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NS-Behörden verweigerten Prüfung
Promotion mit 102 Jahren nachgeholt

Ingeborg Syllm verfasste 1938 ihre Doktorarbeit über Diphtherie, doch den Abschluss ihrer Promotion verweigerten die deutschen Hochschulbehörden – unter Verweis auf die "Rassengesetze". Jetzt hat die Kinderärztin ihre Dissertation nachgeholt. Mit 102 Jahren.

    Ingeborg Syllm-Rapoport sitzt am 13.05.2015 in einem Sessel in ihrer Wohnung in Berlin. Im Alter von 102 Jahren hat die Kinderärztin ihre mündliche Promotionsprüfung am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf erfolgreich nachgeholt.
    Promotion mit 102 Jahren nachgeholt: Ingeborg Syllm-Rapoport, hier in ihrer Wohnung in Berlin (picture alliance / dpa / privat)
    Ingeborg Syllm-Rapoport legte am Mittwoch erfolgreich ihre mündliche Prüfung zur Promotion ab. Das teilte das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf am Freitag mit. Im Juni soll ihr demnach in einer Feierstunde die Promotionsurkunde übergeben werden.
    Ingeborg Syllm hatte in Hamburg Medizin studiert und von 1937 bis 1938 als Assistenzärztin am Israelitischen Krankenhaus Hamburg ihre Dissertationsschrift über Diphtherie geschrieben. Die Hochschulbehörden verweigerten ihr aber unter Berufung auf die Nürnberger "Rassengesetze" die Zulassung zur mündlichen Doktorprüfung und damit zur Promotion.
    "Mit dieser nachträglichen Promotion können wir geschehenes Unrecht nicht wieder gut machen, aber wir tragen damit zur Aufarbeitung der dunkelsten Seiten deutscher Geschichte an den Universitäten und Hochschulen bei", erklärte der Dekan der Medizinischen Fakultät, Uwe Koch-Gromus.
    Emigration in die USA, Karriere in der DDR
    Ingeborg Syllm wurde 1912 als Tochter der jüdischen Pianistin Maria Syllm geboren. 1938 emigrierte sie in die USA, wo sie als Kinderärztin arbeitete. Dort lernte sie ihren späteren Mann Samuel Mitja Rapoport kennen, mit dem sie vier Kinder hat. Die beiden überzeugten Sozialisten zogen 1952 nach Ost-Berlin in die damalige DDR, wo Ingeborg Rapoport 1969 an der Charité den ersten Lehrstuhl für Neonatologie (Lehre der Pathologie und Physiologie von Neugeborenen) in Deutschland übernahm. Im Jahr 1997 erschienen ihre Memoiren unter dem Titel: "Meine ersten drei Leben".
    (tön/tgs)