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Organische Elektronik aus Dresden

Für den Deutschen Zukunftspreis für technische Innovationen sind auch Forschern aus Dresden nominiert: Die drei Wissenschaftler haben die Fachwelt mit zwei neuen Bauelementen auf Basis von organischen Halbleitern verblüfft: Das eine leuchtet selbst, das andere wandelt Licht zu Strom um. Heute Abend wird der Deutsche Zukunftspreis vergeben.

Von Jan Rähm | 14.12.2011
    Karl Leo greift in eine kleine Box, zieht ein Paar blaue Folienüberzieher heraus und streift sie über die Schuhe. Dann setzt er sich ein Haarnetz auf.

    "Wir sind jetzt grauraum-gerecht. Wir werden also in den sogenannten Grauraum gehen, was so halt leider technologisch heißt halbschmutzig."

    Dieser Raum ist im Fraunhofer-Institut für Photonische Mikrosysteme IPMS in Dresden. Hier forscht Karl Leo unter anderem an organischen Halbleitern. Der Grauraum, das ist eine Art Reinraum, der aber nicht ganz so streng staubfrei bleiben muss. Nur darum dürfen hier Besucher mit herein, um die großen Maschinen zu sehen, die Glas oder Plastikfolie mit organischen Halbleitern beschichten. Aus diesen Halbleitern haben er und seine beiden ehemaligen Doktoranden Jan Blochwitz-Nimoth und Martin Pfeiffer Bauelemente entwickelt, die Licht erzeugen. Organische Leuchtdioden, kurz OLED.

    "Und hier stehen wir jetzt vor unserer größten Beschichtungsanlage. Ist eine sogenannte Gen-2-Beschichtungsanlage, das heißt, das sind Glassubstrate der Größe 37 mal 47 Zentimeter. Und auf diese Glassubstrate werden in dieser Anlage die organischen und die Kontaktschichten aus dünnem Metall abgeschieden."

    Karl Leo verlässt den Reinraum und geht zu einem kleinen, abgedunkelten Raum. Er betätigt ein paar Schalter und ein Dutzend kleiner bis mittelgroßer Flächen fangen an zu leuchten. Das sind die OLED-Module, die im Reinraum hergestellt wurden.

    "Hier steht ein Demonstrator für eine organische Leuchtdiode. Das ist eine flächige Lichtquelle, die ein sehr angenehmes Licht, warm weißes Licht erzeugt, das man zum Beispiel für Wohnzwecke sehr gut verwenden kann. Der Hauptunterschied zwischen den organischen Halbleitern zu den klassischen kristallinen Halbleitern wird an diesem Demonstrator deutlich. Es sind großflächige Bauelemente, also nicht kleine Kristalle."

    Die OLED gehört zu den organischen Halbleitern. Diese bestehen hauptsächlich aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Anorganische Halbleiter basieren im Gegensatz dazu zumeist auf Silizium. Die Funktion von organischen und anorganischen Halbleitern jedoch unterscheiden sich indes kaum. Mittlerweile sind die organischen Dioden praxistauglich. Mitentwickler Jan Blochwitz-Nimoth stellt sie in einer Ausgründung des IPMS her. Basierend auf den Forschungen zu den OLEDs haben er, Karl Leo und Martin Pfeiffer auch Bauelemente entwickelt, die Licht absorbieren. Nämlich neuartige Solarzellen.

    "Ja wir können jetzt hier zu den Solarzellen gehen. Das ist letztlich einfach die umgedrehte Leuchtdiode. Leuchtdiode heißt Strom rein, Licht raus und Solarzelle heißt Licht rein, Strom raus. Das sind ähnliche Bauelemente mit etwas anderen Materialien. Wir wählen also etwas andere organische Materialien, um damit Licht in elektrischen Strom umzusetzen."

    Treibende Kraft bei der Solarzellenforschung war Martin Pfeiffer. Er leitet heute eine zweite Ausgründung des IPMS in Dresden. Auch hier gibt es einen Reinraum. Martin Pfeiffer legt die Schutzkleidung an. Er öffnet eine Tür und das Rauschen der Belüftungsanlagen erfüllt den Raum. Neben einer mehrere Meter hohen Anlage bleibt er stehen.

    "Hier sehen Sie ein großes Edelstahlungetüm. Das wird unsere Rolle-zu-Rolle-Produktionsanlage und hier gehen wir jetzt in den Forschungs- und Entwicklungsbereich."

    Die riesige Anlage ist noch streng vertraulich. Es ist eine der ersten ihrer Art und wird in den kommenden Monaten beginnen, Solarzellen auf Basis organischer Halbleiter zu produzieren. Im Forschungsbereich nebenan tüfteln Pfeiffer und seine Kollegen daran, die letzten Kinderkrankheiten der neuartigen Zellen zu kurieren. Denn noch sind sie nicht ganz so leistungsfähig, wie ihre anorganischen Verwandten. Dafür haben sie mehrere Vorteile. Sie brauchen keine extrem seltenen, giftigen oder teuren Rohstoffe und können außerdem bei geringen Temperaturen hergestellt werden. Nur zum Vergleich: Silizium wird bei circa 2000 Grad Celsius gewonnen.

    "Das ist ein ganz wichtiger Punkt an unserer Technologie, dass alle Abscheideprozesse bei weniger als 120 Grad Celsius stattfinden und das ist der Temperaturbereich den PET verträgt."

    PET ist ein gängiger Kunststoff, aus dem auch Getränkeflaschen oder Textilfasern hergestellt werden. Bei der Solarzellenproduktion wird PET als Träger für die Halbleiter benutzt. So entstehen sehr leichte Module.

    Info

    Die weiteren Nominierten für den Deutschen Zukunftspreis hat "Forschung Aktuell" an den vergangenen Tagen vorgestellt:

    Geballte Energie
    Freiburger Ingenieure sind mit Mehrfach-Solarzellen für den Zukunftspreis 2011 nominiert


    Forschung Aktuell - Sauber sortiert
    Nominiert für den Deutschen Zukunftspreis: Unisensor aus Karlsruhe *
    Karl Leo, Jan Blochwitz-Nimoth und Martin Pfeiffer (v.l.) sind für den Deutschen Zukunftspreis 2011 nominiert
    Karl Leo, Jan Blochwitz-Nimoth und Martin Pfeiffer (v.l.) sind für den Deutschen Zukunftspreis 2011 nominiert (Deutscher Zukunftspreis)