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OECD-Wirtschaftsausblick
Armes Europa, reiches Deutschland

Die OECD sieht Deutschland in den kommenden Jahren weiter in der Rolle der Konjunkturlokomotive in Europa. Für die Euro-Zone insgesamt sieht es aber eher mau aus.

Von Ursula Welter | 19.11.2013
    Die Weltwirtschaft wächst, aber mit mäßigem Tempo und es gibt Risiken, denen die Politik begegnen muss. Die OECD formuliert es an anderer Stelle in ihrem Wirtschaftsausblick so: Die Erholung kann wieder entgleisen. Zu den Risiken zählen unter anderem die Schuldenlast der USA, die Spannungen im Euroraum und nachlassende Wachstumsimpulse in den aufstrebenden Volkswirtschaften. Letzteres würde vor allem auf Europa und Japan lasten.
    Für Deutschland gilt dennoch: Das Wachstum gewinnt an Fahrt:
    "Das Wirtschaftswachstum soll von 0,4 Prozent in diesem Jahr sich auf 1,7 Prozent und auf 2,2 im Jahr 2015 beschleunigen",
    rechnet Andrés Fuentes für das Ressort Deutschland bei der OECD in Paris vor.
    Getragen werde der Aufschwung vor allem von der inländischen Nachfrage. Die Volkswirte erwarten höhere Reallöhne, das Anziehen der Privatinvestitionen, niedrigere Arbeitslosigkeit und eine Inflationsrate von durchschnittlich zwei Prozent im Jahr 2015.
    Zu den Risiken gehört jedoch, dass das Wachstum in Deutschland in der nächsten Phase der Erholung stärker von der Lage im Euroraum abhängen wird. Denn die starke Dynamik in den Schwellenländern lässt nach und damit auch die Nachfrage nach deutschen Investitionsgütern.
    "Der Leistungsbilanzüberschuss könnte etwas zurückgehen - von 7 Prozent in 2013 auf 5,6 Prozent im Jahr 2015."
    Für das Ressort Europa ergänzte Eckhard Wurzel: Die These, dass Deutschlands Leistungsbilanz die Entwicklung in anderen europäischen Staaten belaste, sei falsch. Im Gegenteil:
    "Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss hat nicht verhindert , dass wir deutliche Fortschritte innerhalb der EU beziehungsweise des Eurogebietes sehen."
    Die OECD empfiehlt Deutschland allerdings Reformen im Dienstleistungssektor, von denen die Binnennachfrage weiter profitieren könne.
    Angesprochen auf die laufenden Koalitionsverhandlungen in Berlin, unterstreichen die Experten in Paris, Steuermehreinnahmen sollten zum Schuldenabbau genutzt werden und ein Mindestlohn nach Sektoren sei auch nicht zu empfehlen. Der müsse unabhängig von politischen Prozessen und Tarifparteien ermittelt werden, nach Methoden der empirischen Wirtschaftsforschung, um Arbeitsplatzverluste zu vermeiden:
    "Wir meinen, dass ein allgemein verbindlicher Mindestlohn, festgesetzt von einer unabhängigen Kommission, besser ist als das jetzige Verfahren. Zum Niveau sagen wir nichts."
    Für den Euro-Raum sieht die OECD weiter Schwachstellen im Bankensystem, von denen ein erheblicher Bremseffekt ausgehe. Die Stresstests der EZB im kommenden Jahr müssten rigoros durchgeführt werden. Wo nötig, gefolgt von Bankenrekapitalisierung.
    Zu den positiven Befunden gehört, dass für den Euro-Raum in vielen Ländern zum ersten Mal eine Stabilisierung der Schuldenstände beobachtet werden könne Die Hauptlast der Konsolidierung liege hinter dem Euro-Raum, das heiße aber nicht, dass es einfach werde. In den Anstrengungen dürfe insgesamt nicht nachgelassen werden.