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Plasmide gegen Tumoren

Krebszellen unterscheiden sich von gesunden Zellen durch besondere Merkmale, darunter spezifische Proteine auf der Oberfläche. Das wollen niederländische Mediziner nutzen. Ihr Therapieansatz: Mit künstlich eingebrachten Oberflächenproteinen stacheln sie das Immunsystem regelrecht gegen die Krebszellen auf.

Von Christine Westerhaus | 26.10.2011
    Krebszellen unterscheiden sich von gesunden Zellen durch besondere Merkmale, die ein Ansatz für gezielte neue Therapien sein können. Eine Idee ist dabei, das körpereigene Immunsystem gegen die Krebszellen anzustacheln. Nun haben Forscher aus den Niederlanden eine Methode entwickelt, mit der sie körpereigene Zellen dazu bringen wollen, spezifische Krebsmerkmale herzustellen.

    Ist der Mensch krank, läuft das Immunsystem auf Hochtouren. Abwehrzellen schwärmen aus und erkennen spezifische Strukturen auf der Oberfläche des Krankheitserregers. Sie produzieren dann massenweise sogenannte Antikörper, die den Eindringling als fremd markieren. Erst jetzt tritt die körpereigene Müllabfuhr auf den Plan. Sogenannte Fresszellen nehmen die Erreger auf und machen sie damit unschädlich. Dieses hoch spezialisierte System wollen Forscher wie John Haanen vom niederländischen Krebsinstitut in Amsterdam auch in der Tumortherapie einsetzen. Das Immunsystem soll lernen, Krebszellen als Fremdkörper zu erkennen und zu entsorgen. Denn obwohl sie anders sind als gesunde Körperzellen, gelingt es den Tumorzellen, sich vor dem Angriff des Immunsystems zu schützen.

    "Wir wollen den Körper dazu bringen, eine Immunreaktion gegen spezifische Oberflächenmerkmale von Krebszellen in Gang zu setzen, am besten gegen Eigenschaften, die die Tumorzellen zum Überleben brauchen. Wenn wir die Zelle an dieser Stelle angreifen können, wird sie sterben."

    Die spezifischen Oberflächenmerkmale, die sich nur auf Krebszellen befinden, sind meist Proteine. John Haanen und seine Kollegen schleusen die genetische Bauanleitung für diese Eiweiße in gesunde Körperzellen ein. Das geschieht durch eine Impfung. Mit einer Nadel injizieren die Forscher die DNA, die die Bauanleitung für die harmlosen Krebsproteine enthält, in den Körper der Patienten. Dort gelangt die Erbsubstanz in die Zellen und wird abgelesen. Die Zelle produziert dann die typischen Krebsproteine und transportiert sie in das umliegende Gewebe. Hier sind Immunzellen unterwegs. Sie erkennen die harmlosen Krebsproteine als Fremdkörper und beginnen, sich dagegen zu wehren. Da die gleichen Proteine auch auf den Zellen eines Tumors sitzen, greift das Immunsystem sie nun an. Denn es hat gelernt, diese spezifischen Krebsproteine als fremd zu erkennen.

    Um die genetische Bauanleitung in die Zelle zu bringen, nutzen die Forscher sogenannte Plasmide. Sie stammen aus Bakterien, die diese kleinen DNA Bruchstücke nutzen, um genetische Informationen untereinander auszutauschen.

    "In diese Plasmide können wir interessante Gene einsetzen, von denen wir glauben, dass sie im Kampf gegen den Krebs wichtig sein könnten. Das können alle Merkmale sein, die nur bei Tumorzellen vorkommen. Wir wissen zwar noch nicht genau wie sie es machen, aber die Körperzellen nehmen diese Plasmide tatsächlich auf und nutzen die darin enthaltene genetische Information, um daraus Proteine herzustellen."

    Der Vorteil von Plasmiden ist, dass sie sehr anpassungsfähig und flexibel sind. Außerdem ist die Methode sicherer als andere Verfahren, bei denen fremde Erbsubstanz in den Körper eingeschleust wird. Die in den Plasmiden enthaltene genetische Information wird nicht in das Genom der Zelle eingebaut. Damit bleibt die DNA außerhalb des Zellkerns.

    "Das ist ein wichtiger Faktor, denn sonst würde die Zelle die genetische Information für ein Tumormerkmal bei jeder Teilung an ihre Tochterzelle weitergeben. Dadurch ist unsere Methode auch viel sicherer, als andere Verfahren, bei denen die genetische Information mithilfe von Viren in die Zelle geschleust wird. Denn Viren bauen die DNA dauerhaft in ihr Genom ein."

    Weil die Erbsubstanz nicht an die Tochterzellen weitergegeben wird, muss die Impfung immer wieder erneuert werden. In Tierversuchen haben John Haanen und seine Kollegen ihre DNA-Impfung schon erfolgreich getestet. Auch bei Affen hat ihre Methode funktioniert. Doch bei Krebspatienten mit einer fortgeschrittenen Erkrankung ist es den Forschern bisher nicht gelungen, den Tumor überzeugend zu bekämpfen.

    "Wir wissen nicht, warum das so ist. Der menschliche Krebs ist sehr kompliziert. Manche Tumoren existieren schon sehr lange und haben einzigartige Strategien entwickelt, mit denen sie das Immunsystem umgehen. Sie produzieren bestimmte Moleküle oder schaffen um sich herum ein Mikromilieu, das die Immunzellen vom Tumor fernhält."

    John Haanen ist jedoch überzeugt, dass die DNA-Impfung eine Zukunft hat. Die Forscher versuchen nun, das Immunsystem mit höheren Impfstoffkonzentrationen gegen die Krebszellen aufzubringen. Außerdem testen sie, ob Ihre Methode besser funktioniert, wenn sie sie mit anderen Therapien kombinieren.