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Nicht immer sichtbar, aber dennoch verheerend

Die schlimmste Ölpest in der Geschichte der USA begann am 20. April 2010 mit der Explosion Bohrplattform "Deepwater Horizon". In den darauf folgenden Monaten bis zum Verschluss des Bohrlochs liefen mehr als 750 Million Liter Erdöl ins Meer. Ein Jahr danach.

Von Klaus Remme | 19.04.2011
    er sich in diesen Tagen nach den Weg macht, in den äußersten Süden Louisianas, nach Plaquemines Parish, wo das Öl vor einem Jahr in die empfindlichen Marschlandschaften einsickerte, der fragt sich verwundert, wo ist es geblieben, das Öl. Man riecht es nicht mehr, man sieht es nicht. 800 Millionen Liter sind aus dem Meeresboden ins offene Wasser gelangt. Die Angaben schwanken, vergleichsweise geringe Mengen wurden in den ersten Wochen abgesaugt und abgefackelt, sicher ist ein Teil verdunstet, vieles spricht dafür, dass Bakterien einen Teil des Öls schneller zersetzt haben als zunächst gehofft. Die Behörde für Ozeanografie schätzt, das zwischen elf und 30 Prozent des Öls immer noch im Wasser ist. Ein Grund dafür, das Fischer Acy Cooper aus Venice sagt, hier ist noch längst nicht alles Ordnung:

    Er kenne Stellen, wo das Öl noch mit der Hand zu greifen sei, sagt Cooper, und er hat recht, wenn er sagt, dass noch immer nicht alle Regionen für den Fischfang freigegeben sind, 84.000 Quadratmeilen waren auf dem Höhepunkt der Krise gesperrt, jetzt sind es noch etwa Tausend. Es wird auch noch gesäubert, doch die Zahl der damit Beschäftigten ist von einst 48.000 auf etwa 1500 gesunken. Wer von den Ortschaften Empire oder Port Sulphur hinausfährt nach Bay Jimmi, sieht nach wie vor Verschmutzungen, braunes Gras, Knallkörper, mit denen Vögel weggehalten werden sollen, doch auch frisches, grünes Gras ist an einst stark verschmutzen Stellen zu sehen. Dr. Alex Kolker vom Meeresforschungsinstitute Lumcon:

    "Die eigentliche Gefahr ist der Verlust der Marsch in den vergangenen Jahrzehnten, ein Prozess, der sich fortsetzen wird, wenn nicht schnell grundsätzliches geschieht."

    Durch Industrialisierung, Energiewirtschaft, künstliche Kanäle und Pipelines sind die Graslandschaften in den letzten 100 Jahren um ein Drittel geschrumpft. Wertvoller Schutzraum wenn Hurricanes Kurs auf New Orleans nehmen, ökologisch unverzichtbare Zonen für Vögel, Fische, Krabben und Austern.

    Hey, sagt Landrat Bill Nungesser, wir haben Fortschritte gemacht, aber es gibt noch viele Fragezeichen. Zwar gibt es wieder Krabben, doch Fischer fangen sie an Stellen, wo sie sonst um diese Jahreszeit nicht sind, Austern gibt es fast keine, die meisten Fischer sehen die Ursache darin im Corexit, der Chemikalie, die das Öl vor einem Jahr verdünnt und damit einen Ölteppich auf der Meeresoberfläche verhindert hat. Wissenschaftler streiten über die langfristigen Folgen von Corexit in diesen Mengen, in diesen Wassertiefen. Die Fischer sehen an den Austernbänken einen glitschigen Schleim der bis jetzt Nachwuchs verhindert. Es kann, Experten zufolge zehn Jahre dauern, bis sich die Bestände erholen. Insgesamt sind sich die meisten Wissenschaftler einig: Es ist nicht so schlimm gekommen, wir vor einem Jahr befürchtet. Doch es gibt auch andere Stimmen. Louis Miller ist Sprecher der Umweltschutzorganisation Sierra Club in Mississippi:

    Die Regierung verschleiert wo sie kann, beklagt sich Miller. Kritiker beharren auf Ölwolken in der Tiefe des Meeres, beklagen mangelnde Kontrollen von Fisch- und Krabbenfang, Gesundheitsbeschwerden von Arbeitern, die das Öl vor einem Jahr beseitigt haben. Sie zeigen auf die erhöhte Zahl toter Delfine und Seeschildkröten, die in den vergangenen Monaten an die Strände gespült wurden. Die Regierung schweigt sich über Ursachen aus. Im Herbst will sie den Abschlussbericht zum Ausmaß des Umweltschadens vorlegen – Grundlage für Schadensersatzklagen gegen das verantwortliche Unternehmen, BP.