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"Physik" in der personellen Krise

Der Sprecher der Konferenz des Fachbereichs Physik (KFP), Gerd Ulrich Nienhaus, beschreibt die Stellensituation studierter Physiker mit einem Wort: Vollbeschäftigung. Physiker seien Generalisten, die immer gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt hätten. Zu schaffen mache der Hochschulphysik jedoch der Stellenabbau und die damit verbundenen Probleme bei der Bachelor-Master-Umstellung und der Gymnasialreform, die eigentlich zusätzliches Personal nötig machten.

Gerd Ulrich Nienhaus im Gespräch mit Kate Maleike | 06.04.2009
    Kate Maleike: Einstellungen des Lehramtsstudiengangs Physik also in Lüneburg, auch andere Fachbereiche in Deutschland haben mit Problemen zu kämpfen. Vor allem der Stellenabbau bei Professoren macht vielen zu schaffen. Zwischen 1997 und 2007 ist die Zahl der Stellen um 11,7 Prozent zurückgegangen. Gerd Ulrich Nienhaus ist der Sprecher der Konferenz der Fachbereiche Physik, kurz KFP. Herr Nienhaus, wie ernst ist denn aus Ihrer Sicht die derzeitige Lage, ist Lüneburg ein Einzelfall?

    Gerd Ulrich Nienhaus: Nun, der Trend, dass die Professuren abgebaut werden, der besteht einfach in den letzten zehn Jahren, und das ist ein flächendeckendes Problem. Lüneburg ist insofern eine Besonderheit, als dass es hier ein sehr kleiner Fachbereich ist. Aber auch größere Fachbereiche haben diese Kürzungen hinnehmen müssen.

    Maleike: Steckt die Hochschulphysik in der Krise oder ist das zu scharf formuliert?

    Nienhaus: Ich denke, das ist zu scharf formuliert. Die Hochschulphysik hat Herausforderungen, mit denen Sie kämpfen muss. Da ist zum einen die Bachelor-Master-Umstellung, die eigentlich zusätzliches Personal benötigt, und darüber ist ja mit der G8-Umstellung, also der Gymnasialreform, demnächst zu erwarten, dass die Anfängerzahlen, die ja in den letzten Jahren sehr hoch gewesen sind, noch weiter ansteigen werden.

    Maleike: Jetzt haben wir ja auch gerade gehört, dass der Hochschulpakt II, der das ja auch auffangen will, eben diese steigenden Studierendenzahlen, offenbar eine Einigung erfahren hat. Würde das auch der Physik sozusagen Gutes bringen können?

    Nienhaus: Die Frage ist, wie die Maßnahmen im Einzelnen umgesetzt werden. Was wir in der Physik brauchen, sind verlässliche Personalausstattungen über Jahre hinweg und nicht zusätzliches Geld, um für kurze Zeit Kapazitätsprobleme abzufedern. Die Schwierigkeit ist nämlich die, dass wir qualifiziertes Personal brauchen, was dann langfristig zur Verfügung steht. Und man kann nicht einfach jetzt Hilfskräfte auf Zeit einstellen, da sie zum einen nicht die Qualität haben und zum anderen diese Arbeitsplätze auch nicht attraktiv sind.

    Maleike: Kommen wir noch mal zur Lage Ihrer Disziplin zurück. Könnten Sie sagen, dass Sie zu wenig Studienbewerber haben auch, oder können Sie sich im Moment auch nicht retten?

    Nienhaus: Im Moment haben wir etwa 8000, Größenordnung 8000 Anfänger im Jahr und das schon seit sieben Jahren. Und das heißt, dass die Physik relativ gut ausgelastet ist. Natürlich ist es abhängig von der Universität, die einen erfahren Überlast und die anderen können noch Studierende aufnehmen. Aber generell sind die Anfängerzahlen so hoch wie seit Anfang der 90er-Jahre nicht mehr. Und die Gesamtzahl an Physik-Studierenden knapp 30.000.

    Maleike: Aber eine weitere hohe Zahl ist die Abbrecherquote in Ihrer Disziplin, das sind nahezu 50 Prozent. Woran liegt das und was tun Sie dagegen?

    Nienhaus: Nun, die Abbrecherquote ist 50 Prozent, wobei 30 Prozent der Studierenden bereits innerhalb des ersten oder maximal zweiten Semesters das Studium wechseln. Sie sind daher nicht als Abbrecher in dem Sinne zu bezeichnen, sondern das sind Leute, die mit falschen Vorstellungen in das Physikstudium gegangen sind. Außerdem ist das Physikstudium recht anspruchsvoll und erfordert einen großen Einsatz, und viele Studierende kommen gerade in den ersten Wochen nicht mit dem Stoff mit und wechseln dann in andere Studiengänge.

    Maleike: Nun fordern KFP und auch die Deutsche Physikalische Gesellschaft immer wieder auch einen besseren Physikunterricht an Schulen, damit vielleicht dann auch dort mal deutlicher wird, was Physikstudium dann später ausmacht. Vor allem aber sagen sie, es muss entsprechend gut qualifizierte Lehrkräfte an den Schulen geben. Wenn jetzt ganze Studiengänge geschlossen werden, die das Lehramt Physik zum Ziel hatten, ist das doch eigentlich ein Zeichen in die falsche Richtung, oder?

    Nienhaus: Ja, das sehe ich genauso. Die Physiklehrer, die sind für uns ganz wichtig, um die angehenden Studierenden für die Physik zu rekrutieren. Und es macht viel Sinn, die Physiklehrer lokal auszubilden, damit die dann in die Schulen gehen und den Schülern sagen, studiert Physik, geht an die Universität. Und dafür ist es notwendig, dass die Lehrkräfte eben sowohl fachlich als auch pädagogisch ausgebildet sind.

    Maleike: Denn es lohnt sich auf jeden Fall, denn Sie sagen, die Berufsaussichten für Physiker sind blendend im Moment.

    Nienhaus: Ja, unsere letzte Erhebung vom November hat gezeigt, dass in der Physik de facto Vollbeschäftigung herrschte, und inwieweit die Weltwirtschaftskrise daran was ändern wird, kann man natürlich nicht absehen. Aber ich glaube, weil Physiker halt Generalisten sind, werden Sie immer gute Chancen am Arbeitsmarkt haben.

    Maleike: Zur Situation der Physik an deutschen Hochschulen war das Gerd Ulrich Nienhaus, Sprecher der Konferenz der Fachbereiche. Herzlichen Dank!