Das Haus der Literatur liegt am Rande der Warschauer Altstadt – schräg gegenüber vom Königsschloss. Über dem legendären Café des Literaturhauses residiert der polnische PEN. Dessen Vorsitz führt seit 2010 Adam Pomorski, Kritiker, Essayist, Übersetzer. Er hat zum Beispiel Goethes Faust neu ins Polnische übertragen und viele russische Autoren des 19. und 20. Jahrhunderts. Die politische Entwicklung Russlands beobachtet Pomorski seit Jahren im Detail und tauscht sich darüber mit den PEN-Kollegen aus den östlichen Nachbarländern aus.
"Was unsere PEN-Zentren betrifft, das polnische, ukrainische, litauische, russische und weißrussische, so bemerken wir seit Längerem eine ansteigende Flutwelle konservativer Revolution. Aus Russland kommt nicht Linkes, im Gegenteil. Putin spricht mehr und mehr die Sprache der extremen Reaktion. Das zeigen auch die Gesetze, die er einführt. Schlimmer noch: Er verbündet sich mit rechtsextremen Gruppen in verschiedenen Ländern Europas. Sie hätten diesen herzlichen Empfang von Marine Le Pen (der Chefin des französischen Front National), sehen sollen. Vor zwei Monaten war das. Arm in Arm lief sie da mit Dimitri Rogosin herum, einem reinen Faschisten."
Auch in Polen gibt es Menschen, die sich für Wladimir Putin und seine imperiale Politik begeistern: "Putin wird in Polen mitunter von einfachen, ungebildeten, ehrlichen Menschen gepriesen. Das passiert überall, in Hrubieszów an der ukrainischen Grenze, in Lublin oder in Warschau."
Bekennt Łukasz Jasina. Jasina stammt aus Hrubieszów in Südostpolen an der ukrainischen Grenze, lehrt an der Katholischen Universität Lublin und schreibt für die Zeitschrift "Kultura Liberalna". Doch Begeisterung für Putin ist in Polen ein Minderheitenprogramm. Die große Mehrheit, vor allem fast alle polnischen Intellektuellen, haben Angst vor Putin:
"In den Polen ist die Angst kodiert: Sie sehen im Osten eine Gefahr. Als es 2010 zum Flugzeugabsturz bei Smolensk kam und der polnische Präsident Lech Kaczyński sowie die übrigen Passagiere ums Leben kamen, hatten viel mehr Polen Angst, als diejenigen, die sich dazu bekannten - Angst davor, dass es sich um einen russischen Anschlag handeln könnte. Offen haben vor allem die polnischen Intellektuellen darüber nicht gesprochen. Aber die Angst war da. Wir fürchten uns davor, unsere Angst einzugestehen. Jetzt aber, im Jahr 2014, wo sogar Adam Michnik, der Chef der 'Gazeta Wyborcza', sich zu seiner Russlandfurcht bekennt, kann sich jeder dazu bekennen."
Polens Eliten trennen zwischen Politik und Kultur
Dennoch: In Polens Eliten wird scharf getrennt zwischen der großrussischen Politik und der russischen Kultur. Der Historiker Sławomir Dębski leitet das Institut für polnisch-russischen Dialog und Verständigung in Warschau:
"Die Polen empfinden viel Sympathie für die russische Kultur, Sprache und Literatur - von Dostojewski bis Rachmaninow. Mit der Kultur haben wir kein Problem. Die Polen haben ein Problem mit der Politik des autoritären, imperialen russischen Staates."
Um den Dialog mit Russland sind zahlreiche polnische Institutionen bemüht. Seit 1999 erscheint in Warschau eine eigene Zeitschrift in russischer Sprache. "Nowaja Polsza" wird vor allem in Russland vertrieben. Der stellvertretende Chefredakteur Piotr Mitzner:
"Das ist keine Zeitschrift für Propaganda, auch nicht für Tourismus. Wir preisen keinen polnischen Wodka an, und auch keine Bisons, sondern beschäftigen uns mit Kultur, Geschichte, mit schwierigen Fragen, nicht nur polnisch-russischen, sondern auch polnisch-ukrainischen, oder polnisch-deutschen."
Übereinstimmend argumentiert man in den Kreisen Polens, die sich um einen Dialog mit Russland bemühen, man solle Russlands Demokraten gerade jetzt auf keinen Fall im Stich lassen. Noch einmal der Historiker Sławomir Dębski:
"Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass Russland sich ändert. Bitte denken Sie daran: Als die Sowjetunion 1968 in die Tschechoslowakei einfiel, demonstrierten acht Menschen auf dem Roten Platz. Aus diesen acht Menschen formte sich jedoch eine demokratische Opposition. Heute demonstrieren auf den Straßen und Plätzen Moskaus Zehntausende Menschen. Wir haben es mit einem anderen Moskau zu tun. Wir müssen der Politik Putins und seiner Regierung klar und hart entgegentreten. Aber wir dürfen diejenigen in Russland nicht im Stich lassen, die unsere Werte teilen, die mit uns eine bessere Welt errichten wollen."