Freitag, 26. April 2024

Archiv


Per Trimm-Dich zu mehr Grips

Medizin. - "In einem gesunden Körper ruht ein gesunder Geist", wussten schon die Vorväter. Ob sich das auch wissenschaftlich untermauern lässt, untersuchen Mediziner der Universität Ulm jetzt in einer Studie. Am vergangenen Wochenende präsentierten sie erste Ergebnisse.

Von Thomas Wagner | 21.11.2005
    "Also wir haben hier eigentlich immer früher Unterrichtsschluss gehabt. Danach konnten wir eine halbe Stunde laufen."

    Und zwar regelmäßig zwei Mal pro Woche jeweils 30 Minuten lang, berichtet Öclan Cakar, Schülerin aus Ulm. Sie ist eine von über 30 Versuchspersonen, die sich an einem ungewöhnlichen Forschungsprojekt beteiligten. Macht Laufen schlau? Das wollten Wissenschaftler von der Akademie für Medizinische Berufe am Ulmer Universitätsklinikum und des Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen in Erfahrung bringen. Nach dem Joggen begann daher für die Testläufer die Kopfarbeit:

    "Wir haben einen Test bekommen, da mussten wir viele Sachen beantworten, das war ziemlich schwer: Wege beschreiben, Vokabeln merken, mit Bildern merken und dann aufschreiben können. Das war schon schwer."

    Das sollte auch schwer sein. Denn nur so konnten die Forscher heraus bekommen, ob regelmäßiges Joggen dazu geeignet ist, kognitive Leistungen zu steigern – und vor allem, welche genau. Dazu teilten die Wissenschaftler die Versuchspersonen in zwei Gruppen ein. Die erste Gruppe joggte sechs Wochen lang jemals zwei Mal wöchentlich und absolvierte danach die Tests. Die zweite Kontrollgruppe joggte zunächst gar nicht, sondern absolvierte nur die Tests. Ergebnis: Sowohl die Läufer als auch die Nicht-Läufer konnten die Geschwindigkeit, in denen sie die Tests absolvierten, steigern.

    "Was sich aber verändert hat, war die Fehlerzahl. Das heißt: Die, die Laufen gegangen sind, haben in den sechs Wochen gelernt, weniger Fehler zu machen. Sie konnten sehr viel exakter diese Tests beantworten und erfüllen, als die Nicht-Läufer das konnten..."

    ...stellt Ralf Reinhardt von der Akademie für Medizinische Berufe in Ulm fest. Will heißen: Laufen macht tatsächlich schlau – in dem Sinne, dass sich die Konzentrationsfähigkeit messbar erhöht. Das Überraschende dabei: Wer einmal durch regelmäßiges Joggen seine Konzentrationsfähigkeit gesteigert hat, bleibt auf diesem hohen Niveau, selbst wenn er sein Lauftraining wieder einstellt. Nach sechs Wochen wurde die "nicht-laufende" Kontrollgruppe zum Joggen geschickt, während man die bis dahin aktiven Läufer vom Lauftraining befreite.

    "Da haben wir die wirklich überraschende Feststellung gemacht: Die konnten, was sie sich erworben haben während des Lauftrainings, tatsächlich behalten. Das war für uns im Hinblick der wissenschaftlichen Studie gar nicht einmal so erwünscht. Denn wir hätten ganz gerne mit der einen Gruppe wieder von Anfang an begonnen und dann gezeigt: Die, die jetzt laufen, verbessern sich wieder signifikant gegenüber denjenigen, die nicht laufen. Stattdessen haben die, die in den ersten sechs Wochen laufen waren, ihre Form behalten, könnte man sagen. Und die anderen konnten sich im Laufe der zweiten sechs Wochen an die erste Gruppe angleichen. Sie sind sich also näher gekommen, nicht auseinander gegangen."

    Zweite überraschende Feststellung: Das Lauftraining erhöht auch die Gedächtnisleistung. Allerdings kommt es sehr darauf an, in welchen Bereichen. Sanna Stroth, Psychologin am Ulmer Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen:

    "Da profitiert ganz offensichtlich mehr das visuell-räumliche Gedächtnis und weniger das verbale Gedächtnis. Telefonnummern merken funktioniert auch nicht so in dem Maße. Stadtpläne – da werden die Leute deutlich besser."

    Weshalb das Lauftraining eher die visuelle als die verbale Gedächtnisleistung verbessert, können sich die Ulmer Forscher bislang zwar nicht erklären. Eine Hypothese haben sie aber schon. Psychologin Sanna Stroth:

    "Eine mögliche These aus dem Tierreich ist, dass aber der Hippocampus, eine gedächtnisrelevante Struktur, eine entscheidende Rolle spielt. Und es zeigt sich im Tierversuch, dass Bewegung dazu führt, dass im Hippocampus sowohl neue Zellen gebildet werden als auch bestehende Zellen geschützt werden, sozusagen. Das könnte eine hypothetische Erklärung dafür sein, dass im Verhalten der Läufer nach diesen sechs Wochen Ausdauersport sich eine Verbesserung zeigt."

    Wobei der Hippocampus, ein bestimmter Teil des Gehirns, bekanntermaßen eher für die visuelle denn für die verbale Gedächtnisleistung maßgeblich ist. Um ihre Hypothese zu stützen, wollen die Ulmer Forscher in einem zweiten Schritt der Frage nachgehen, zu welchen gehirnorganischen Veränderungen regelmäßiges Lauftraining führt – Veränderungen, die für die verbesserte Konzentrations- und Merkfähigkeit ausschlaggebend sind. Ralf Reinhart:

    "Dann gibt es Methoden, zum Beispiel die funktionelle Magnetresonanztomographie, die man nehmen kann, um wirklich Aktivität nachzuweisen. Und da wäre es durchaus denkbar, dass Regionen des Gehirns, die sehr wichtig sind fürs Lernen - Stichwort: Hippocampus - eine verstärkte Aktivität zeigen. Und die versuchen wir natürlich auch nachzuweisen mit unseren Probanden."