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Nordlicht in der Fleischverpackung

Technik. - Ozon ist ein aggressives Gas, von dem Menschen gereizte Augen und Atemprobleme bekommen. Auf Einzeller wie Bakterien, oder Pilzsporen wirkt es noch drastischer. Daher haben Wuppertaler Forscher jetzt eine Methode entwickelt, bereits verpackte Lebensmittel mit Ozonhilfe haltbarer zu machen.

Von Hellmuth Nordwig | 02.07.2009
    Das Schweinekotelett liegt in einer ganz normalen Plastikschale, die mit einer Kunststofftüte versiegelt ist. Ungewöhnlich sind auf dieser Verpackung nur zwei silbrig glänzende, runde Etiketten aus Alufolie, jedes so groß wie eine Fünf-Cent-Münze. Und dazwischen ein weiteres Stückchen Aluminium, das jedoch auf der Innenseite der Folie klebt: So ähnlich könnte eine Lebensmittelverpackung der Zukunft aussehen. Sie soll weitgehend Keimfreiheit garantieren. Die Idee ist einfach: Im Inneren der Packung wird für kurze Zeit das Gas Ozon erzeugt.

    "Ozon ist ein so genanntes starkes Oxidationsmittel und zerstört die uns belastenden Mikroorganismen. Es verhindert ihre Reproduktionsfähigkeit und damit das Wachstum der Mikroorganismen auf Oberflächen","

    sagt Jürgen Engemann, bis vor Kurzem Professor an der Bergischen Universität Wuppertal und seit seiner Emeritierung Geschäftsführer der Firma Plasmaconsult. Ozon, ein Gas aus drei Sauerstoffatomen, ist als Desinfektionsmittel lange bekannt. Gegenüber anderen Stoffen wie dem giftigen Chlor hat es einen großen Vorteil: Ozon zerfällt etwa innerhalb einer Stunde, und übrig bleibt nur Sauerstoff. Daher kann man Ozon auch nicht speichern, sondern es muss dort erzeugt werden, wo es gebraucht wird. Und zwar durch ein starkes elektrisches Feld. Dabei entsteht aus einem Gas in der Verpackung ein so genanntes Plasma. Engemann:

    ""Es gibt in der Natur etwas Vergleichbares, etwa das Nordlicht. In viel kleinerem Maßstab ist das vergleichbar, was in der Tüte passiert: Sehr hohe Feldstärke, dann wird das Gas gezündet, und es bildet sich ein Plasma. Man sieht das: Es leuchtet."

    Ein Nordlicht in der Fleischverpackung also, das nur wenige Sekunden zu sehen ist. Um das starke elektrische Feld zu erzeugen, kommen die Aluminium-Etiketten ins Spiel. Sie sind nichts anderes als elektrische Pole. Legt man von außen an die münzgroßen Aufkleber eine hohe Spannung an, etwa 5000 Volt, sucht sich der Strom seinen Weg. Der führt über das Alu-Etikett auf der inneren Seite der Kunststofffolie. So entsteht innerhalb der Verpackung das Plasma und damit Ozon. Engemann:
    "Dieses Ozon wird so lange erzeugt, wie ich die Leistung in die Etiketten einkopple. Höre ich dann auf mit der Leistungseinkopplung, zerfällt Ozon nach einer gewissen Zeit wieder. Während es Ozon ist, hat es die Wirkung, die wir anstreben, nämlich die Sterilisation, und anschließend ist es dann reiner Sauerstoff in der Verpackung."

    Deshalb riecht es beim Öffnen der Verpackung nicht nach Ozon, und das Fleisch schmeckt auch nicht anders als sonst. In einem Projekt des Bundesforschungsministeriums haben die Plasma-Spezialisten aus Wuppertal gezeigt, dass so behandelte Lebensmittel zwar nicht steril, aber doch keimarm sind. Das soll mehr Sicherheit für die Verbraucher bringen. Denn selbst wenn Fleisch gekocht oder gebraten wird, kommt es immer wieder zu Lebensmittelvergiftungen, die durch Bakterien hervorgerufen werden. Leicht verderbliche Nahrungsmittel werden durch die Ozonbehandlung außerdem länger haltbar. Engemann:

    "Es ist erstaunlich, wie stark man das Verschimmeln von Erdbeeren, wenn man auch nur sehr kurzzeitig mit Ozon behandelt, dann das Ozon abklingen lässt, so dass es nicht mehr existiert. Dann erhöht sich die Standzeit der Erdbeeren ohne jede Beeinträchtigung – weder geschmacklich noch im Aussehen – um den Faktor zwei bis drei. Wir haben auch schon Selbstversuche gemacht und haben es sehr gut und mit Vergnügen überlebt."

    Dass man die Verpackungen mit den Alu-Aufklebern noch nicht im Supermarkt findet, hat einen einfachen Grund: In der EU dürfen Lebensmittel bisher nicht mit Ozon behandelt werden. Dafür soll es demnächst eine Ausnahmeregelung geben, und deshalb entwickeln die Forscher zurzeit serienreife Plasma-Etiketten - und eine sichere Apparatur, um die Hochspannung zu erzeugen.