Archiv


Per Klimatron in die Zukunft

Umwelt. - Da der Klimawandel nicht mehr zu stoppen scheint, suchen Forscher schon heute nach der Landwirtschaft von morgen: Im Klimatron der Universität Hohenheim wachsen die Agrar-Hoffnungsträger des Jahres 2050.

Von Carl-Josef Kutzbach |
    Das Hohenheimer Klimatron sieht von außen aus wie ein normales Gewächshaus. Allerdings hat es einen Keller mit mehreren kleinen Klimakammern, in denen zurzeit Tomaten in Töpfen wachsen. Martin Erbs, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Gemüsebau und zuständig für das Klimatron der Universität Hohenheim, beschreibt das eingestellte Klima:

    "Eine aktuelle Kohlendioxid-Konzentration und eine Außentemperatur, wie sie für Sommermonate hier durchschnittlich vorkommt: 22 Grad, gute Wachstumsbedingungen für Tomaten."

    Diese Kammer dient sozusagen als Messlatte, um Veränderungen gegenüber dem heutigem Klima zu untersuchen. Sollte es wesentlich wärmer werden, dann ist zu erwarten, dass sich der heute für Italien typische Gemüseanbau nach Mitteleuropa verlagert und hier andere landwirtschaftliche Nutzpflanzen verdrängt. Professor Hans-Peter Liebig, Rektor der Universität und Leiter des Fachgebietes Gemüsebau öffnet die Nachbarkammer, in der ein Klima eingestellt ist, wie wir es durch den Klimawandel bekommen könnten:

    "Eine Vergleichskammer, wo eine erhöhte Kohlendioxid-Konzentration gefahren wird, bei der wir prinzipiell wissen, dass die Pflanzen dort schneller wachsen werden. Das ist bekannt. Das sind vergleichende Versuche, die letzten Endes dazu dienen um sie weiter in unseren begehbaren Bodenkammern anzugucken, denn da geht es ja da drum: Was ändert sich beim Wurzelwachstum? Das wollen wir näher analysieren."

    Das Klimatron-Gewächshaus ist in die erwähnten, größere Bodenkammern unterteilt in denen jetzt - der Jahreszeit gemäß - Ackersalat wächst, allerdings bei höheren Temperaturen und mit mehr Kohlendioxid in der Luft. Wenn es wärmer würde und dieser Stickstoffgehalt der Luft weiter steigt, wäre bei uns der Anbau von Freiland-Tomaten kein Problem. Vorausgesetzt, sie bekommen auch kräftigere Wurzeln, damit die größeren Pflanzen auch fest stehen. Außerdem müssen sie so tief wurzeln, dass sie die nötigen Nährstoffe und genug Wasser aus dem Boden holen können. Das gilt natürlich für alle Nutzpflanzen. Deshalb sind im Erdboden dieser Klimakammern drei Meter lange Plexiglasröhren in verschiedenen Höhen verlegt, in die man eine Kamera einschieben kann, so dass man sieht, wie tief die Wurzeln reichen und, wie sie aussehen. Die Kamera samt Lampe liefert Makroaufnahmen, die man sofort auf dem Laptop betrachten kann. Martin Erbs:

    "Ah, hier haben wir auch gerade eine Wurzel. Der Feldsalat stand etwas trockener. Da sieht man sofort die Resultate: Es werden Wurzeln in tieferen Bereichen gebildet. - Da bewegt sich etwas; da haben wir ein Collembol, an dieser Stelle. Da bewegt sich's wieder ein Stück weiter. Also man sieht sogar die Bodenmikrofauna mittels der Kamera und könnte dann filmen, wie sich dieses kleine Tierchen bewegt. Das ist ja eine sehr neue Anlage, die Besiedlung des Bodens hat grade mehr oder minder begonnen. Zu Anfang hat man eigentlich keinerlei Zoologie bei der Endoskopie hier entdeckt. Mittlerweile haben wir doch öfters Mikroorganismen, die wir hier sehen."

    Da die Lebewesen im Boden eine Rolle für die Pflanzengesundheit spielen, kann man eigentlich erst jetzt richtig mit den Untersuchungen beginnen. Man kann sogar in den Boden hinein greifen, um Tierchen oder Wurzelstücke heraus zu holen, erklärt Professor Liebig:

    "Denn wir haben auch Metallröhren, die durchlöchert sind. Und, wenn wir im Wurzelraum der Pflanzen sind, dann mit Mikromanipulatoren durch die Röhre in den unmittelbaren Wurzelbereich auch hineingreifen können."

    Diese Probennahme spielt auch eine Rolle, wenn man die Bewässerung untersucht. Je wärmer das Klima wird, desto wichtiger wird sie. Und da die Landwirtschaft 70 Prozent des weltweiten Süßwassers verbraucht, versucht man jeder Pflanze das nötige Wasser nur Tropfen für Tropfen zuzuteilen:

    "Wobei es schon klar ist, das Wasser kommt an, aber es geht uns ja im Detail darum, die Systeme zu optimieren. Das heißt, wir wollen durch die genauere Beobachtung sehen, wie kann man das ganze System verbessern, wie sieht es mit den Abständen aus, wie müssen die Tropfer auch unterirdisch aussehen."

    Das Hohenheimer Klimatron erlaubt Pflanzen in wärmerer, kälterer, feuchterer, trockenerer Umgebung, oder mit mehr Kohlendioxid in der Luft aufwachsen zu lassen, also in einem Klima, wie wir es vielleicht in Zukunft haben werden. Obendrein kann man untersuchen, welche Bewässerungsmaßnahmen dann am wirkungsvollsten sind.