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Radio auf dem ewigen Eis

In vielen Regionen Alaskas sind Informationsquellen rar. Hier gibt es keine Zeitungen, kein Fernsehen, kein Internet. Doch auf eine aktuelle Berichterstattung muss man auch im amerikanisch-kanadischen Norden nicht verzichten. Die Radiostation KBRW bietet ein 24-Stunden-Vollprogrammm, zusammengestellt speziell für die dort ansässigen Inuit-Gruppen.

Von Rudi Schneider | 09.02.2008
    Am 22. Dezember 1974 ertönte erstmals über einen 1.000-Watt-Sender das Stations-Jingle der nördlichsten Rundfunkstation Amerikas in Barrow, Alaska. Im Ort selbst leben ca. 4.000 Einwohner, von denen etwa 67 Prozent Eskimos sind. "Die Reichweite von KBRW umfasst ca. 230.000 Quadratkilometer", sagt der deutschstämmige Chefredakteur Bob Sommer.

    "Für die Mittelwelle, die man in ganz Nordalaska hört, produzieren wir alles in Barrow lokal. Das sind Talkshows aus den Schulen, den Sitzungen des Stadt- oder Regionalrates, die wir alle live übertragen. Wir übertragen die meisten Sportveranstaltungen. Unsere Reporter berichten, was draußen auf der Straße passiert. Die Polizeiberichte werden ausgewertet. Wir senden viele Talkshows über alle möglichen Themen der ganzen Region."

    Die einzige regelmäßig erscheinende Zeitung wird im 540 Kilometer entfernten Kotzebue gedruckt. Somit kommt KBRW als alleiniger Quelle regionaler Informationen, journalistisch betrachtet, eine besonders verantwortungsvolle Bedeutung zu. Für die meisten Hörer ist zudem die englische Sprache nicht die Muttersprache.

    "Wir senden einige unserer Programme in der Inupiat Sprache der Eskimos. Unsere Talkshows werden alle live übersetzt, damit insbesondere auch die Älteren verstehen, worüber geredet wird."

    Musik und Unterhaltung ist zweitrangig im Programm. In der Tundra, gerade mal 1.200 Meilen vom Nordpol entfernt, sind andere Informationen für die Eskimos im täglichen Leben wichtiger.

    "Wir senden auch persönliche Nachrichten für Leute, die in ihren Sommercamps sind und dort über kein Telefon verfügen, besonders im Fall von Notlagen, Nachrichten von deren Verwandten oder Ähnliches."

    Sommercamps sind bis zu 60 Meilen entfernte Jagdgründe, die außer einem sogenannten Sod-Haus als Unterkunft keine technische Infrastruktur enthalten. Dorthin führen auch keine
    befestigten Straßen. Eskimostämme leben über Staatsgrenzen hinweg rund um den Nordpol. KBRW bildet in ihrer Kommunikation eine lebenswichtige Klammer. Eine Nagelprobe war die Circumpolare-Konferenz aller Eskimostämme.

    "Wir hatten viele Hörer aus der ganzen Welt, die die Circumpolar-Conference, die in Barrow stattfand, verfolgten. Im Internet-Webstreaming waren es bis zu 400 Hörer aus 15 Nationen täglich. Wir übertrugen die ganze Konferenz live, denn wir hatten außer uns, Russland, Dänemark, Kanada und Grönland hier."

    Das Programm von KBRW wird in Silkkuagvik, wie Barrow in der Inupiaq Sprache heißt, von drei hauptberuflichen und neun freiberuflichen Mitarbeitern produziert. Die zweisprachigen Programmteile werden von fünf Inuit-Übersetzern für die unterschiedlichen Dialekte der außerhalb liegenden Eskimosiedlungen. übersetzt. Heute sendet KBRW mit 10.000 Watt auf Mittel- und Ultrakurzwelle. Über das Internet und Webstreaming ist der Sender weltweit zu empfangen. Das Jahresbudget von mehr als einer Million US-Dollar wird von einer Gemeinschaft von über 800 freiwilligen Spendern getragen. Ein Drittel davon stammt aus der lokalen Bevölkerung.