, als bisher. Hendrik Vygen nennt ein konkretes Beispiel.

    "Durch die öffentliche Beschaffung werden von Bund, Ländern und Kommunen Milliarden ausgegeben. Wenn das ökologisch vernünftig passiert, werden wir eine Innovation in der Industrie zugunsten der Nachhaltigkeit erreichen, der sich niemand entziehen kann. Hier muss der Staat als Vorbild agieren, da passiert noch viel zu wenig."

    "Letztendlich müsse der menschliche Überlebenswille über dem Drang nach einem Konsum um jeden Preis siegen", schreiben die Autoren der Allgemeinheit ins Stammbuch. Der Report will somit auch alle gesellschaftlichen Akteure ansprechen – so widmen sich einzelne Kapitel auch etwa der Rolle der Kirchen in diesem Veränderungsprozess, Stadtplaner werden ebenso angesprochen wie soziale Unternehmer. Die ökologische Lage sei ernst, sie sei bedrohlich, aber Ralf Füchs von der Heinrich-Böll-Stiftung betont ausdrücklich, dass der Report dennoch einen positiven Grundton habe oder zumindest keinen zu pessimistischen.

    "Die ungeheuren Kapazitäten, die noch im Ausbau der Wind- und Solarenergie liegen, die Möglichkeit schon heute Null-Energie-Häuser zu bauen – wir verfügen bereits über solch technologischen Alternativen. Es kommt darauf an, sie jetzt möglichst schnell in die Praxis umzusetzen und dafür brauchen wir die entsprechenden politischen Weichenstellungen."

    Vieles sei schon heute möglich, und vieles werde auch in Zukunft durch neue Entwicklungen, auch neue Erfindungen noch dazu kommen.