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Pariser Sorbonne
Mehr orthodoxe als pluralistische Ökonomie

Die post-autistische Bewegung - in Deutschland als pluralistische Ökonomie bekannt - wurde in Paris losgetreten. Der Ökonom Bernard Guerrien gilt als anfängliche Triebkraft. Von hier aus breitete sich die Bewegung in der westlichen Welt aus. An der Pariser Sorbonne hat es Bewegung dennoch schwer.

Von Martina Zimmermann | 07.05.2016
    Studenten im Innenhof der Universität Sorbonne Paris.
    Studenten im Innenhof der Universität Sorbonne Paris. (picture-alliance / dpa)
    Universelles Grundeinkommen und Sozialhilfe: Im Pariser Haus der Wirtschaftswissenschaften findet ein Kolloquium mit diesem Titel statt. Dass Wirtschaftswissenschaftler über ein Thema nachdenken, das in den Bereich der Sozialpolitik fällt, könnte als Beweis für die Offenheit der Pariser Sorbonne gelten. Könnte. In Wirklichkeit ist es die Ausnahme, die die Regel bestätigt, meint die Dozentin, Miriam Pucci:
    "Das Forschungslabor, das diesen Studientag organisiert hat, ist nicht repräsentativ für das Wirtschaftsdenken in Frankreich. Es ist heterodox, also folgt einer anderen Lehre und predigt den Austausch mit Soziologen, Philosophen und Historikern. Das tun die wenigsten Ökonomen."
    Der 33-jährige Doktorand Jean-Eric Hyafil bestätigt:
    "Das Studium ist sehr theoretisch. Wirtschaftsgeschichte, sehr theoretische Kurse, alle Wirtschaftstheorien, Smith, Ricardo, Marx, Keynes, die Neoklassiker, sehr theoretisch und auch sehr mathematisch. Den Studenten fällt es manchmal schwer, die Theorie mit der Realität zu verbinden."
    Auch deshalb fordern seit der Jahrtausendwende Studenten und Professoren neue Ansätze, auch an der renommierten Sorbonne, die bis heute die wichtigsten Wirtschaftsforscher Frankreichs ausbildet und dem ganzen Land den Takt vorgibt. Drei von der Regierung in Auftrag gegebene Berichte kamen allerdings immer wieder zum selben Ergebnis: Alles läuft bestens in der Welt der Ökonomie, bitte bloß nichts ändern.
    Andere Einstellungen haben es schwer
    Bei Neueinstellungen an der Sorbonne werden dementsprechend seit Jahren nur formatierte, orthodoxe Bewerber berücksichtigt. Professor Jean-Marie Monier bedauert das:
    "Unsere Programme haben sich wenig entwickelt, sie blieben formatiert nach einem sehr orthodoxen Unterrichts- und Forschungsprogramm. Entweder machen wir wirtschaftliche Berechnungen, Mathematik. Oder untersuchen das Verhalten der Wirtschaftsakteure nach einer Rationalität, die doch klar begrenzt ist. Unsere Studenten verstört das oft, weil die nicht verstehen, warum wir von solchen Hypothesen ausgehen."
    Das Wirtschaftsstudium an der Sorbonne bilde Techniker aus, so der Professor. Keine kritischen Wissenschaftler. Auch, wenn sich einige Forscher in Initiativen zusammengeschlossen haben, um dieses zu ändern. 2009 gründeten sie die Association Française d'Economie Politique, den Verein der politischen Ökonomie; 2011 das Kollektiv "Pour un Enseignement Pluraliste dans le Supérieur en Economie", für eine pluralistische Ausbildung. Bisher aber bleiben die Forderungen ungehört.
    Die Studenten haben in der Regel erst nach dem Master die Möglichkeit, sich thematisch zu öffnen. Zum Beispiel durch eine Promotion, wie Maloum Mofankany es macht. Der 25-Jährige forscht zum Thema Innovation und Qualität der Arbeitswelt:
    "Ich sehe mich später nicht bei Goldman Sachs oder bei einer Bank, sondern eher in einer staatlichen Institution, die öffentliche Arbeitsmarktpolitik analysieren."
    Aber natürlich gibt es auch Studentinnen wie die Chinesin Wi Hu Die 23-Jährige würde lieber noch mehr Mathematik machen. Und ihr Berufsziel lässt sich sehr gut mit der Orthodoxie der Ökonomie verbinden:
    "Ich möchte einmal in einer Finanzinstitution Projekte machen und Leuten helfen, Profit zu machen. Vielleicht darf man das so nicht sagen, aber mir ist das große Ganze egal, mir geht es um persönlichen Gewinn."