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Neue Maissorte soll Ausbreitung des Maiswurzelbohrers stoppen

Etwa eine Milliarde Dollar geben allein Bauern in den USA für den Kampf gegen diesen Käfer aus. Seit Anfang der 90er Jahre breitet er sich auch in Europa aus. In diesem Jahr scheint er sich in Süddeutschland festzusetzen. Großangelegte Bekämpfungsaktionen mit Chemikalien stoßen bei Umweltschützern auf Kritik. Doch nun gibt es neue Ansatzpunkte im Kampf gegen den Maiswurzelbohrer.

Von Thomas Wagner | 27.09.2007
    "Die Larven fressen an der Maiswurzel. Der Mais verliert an Standfestigkeit. Die Maispflanzen kippen um wie platt gewalzt. Und dann sind nur einzelne Pflanzen da, die noch aufrecht stehen. Das sieht aus wie mit einer Dampfwalze das Feld niedergewalzt."

    Mit drastischen Worten schildert Michael Klaas vom landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenburg die Auswirkungen, die der Befall mit Maiswurzelbohrern in Ungarn nach sich zog. Damit deutschen Feldern langfristig nicht das gleiche Schicksal droht, reagierten die Behörden mit der Chemo-Keule: "Bisqaia" lautet der Name des Insektizides, das nach der Entdeckung der ersten Maiswurzelbohrer auf die Felder ausgebracht wurde - eine Sofortmaßnahme, mehr nicht. Derweil diskutieren die Experten darüber, wie sich der Maiswurzelbohrer langfristig bekämpfen lässt. Das Problem: Die kleinen Käfer vermehren sich unglaublich schnell und werden so zur großen Gefahr. Peter Goertz, Maiszüchter des Raststatter Unternehmens Südwestsaat:

    "Die Larve verpuppt sich, wird zum Käfer. Der Käfer schlüpft. Und das Weibchen dieses Schädlings produziert zwischen 500 und 1000 Eier. Das heißt: Die Vermehrungsrate ist enorm."

    Ohne Gegenmaßnahmen dauert es in der Regel vom Auftreten des ersten winzigen Maiswurzelbohrers etwa sechs bis acht Jahre, bis die Käfer sich so stark ermehrt haben, dass sie ein ganzes Feld zerstören können. Saatgutforscher Peter Goertz setzt beim Kampf gegen den Maiswurzelbohrer auf die Zucht resistenter Maispflanzen. Dabei werden die Käfer im Experiment auf die Maispflanzen losgelassen. Und diejenigen, die die Attacken überstehen, kreuzen die Saatgutforscher miteinander - immer und immer wieder, über viele Generationen hinweg. So setzen sich allmählich diejenigen Eigenschaften durch, die dem Maiswurzelbohrer - im wahrsten Sinne des Wortes - überhaupt nicht schmecken. Peter Goertz:

    "Eine Larve kann nur, wenn sie geschlüpft ist, im Umkreis von maximum einem Meter sich bewegen; dann stirbt sie ab. Und wenn sie da eine Maiswurzel findet, die ihr schmeckt, dann geht sie da dran. Und ich versuche dem Mais eine Wurzel zu geben, der der Larve nicht schmeckt oder die sie sogar ablehnt. Das ist die natürliche Abwehrkraft der Pflanze Mais gegen diesen Schädling."

    Eine Abwehrkraft, die sich aber erst nach jahrelangen Zuchtexperimenten auf die gesuchten Resistenzmerkmale hin herausgebildet hat. Bereits Anfang der 90er Jahre, als sich hierzulande kaum jemand über den Maiswurzelbohrer den Kopf zerbrach, begann Peter Goertz mit seinen Forschungsarbeiten. Damals war der Maiswurzelbohrer erstmals in Europa in Belgrad aufgetaucht,

    "so dass mir klar war, als professioneller Maiszüchter, dass er, nachdem der Anfang der 90er Jahre aufgetreten ist, sofort sich weiter entwickelt. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis er dann nur in Deutschland ist."

    Eine weitere Methode, um gegen den Maiswurzelbohrer erfolgreich vorzugehen, ist eine Änderung der Fruchtfolge. Nach einer Saison Maisanbau wird demnach auf dem Feld etwas anderes gepflanzt. Das ist bereits jetzt in den Zonen unmittelbar in der Nähe der Käfer-Fundorte Vorschrift. In der Schweiz haben die Fachleute damit gute Erfahrungen gemacht. Peter Baufeld von der biologischen Bundesanstalt:

    "Die Schweiz, die haben es nur mit Fruchtfolge geschafft. Das heißt: Anbau von Mais nach Mais zu verhindern - das ist eines der wichtigsten Elemente."

    Beiden Verfahren, der Saatgutzüchtung und der wechselnden Fruchtfolge, ist eines gemeinsam: Sie gelten als umweltfreundlich - im Gegensatz zur Chemokeule, im Gegensatz aber auch zu Verfahren, die in den USA angewendet werden. Dort haben die Experten Maispflanzen gentechnisch verändert und mit einem Resistenz-Gen anderer Pflanzen versehen - mit mäßigem Erfolg, meint der Raststatter Pflanzenzüchter Peter Goertz, der der Resistenz-Züchtung gegenüber der künstlichen Gentechnik den Vorzug gibt:

    "Wir werden hier von einer so genannten horizontalen Resistenz, die auf der Grundlage von vielen Genen und Gen-Interaktionen wirken, während die transgene Technik eine ganz gezielte Technik ist, die ganz gezielt gegen den Bio-Typ des Wurzelbohrers in der Region reagiert und durch toxische Reaktionen die Larve absterben lässt. Das führt dazu, dass der Schädling mutiert und sich adaptiert und dann explosionsartig sich vermehren kann. Und dieser transgene Mechanismus kann dann nach drei, vier Jahren nicht mehr wirksam sein."

    Nicht nur Umweltaspekte sprechen nach Meinung von Goertz für natürliche Resistenz-Züchtung, sondern auch die Nachhaltigkeit dieser Methode. Die resistenten Neuzüchtungen habe man in Ungarn bereits erfolgreich erprobt.

    "Wir haben das in diesem Jahr geprüft in Anbauversuchen und haben Sorten gefunden, die stehen geblieben sind. Sie hatten Befall. Aber sie haben sich nicht in einem wirtschaftlichen Schaden ausgewirkt, sondern die Pflanze hat sich normal entwickelt gegenüber anderen Sorten, die komplett umgefallen sind."

    Allerdings: Ganz ohne Spritzmittel gegen den Maiswurzelbohrer werden nach Einschätzung des Experten aus Raststatt auch die resistenten Maispflanzen nicht auskommen.

    "Wir wissen nicht, wie aggressiv sich der Wurzelbohrer entwickelt und müssen daher auch in der Lage sein, nicht nur auf ein Pferd zu setzen, sondern wir müssen sagen: Wir nehmen die Resistenz plus die chemische Keule oder das chemische Produkt. Und aus diesem Gesichtspunkt, würde ich sagen, können wir nicht das eine ausschließen und nur das andere sehen."