Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Olympia 2024
Hamburgs knapp berechnetes Sicherheitsbudget

London ist das große Vorbild der Hamburger Olympia-Bewerbung. Doch ausgerechnet beim Thema Sicherheit rechnet Hamburg nur mit rund einem Drittel der Kosten, die London ausgegeben hat. Ist das glaubhaft, oder rechnet sich Hamburg das Budget klein?

Von Jonas Reese | 11.10.2015
    Polizisten stehen am 12.09.2015 in Hamburg vor dem Hauptbahnhof.
    Polizisten vor dem Hamburger Hauptbahnhof (picture alliance / dpa / Daniel Reinhardt)
    Ein Kriegsschiff auf der Themse, Flugabwehrraketen auf Hausdächern. Rund 1,7 Milliarden Euro hatte London 2012 für die Sicherheit während seiner Spiele ausgegeben. All das will Hamburg nicht. Sichere Spiele aber keine Sicherheitsspiele sollen es 2024 nach dem Willen der Organisatoren werden, falls die Bürger Ende November grünes Licht geben. Deswegen rechnet Hamburg in einem offiziellen Finanzentwurf mit knapp 500 Millionen Euro Sicherheitsbudget. Und damit mit weniger als einem Drittel der Kosten von London.
    Gerhard Ruschmeyer, der Beauftragte Sicherheit Olympia Hamburg, sagt: "Unsere Kostenkalkulation ist jetzt auf der Basis erfolgt, dass wir die Spiele so ähnlich gestalten können, wie bei der Fußball WM 2006, dass wir die Welt zu Gast bei Freunden haben, und solche Ausrichtungen wie London es gezeigt hat, mit Militär im Hafen oder Raketen auf den Dächern, auf gar keinen Fall benötigen."
    Das kleine Budget wäre eine Zäsur in der jüngeren Geschichte der Olympischen Spiele. Nach den Terroranschlägen von 2001, kannten die Sicherheits-Ausgaben bei dem Sportgroßereignis nur eine Richtung – und zwar nach oben. Skepsis kommt deshalb aus der Hamburger Opposition. Christiane Schneider, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft erklärt: "Sie sagen, sie hätten das doppelte der aktuellen Preise zur Berechnungsgrundlage gemacht. Aber jetzt haben sie ausgerechnet bei der Inneren Sicherheit den niedrigst möglichen Wert überhaupt genannt. Und das lässt mich ein bisschen zweifeln, ob das wirklich so solide ist, wie sie es zusammengerechnet haben."
    Budget kaum einzuhalten
    Die Gefahrenlage neun Jahre im Voraus zu planen ist kaum möglich. So müssen die Zahlen zwangsläufig auf Annahmen beruhen. Manche zentrale Faktoren würden aber nicht genug beachtet. Die Terrorgefahr zum Beispiel meint Dennis Pauschinger Sicherheitsexperte für Sportgroßereignisse an der Uni Hamburg:
    "Was auffällig am Hamburger Sicherheitskonzept ist, dass die Terrorabwehr nur am Rande erwähnt wird. Und das verwundert, weil olympische Sicherheit seit vielen Jahren miteingebettet ist, im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Das hat seinen Anfang genommen seit 1972 München aber dann nochmal einen Schub bekommen seit dem 11. September 2001. Und Sozialwissenschaftler sprechen eben darüber, dass Sicherheit zu einem integrierten Teil des olympischen Rituals geworden ist."
    Allgemein gehen Experten davon aus, dass sich die Sicherheitslage in Europa in den kommenden Jahren eher verschlechtern als verbessern wird. Die Terrorgefahr wird demnach eher zunehmen als abnehmen. Insofern glaubt Pauschinger, dass das Hamburger Sicherheitsbudget von 460 Millionen Euro kaum einzuhalten ist.
    "Es fehlen einfach auch gewisse Teile in diesem Konzept, die zu Olympischen Spielen dazugehören, wie zum Beispiel, dass es zum Einsatz des Militärs kommt, es spricht viel über Hafensicherheit, die mit der Wasserschutzpolizei garantiert werden soll, und da hat man schon das Gefühl, als wenn da nicht alles auf den Tisch gelegt wird, was dann letztendlich zum Sicherheitskonzept dazugehören wird, dann 2024."
    Erst 2020 belastbare Prognosen
    Die Hamburger Organisatoren rechnen zu absoluten Spitzenzeiten mit bis zu 100.000 Besuchern im Olympia-Park. Das ist ein Drittel der Londoner Kapazitäten. Laut einer Studie der Universität in Essex waren während Olympia in London über den Tag verteilt bis zu 89.000 Polizisten im Einsatz. In Hamburg sollen weniger als ein Viertel davon ausreichen. Gerhard Ruschmeyer, der Sicherheitsbeauftragte der Stadt sagt:
    "Wir haben geplant, dass wir bis zu 2.500 Mitarbeiter, Polizei zeitgleich im Einsatz haben, und wenn man das auf den Tag jeweils auslegt, dann kommen wir auf die Zahl von 10.000 Unterstützungskräften. Und zur Bezahlung des Personals, haben wir uns festgelegt, dass die Personalkosten jeweils nicht berechnet werden."
    Das Ausrichterland ist laut IOC-Vertrag für die Sicherheit der Spiele verantwortlich, insofern sollen die Kosten für Unterstützung aus den Ländern oder dem Bund nicht Hamburg zufallen. Für Christiane Schneider von der Linkspartei ein weiterer Knackpunkt:
    "Das sind aber auch Kosten die den Steuerzahler treffen, die kämen ja beim Bund dann noch zusätzlich drauf, genauso will der Senat keine Kostenerstattung gegenüber den Bundesländern machen, die ihrerseits Beamte zu Verfügung stellen. Das wird normalerweise gezahlt. Also man rechnet mit Kräften, die man teilweise gar nicht bezahlen will. Die Kräfte sind sehr niedrig angesetzt wenn man es mit London vergleicht. Und das alles vor dem Hintergrund, dass man keine Gefahrenanalyse hat, also das ist so willkürlich, das hat eigentlich bisher gar nichts zu sagen, was auf den Seiten zur Inneren Sicherheit steht."
    Fundierte Gefahrenanalysen sollen erst ab dem Jahr 2020 möglich sein. Doch die Hamburger Bürger müssen sich schon in weniger als zwei Monaten entscheiden.