Donnerstag, 28. März 2024

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Podcast zum Thema Sterblichkeit
"Wir reden halt einfach über den Tod"

Es ist schwierig und unangenehm - das Reden über den Tod. Dennoch sollte es "in jeder Gesellschaft ein Thema sein", sagte Podcastmacherin Susann Brückner im Dlf. Gemeinsam mit Caroline Kraft spricht sie im Podcast "Endlich: Wir reden über den Tod" über Endlichkeit und Trauerformen.

Susann Brückner im Corsogespräch mit Anja Buchmann | 01.02.2018
    Susanne Brückner (l) und Carolin Kraft (r) reden mit Gästen über den Tod, direkt und ohne Tragik
    "Wir werden alle, alle sterben", ein gut gelaunter Pop-Song als Jingle zum Podcast "Endlich: Wir reden über den Tod." (John Facenfield)
    Anja Buchmann: Podcasts gibt es zu gefühlt allen Themen: Von Politik über Musik und Bücher bis zu Games, Sex, Lifestyle oder Ich-erklär-dir-die-Welt-Podcasts. Was zumindest noch nicht in großer Zahl produziert wird, sind Podcasts zu "Tod und Sterben". Vor kurzem ist ein neuer hinzugekommen: "Endlich: Wir reden über den Tod", produziert von Susann Brückner und Caroline Kraft , die selbst Erfahrungen zum Thema Tod und auch Suizid sammeln mussten. Eine davon, nämlich Susann Brückner, ist unser heutiger Gast im Corsogespräch. Guten Tag!
    Warum sollten wir "endlich" (auch eine schöne Doppeldeutigkeit…) über den Tod reden?
    Susann Brückner: Oh, ja warum. Da gibt es natürlich viele Gründe, warum. Weil er erstmal zum Leben gehört, weil keiner dem entkommen kann, das steht uns allen bevor. Und weil ich auch glaube, dass es uns vielleicht auch ein stückweit was für unser eigenes Leben zurückgeben kann.
    Buchmann: Was war ihre eigene, ihre persönliche Motivation diesen Podcast zu starten mit ihrer Kollegin oder Freundin zusammen, Caroline Kraft.
    Brückner: Erst war es nämlich meine Kollegin - und so hat es auch angefangen, eigentlich mit einer E-Mail. Das war so, dass ich Caro geschrieben hab, die nämlich nicht mehr zur Arbeit gekommen ist, weil sie ihren Exfreund verloren hat, der sich das Leben genommen hat und dann habe ich ihr eine E-Mail geschrieben, wo ich einfach so reingeschrieben hab: Hey, Caro. Ich habe Erfahrung mit dem Thema, wenn du mal mit jemandem reden willst, der dich nicht betroffen dabei anguckt, dann sag Bescheid. Und so hat das angefangen, dann haben wir uns getroffen, mal zum Bier, dann bei mir Zuhause und haben dabei Morrisey gehört -
    Buchmann: Sehr passend.
    Brückner: Ja ... Und geredet. Ja, ja, wir haben auch so ein bisschen Pathos durchaus genossen dabei, was ja auch nicht verkehrt ist und haben uns dann gedacht: Meine Güte, wir haben hier echt so gute Gespräche und das geht ja auch über das Persönliche hinaus, was wir hier besprechen, lass uns mal einen Podcast machen. Also lass uns das doch einfach öffentlich machen. Man muss ja eigentlich nur ein Mikro hinstellen.
    Buchmann: Und das haben Sie dann gemacht.
    Brückner: Und das haben wir gemacht. Genau! Und so ist das auch mit unseren Podcasts, die sind ja genau so, dass man einfach zwei Frauen reden hört.
    Ganz normal und ohne Tragik
    Buchmann: Trotzdem nochmal die Frage: Warum braucht es - abgesehen von Ihrer persönlichen Motivation - warum braucht es einen Podcast dazu? Es gibt zumindest schon einen, der mir schon vorher bekannt war. The End - der Podcast auf Leben und Tod, den Sie auch verlinken auf Ihrer Seite, vielleicht gibt es auch weitere, die mir nicht bekannt sind. Warum ein Podcast dazu?
    Brückner: Wir fanden, dass wir da noch was beisteuern können zu dieser ganzen Szene der Podcasts und auch der alternativen Sterbebesprechung ... da gibt's ja auch alternative Bestatter und das ist ja eine ganze Szene da, jedenfalls in Berlin und wir fanden, dass es sowas, wo einfach zwei Leute ganz normal und ohne Tragik drüber reden, wie das ist mit diesem Tod klarzukommen. Mit dem Tod der Angehörigen, vielleicht auch mit dem eigenen – oder generell, was das bedeutet für unser Leben und das haben wir einfach gemacht.
    Buchmann: Das ist ja auch einfach der Charme des Podcastes: Einfach zwei Frauen aus eigenen Erfahrungen berichten, sich Dinge auch angelesen haben, aber das Ganze auch nicht so hochgepimpt ist, sag ich jetzt mal -
    Brückner: Nee, gar nicht.
    Buchmann: Überhaupt nicht. Wenn sprechen Sie damit an, haben Sie da einen Überblick über Adressaten? Über Klientel?
    Brückner: Nee, gar nicht. Wir finden es immer noch sehr merkwürdig, dass Leute das überhaupt hören, also wir wollten es auch so niederschwellig wie möglich machen. Denn wir sind ja keine Todesexpertinnen, wir wissen ja nicht besser als andere Leute darüber Bescheid, wie man damit jetzt umgehen soll. Oder wie man trauert oder so. Wir reden halt einfach drüber und wir lassen auch diese Unterschiedlichkeiten, die es da gibt, stehen und das kann sich jeder anhören, der gerade Lust hat oder das gerade aushalten kann, sich mit dem Tod auseinandersetzen will.
    Verdrängt in den rein privaten Bereich
    Buchmann: Hat der Tod überhaupt einen Platz in unserer Gesellschaft? Fragte ich mich in dem Zusammenhang. Immerhin ist es Thema. Es gehört zum Leben. Es gibt es immer mehr alte Menschen kurz vorm Sterben, immer mehr Tote in TV-Nachrichten durch Krieg, Terror wie auch immer, Tier und Pflanzenarten sterben aus, es gibt ein "Sterben" von "analogen" Dingen wie Buchhandlungen aufgrund der digitalen Anbieter und so weiter. Das Thema ist ja endlos und trotzdem ist es vergleichsweise wenig Thema, oder?
    Brückner: Es ist wenig öffentlich Thema. Ich denke, dass es in jeder Gesellschaft ein Thema sein muss. Das geht gar nicht anders, es ist ja auch eine anthropologische Konstante, dass sich eine Gesellschaft mit dem Tod auseinandersetzen muss. Unsere verdrängt es gern oder drängt es in den privaten Raum. Also diese Bestattungen und so weiter. Alles, was damit zu tun hat, wird ja im kleinsten Kreis - bis auf wenige Sachen wie David Bowie, der auf Facebook überall betrauert wird, kommt ja keiner mit seinen persönlichen Geschichten so um die Ecke, denn das belastet die Leute ja auch, denkt man so. Wenn man mit seiner eigenen Trauer auf die anderen zugeht.
    Buchmann: Thema Trauern an sich spielt eine große Rolle in Ihrem Podcast. Ich muss daran denken, dass vor gar nicht allzu langer Zeit - ich saß gemütlich auf meiner Terrasse und da ist ein mittelalter Mann vor der Terrasse hergelaufen auf der Straße und der hat lautstark und lauthals geweint, also richtig lauthals, wo ich mich frage, meine Güte, was hat der wohl erlebt. Hat mich sehr verunsichert. Der war auch schnell weg,insofern musste" ich zum Glück nichts tun. Aber es hat mich verunsichert. Wie ist unser Umgang mit Trauer oder mit Trauernden? Was haben Sie da für Erfahrungen gemacht?
    Brückner: Ganz, ganz unterschiedliche. Ich glaube, dass die Leute sehr, sehr unterschiedlich trauern. Wir hatten eine ganze Folge darüber, wo auch Caro darüber gesprochen hat, dass sie so eine wilde Form davon hatte, so eine ganz ausufernde. Während meine eher so eine Kummerknoten-Verarbeitungsgeschichte ist.
    Kummerknoten-Anfälle
    Buchmann: Tschuldigung, wenn ich kurz reingehe. Das hatte ich mir nämlich gemerkt und aufgeschrieben: Der klingonische Klageschrei ist nicht so mein Ding ich habe eher Kummerknoten-Anfälle, sagten Sie.
    Brückner: Genau. Das stimmt auch. Ich muss einfach weiter funktionieren und brauche Struktur und ab und zu kommt dann so ein Kummerknoten und der drückt sich dann meistens im Magen so raus und dann muss man das aushalten und dann ist es auch wieder vorbei, so dass ich weitermachen kann. Und bei andern ist das halt ganz anders. Und ich glaube, dass das für viele Leute schwierig ist, damit umzugehen, egal, wie das gerade kommt. Weil, es ist ja auch kein angenehmes Gefühl.
    Buchmann: Natürlich nicht und es gibt auch kein richtiges Trauern.
    Brückner: Nee. Das gibt's nicht. Hauptsache man kann es zulassen. Wobei, wir hatten so einen Punkt festgelegt, den wir wichtig fanden: Dass alle Trauer in Ordnung ist bis zu dieser Leitplanke, die da heißt: Selbstverletzendes Verhalten. Also wenn man da merkt, dass man sich selbst wirklich nicht mehr gut tut, dann muss man sich Hilfe suchen.
    Buchmann: Wie lange wollen Sie weitermachen mit dem Podcast.
    Brückner: Gute Frage!
    Buchmann: Gibt das Thema immer neue Facetten oder ist es letztlich ... endlich.
    Brückner: Weiß ich nicht. Ich glaube, wir machen erstmal so weiter, wie es uns gut geht damit. Wenn es uns irgendwann zu viel wird, dann müssen wir nochmal reden, aber im Moment sind wir beide sehr glücklich damit und finden, dass wir da aus viel Scheiße viel Liebe gemacht haben.
    Buchmann: Ein wunderschönes Schlusswort. Endlich. Wir reden über den Tod. Also Podcast über verschiedene Podcast-Apps zu abonnieren, ansonsten einfach im Netz schauen unter endlich.cc. Vielen Dank, Susann Brückner.
    Brückner: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.