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Polizeigewalt in den USA
Debatte gewinnt an Dringlichkeit

Hunderttausende Menschen gingen in den USA im vergangenen Jahr gegen Rassismus und Polizeibrutalität auf die Straßen. Die tödlichen und auf Video dokumentierten Schüsse eines weißen Polizisten auf einen Schwarzen in North Carolina erschüttern das Land einmal mehr.

Von Marcus Pindur, Washington | 08.04.2015
    Dutzende vor dem Rathaus von North Charleston.
    Das ist schon lange ein Problem: Dutzende vor dem Rathaus von North Charleston. (picture alliance/dpa/Stephen B. Morton)
    Es ist ein erschütterndes Video: Ein schwarzer Mann läuft vorn einem Polizisten weg. Der Polizist feuert achtmal auf den Laufenden, bis dieser zusammenbricht. Anschließend wird der Mann in Handschellen gelegt, keinerlei lebensrettende Maßnahmen werden eingeleitet. Der weiße Polizist und eine schwarze Polizistin stehen unbeteiligt dabei. Der vierfache Vater Walter Scott verblutet.
    Der Polizist in der Stadt North Charleston in South Carolina ist jetzt wegen Mordes angeklagt worden. Der Vorfall ereignete sich bereits am Samstag. Als Beweismittel führt das Gericht das von einem Augenzeugen gedrehte Video sowie Ermittlungen der Bundesbehörden an.
    Heute Morgen standen mehrere Dutzend Demonstranten vor dem Rathaus von North Charleston. "Das ist schon lange ein Problem", sagt einer, "die Empörung beruht darauf, dass wir so etwas seit Langem erleben. Es ist an der Zeit, dass sich etwas ändert im Rathaus von North Charleston."
    Der Ausgangspunkt der Tat war eine Polizeikontrolle, um die es einen Streit gegeben hatte. Das Opfer hatte angeblich ein nicht funktionierendes Bremslicht. Der Vater des Opfers mutmaßte, dass sein Sohn einer Festnahme wegen nicht geleisteter Unterhaltszahlungen entgehen wollte.
    Dem Polizisten droht die Todesstrafe
    Der Vorgang ähnelt dem in Ferguson, wo im August vergangenen Jahres der unbewaffnete schwarze Jugendliche Michael Brown von einem weißen Polizisten getötet worden war. Ein Geschworenengericht aus überwiegend weißen Laienrichtern kam aber im November zu dem Schluss, dass sich der Polizist nichts zuschulden kommen ließ. Der Fall führte in Ferguson und zahlreichen anderen Städten zu teils gewaltsamen Protesten.
    Anders als in Ferguson ist in North Charleston sofort Anklage erhoben worden. Dem Polizisten droht bei einer Verurteilung wegen Mordes die Todesstrafe.
    Die Familie des Opfers will darüber hinaus das Police Department der Stadt verklagen, so der Bruder des Opfers, Anthony Scott. "Ich möchte Amerika wissen lassen, dass wir wollen, dass das aufhört. Ich will, dass Polizisten zur Verantwortung gezogen werden. Ich will, dass sie wissen, dass sie beobachtet werden. Und ich will, dass sie zweimal nachdenken, ob sie jemanden erschießen oder nicht."
    Debatte über Rassismus und Polizeibrutalität
    Die Polizei von South Carolina wollte sich offiziell nicht zu dem Vorfall äußern und verwies auf die laufenden Ermittlungen, in die sich auch die amerikanische Bundespolizei, das FBI und das Justizministerium eingeschaltet haben. Der Polizeichef von North Charleston äußerte sich erschüttert über den Vorfall.
    Die Debatte über Rassismus und Polizeibrutalität in den USA wird durch diesen Fall erneut an Dringlichkeit gewinnen. Ende vergangenen Jahres hatten Hunderttausende Menschen überall in den USA gegen Polizeigewalt gegen Minderheiten demonstriert.