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Trigeminusneuralgie

Heftige, attackenartige Schmerzen im Gesicht sind Kennzeichen einer Trigeminusneuralgie. Sie tritt selten und meist ab dem 40. Lebensjahr auf. Mit Medikamenten können die Schmerzen gut behandelt werden. Manchmal ist auch eine Operation nötig.

Von Justin Westhoff | 17.01.2017
    Eine Frau hält den Kopf in den Händen.
    Bei Frauen tritt eine Trigeminusneuralgie häufiger auf als bei Männern. (imago / Science Photo Library)
    Diese Schmerzen gehören zu den schlimmsten, die Menschen erleben können.
    "Das Charakteristische für die Trigeminusneuralgie ist der attackenartige Schmerz, der Sekunden dauert und extrem beeinträchtigend ist, weil der Schmerz so plötzlich und so heftig ist, in Form eines plötzlichen Stechens oder Elektrisierens", erklärt Dr. Walter Raffauf, Sprecher des Berufsverbandes Berliner Nervenärzte.
    "Trigeminus" kommt aus dem Lateinischen bedeutet "Drilling". Denn die drei Äste des Trigeminusnerven versorgen wichtige Teile des Gesichts und sind dort für Sensibilität zuständig, steuern aber auch Aktivitäten etwa der Kau- und Schläfenmuskulatur. Es gibt mehrere Ursachen dafür, dass es zu heftigen Schmerzen in diesem Gebiet kommt.
    "Die typische Trigeminusneuralgie – und das ist auch die häufigste Form – ist Folge einer Irritation des Trigeminusnerven durch ein Blutgefäß, das in der Nähe liegt und die Hülle des Nerven schädigt. Und das führt dann zu unwillkürlichen Entladungen im Nerven und zu diesen charakteristischen Schmerzen."
    Trigeminusneuralgie tritt meist ab dem 40. Lebensjahr auf
    Eine Schlagader kann im Lauf der Zeit ihre Position verändern oder sich erweitern. Deshalb tritt diese Art der Trigeminusneuralgie zwar insgesamt selten, aber erst ab dem 40. Lebensjahr auf, bei Frauen übrigens häufiger als bei Männern.
    "Man bekommt als Neurologe viel mehr Patienten überwiesen mit der Verdachtsdiagnose Trigeminusneuralgie, als man tatsächlich dann feststellt."
    Denn oft werden andere Schmerzen im Gesicht fälschlicherweise mit einer Trigeminusneuralgie verwechselt. Viele gehen dann zunächst zum Zahnarzt.
    "Viele Patienten haben chronische Schmerzen auch im Gebiet des Trigeminusnerven, die dann aber Dauerschmerzen sind, die Folge von Entzündungen sein können, von Zahnerkrankungen, und dann werden sie häufiger von Zahnärzten zum Neurologen geschickt mit der Frage, könnte das eine Trigeminusneuralgie sein, in den seltensten Fällen ist es dann eine."
    Fachärzte können eine Trigeminusneuralgie meist leicht von anderen Gesichtsschmerzen schnell unterscheiden. Der Neurologe Dr. Raffauf:
    "Es gibt keinen Blutwert, sondern das ist einfach eine Diagnose, die der Arzt fast immer sehr richtig aufgrund der sehr, sehr typischen Krankengeschichte und der als sehr charakteristisch beschriebenen Schmerzen stellen kann.
    Der Schmerz tritt immer im selben Hautareal auf, weil immer ein bestimmter Ast des Trigeminusnerven betroffen ist, es gibt ganz spezifische Auslöser wie zum Beispiel Rasieren oder auch Sprechen oder auch Schlucken, und das kann dazu führen, dass Leute so beeinträchtigt sind, dass sie Gewicht abnehmen, weil sie sich nicht mehr trauen zu essen, weil schon das Bewegen des Mundes zum Essen diese Schmerzattacken auslösen kann."
    Kernspintomografie wichtig für Diagnose
    Zusätzlich zu der Schilderung der Patienten wird eine Kernspintomografie gemacht.
    "Eine MRT-Untersuchung, die muss man machen, weil man da häufig diesen Kontakt zwischen Nerven und Blutgefäß sehen kann, und da ist man schon dabei zu überlegen, wie behandelt man das, und da gibt es eben die Möglichkeit der medikamentösen Behandlung oder auch der operativen Behandlung. Und bevor man operiert, braucht man natürlich ein gescheites Bild, um nachsehen zu können, wie ist der Kontakt zwischen dem Blutgefäß und dem Nerven."
    Ganz selten muss auch das Nervenwasser untersucht werden, um zu sehen, ob eine andere Krankheit der Trigeminusneuralgie zugrunde liegt, wie es bei der Multiplen Sklerose vorkommen kann. Ansonsten beginnt die Behandlung mit Arzneimitteln, allerdings nicht mit starken Schmerzmitteln, sondern mit Präparaten gegen Epilepsie.
    "Die wirksamsten Medikamente sind Mittel, die man bei anderen Formen von Anfallserkrankungen gibt, und die wirken fast immer. Das anfallsartige Geschen kommt durch einen plötzlichen Einstrom von Natriumelektronen in die Zelle, und man kann das eben durch die Medikamente blockieren, und Opiate haben einen Effekt bei diesen anfallsartigen Schmerzen nicht so sehr."
    Manchmal ist Operation unvermeidlich
    Aber auch die Antiepileptika können nach einiger Zeit ihre Wirkung verlieren, oder aber die Nebenwirkungen sind bei manchen Patienten zu stark. Und dann ist oft eine Operation unvermeidlich, die Professor Peter Vajkoczy, Chef der neurochirurgischen Klinik an der Charité erläutert:
    "Bei dieser Operation trennt man einfach diesen Kontakt von Gefäß und Nerv, und manchmal steckt man auch ein Implantat zwischen Gefäß und Nerv, damit der Nerv wirklich isoliert ist. Der Vorteil von dieser Operation ist, dass man den Nerv nicht verletzt. Dann gibt’s die zweite Operation, die sogenannte Koagulation des Nerven, da wird mit einem minimalinvasiven Eingriff der Nerv entweder mit Kälte oder mit Alkohol oder mit Strom auf Dauer zerstört. Der Vorteil ist: Es ist ein minimalinvasiver Eingriff, der Nachteil ist, man zerstört den Nerv und gegebenenfalls später auch können sich wiederum andere Schmerzen entwickeln, und man hat eine Taubheit im Gesicht."
    Deshalb wird möglichst die erste Variante, die Trennung von Blutgefäß und Trigeminusnerv angewendet, die sogenannte Janetta-Operation, benannt nach einem amerikanischen Chirurgen. Es gibt Ausnahmen:
    "Das eine sind Patienten in einem deutlich fortgeschrittenen Alter, die nicht mehr die allgemeinen Bedingungen mitbringen, sich einer richtigen Operation zu unterziehen. Das zweite sind Patienten, die eine nicht-typische Trigeminusneuralgie haben, zum Beispiel mit einer Multiplen Sklerose, da ist der Mechanismus anders und da bringt die Operation nach Janetta nichts, und die dritte Möglichkeit sind Patienten, bei denen die Janetta-Operation nicht erfolgreich war."
    Das sind maximal zehn Prozent. Bei wenigen anderen kann es zu Problemen kommen. Professor Vajkoczy:
    "Komplikationen sind, dass man ein leichtes Taubheitsgebiet vorübergehend im Versorgungsbereich des Nerven haben kann, ein bis zwei Prozent geben Hörstörungen auf der betroffenen Seite an, weil der Hörnerv irritiert werden kann, und etwa ein bis zwei Prozent geben eine Gesichtslähmung an. In den meisten Fällen ist das vorübergehend, und die Wahrscheinlichkeit für dauerhafte Ausfälle ist damit sehr gering, was für diese Patienten, die ja äußerst schmerzgeplagt sind, häufig über viele Jahre, ein sehr positives Ergebnis ist."
    Medikamente können nach OP nicht sofort abgesetzt werden
    Leider allerdings kann man die Arzneimittel, die man vor der Operation nehmen musste, nicht sofort absetzen.
    "Grundsätzlich wird die medikamentöse Therapie zunächst fortgeführt, damit man nicht zu schnell die Dosis reduziert und in so eine Art Entzug kommt. Man würde dann sechs Monate lang beobachten und würde dann entscheiden, ob man die Medikamente reduziert, und dann kann man schrittweise ausschleichen, vorausgesetzt, es kommen nicht wieder Symptome, manche Patienten sind schmerzfrei unter Fortführung ihrer Medikamente, die meisten Patienten sind schmerzfrei ohne Medikamente."