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Neues zur Energiewende

Wie nachhaltig ist eigentlich die Energiewende? Die Bundesregierung hat heute auf der Jahreskonferenz ihres Rates für nachhaltige Entwicklung ihre Strategie erläutert und zur Diskussion gestellt.

Von Andreas Baum | 20.06.2011
    Also: Seit Fukushima ist alles anders, so viel kann man wohl sagen. Der Atomunfall in Japan hat ja zu einer völligen Umkehr der Energiepolitik der Bundesregierung geführt – und auch zu einem Umdenken der Kanzlerin selbst, das hat sie hier auf der Konferenz des Nachhaltigkeitsrates klar gesagt: Sie ganz persönlich ist durch den Unfall zu Einsichten gekommen, die andere schon früher hatten – jetzt haben wir den Ausstieg – in einer Zeitung stand am Wochenende: "Deutschland hat als einziges Land die Nerven verloren" – das bedeutet aber auch etwas, wenn Deutschland als eines der größten Industrieländer aus der Atomkraft aussteigt. Das bedeutet: vorangehen, mutig, entschlossen, verantwortlich, und andere werden folgen, sagt Angela Merkel.

    "Wir haben die Finanzkrise bemerkenswert gut überwunden. Dadurch dass wir auch ein hohes Maß an Zusammenhalt in der Gesellschaft gezeigt haben. Wir sind das Land der Ideen, wie wir selbst gesagt haben, und welches Land, wenn nicht Deutschland, kann denn auf einem Weg zu mehr Nachhaltigkeit mutig vorangehen. Wann, wenn nicht jetzt sollten wir das beginnen? Und deshalb dient der Fortschrittsbericht zur Nachhaltigkeit, den die Bundesregierung auflegt, natürlich auch dazu, weitere Schritte zu vereinbaren."

    Also: Wer, wenn nicht wir – das ist, denke ich, der Schlüsselbegriff in dieser Rede der Bundeskanzlerin, der viel von ihrem Nachhaltigkeitsbegriff sagt – jedenfalls so, wie sie das hier in Berlin vorgetragen hat. Und, es muss noch mehr getan werden. Die Energiewende bedeutet, klar gesagt, dass nachgesteuert werden muss: Wir müssen unsere ohnehin schon ambitionierten Ziele noch verbessern, was das Umsteigen auf Erneuerbare Energien angeht. Es gibt ja internationale Klimaziele, es war schwer, eine globale Einheitlichkeit zu finden, aber man ist auf einem guten Weg, sagt die Kanzlerin, auf Dauer müssen die Vorgaben noch schärfer werden.

    "Die Summe dieser Verpflichtungen reicht längst nicht mehr aus, um das Ziel einer Erwärmung von nicht mehr als 2 Grad Celsius zu erreichen, aber sind zum ersten Mal zwar nicht bindend aber doch auf einem Weg, wo alle sich diesem Zwei-Grad-Ziel verpflichtet haben, und wo jetzt dafür gearbeitet werden muss, dass wir härtere Verpflichtungen anmahnen und ich denke, diesen Weg muss man zumindest weiter gehen."

    Jetzt wäre natürlich – getreu dem Motto: wer, wenn nicht wir – die Bundesregierung selbst gefragt, anstatt von anderen mehr zu verlangen, selbst einmal etwas vorzulegen, und das tut die Kanzlerin auch – es wird ja immer viel von gigantischen Offshore-Windparks geredet oder von Sonnenkollektoren von der Sahara bis nach Nordfriesland – der größte Brocken aber der Effizienzgewinne, das was beim Umsteigen auf Erneuerbare herauszuholen ist, steckt in den Gebäuden selbst: Bis zu 40 Prozent Energie lässt sich durch intelligente, Energie-Sensibles renovieren von Gebäuden gewinnen, das fördert die Bundesregierung und wird es in Zukunft noch mehr tun.

    "Wir haben eine Aufstockung des Programms vorgenommen, aber ich sage voraus: Wir werden gegen Mitte des Jahrzehnts noch einmal überlegen müssen, ob wir nicht nur über steuerliche Anreize, sondern auch über einen Mechanismus, weiße Zertifikate, ist hier das Stichwort, ganz anders an die Gebäudesanierung herangehen, um das ähnlich wie den Ausbau der erneuerbaren Energien zu einem gesamtgesellschaftlichen Projekt zu machen."

    Zu diesem Begriff der "weißen Zertifikate" sei gesagt: Bei diesem System werden Energieversorgern oder Verbrauchern Emissionsrechte zugeteilt. Verbrauchen sie zum Beispiel aufgrund besserer Gebäudedämmung weniger Energie, können sie Zertifikate verkaufen; bei zu hohem Verbrauch müssten sie Zertifikate zukaufen.

    Es geht also um nicht gerade wenig, gerade in den Köpfen muss sich etwas ändern, so der Tenor auf dem Nachhaltigkeitskonferenz heute, wir müssen einsehen, dass wir bei uns selbst anfangen müssen: Es gibt einen weiteren Vorschlag hierzu aus der Bundesregierung: Künftig soll der Index für Wachstum, also gesamtvolkswirtschaftliches Wachstum, um einen Faktor für Nachhaltigkeit erweitert werden. Also eine Investition, die sofort wieder verpufft, soll nicht mehr wie bisher als Wachstum gezählt werden. Der Kanzlerin weht allerdings jetzt schon bei diesen vielen guten Vorsätzen der Wind ins Gesicht, aus einer Richtung, aus der er bisher nicht kam: Die großen Stromkonzerne haben Spitzenanwälte damit beauftragt, ein ganzes Bündel an Verfassungsklagen gegen die Bundesregierung vorzubereiten. Sie Stromkonzerne wollen sich so ohne weiteres nicht mit dem Atomausstieg abfinden.