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Rechtsgutachten
Neues EEG-Gesetz verfassungswidrig?

Die Bundesregierung hat Anfang Mai einen Entwurf zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz vorgelegt. Doch die geplante EEG-Novellierung stößt auf Kritik. Zwei aktuelle Rechtsgutachten sagen sogar, dass sie in Teilen verfassungswidrig sei.

Von Daniela Siebert | 21.05.2014
    Windräder stehen auf einem Feld bei Wormlage in der brandenburgischen Lausitz vor dem vom Sonnenuntergang rot gefärbten Abendhimmel.
    Beide Rechtsgutachten stützen ihre Kritik an der EEG-Reform auf den Vertrauensschutz, Eigentumsrechte und das Gleichbehandlungsprinzip. (dpa picture alliance / Andreas Franke)
    Stefan Römermann: Frau Siebert, warum hagelt es denn gerade jetzt diese Rechtsgutachten?
    Daniela Siebert: Ich würde sagen, weil es fünf vor zwölf ist, wenn man an der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes noch substantiell etwas verändern will. Denn die erste Lesung im Bundestag gab es bereits, am Freitag ist sie im Bundesrat dran und am 1. August soll sie ja schon in Kraft treten.
    Römermann: Was steht denn in den beiden Gutachten drin, die Sie sich angesehen haben?
    Siebert: Beide Rechtsgutachten kommen zu dem Ergebnis, dass die von der Bundesregierung vorgelegte EEG-Novellierung in Teilen rechtswidrig ist, weil sie deutschem und/oder europäischem Recht widerspricht und teilweise tun die beiden Gutachter das auch mit den gleichen juristischen Begründungen.
    Gutachten vom früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes
    Schauen wir uns zunächst das Gutachten von Hans-Jürgen Papier an, dem früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes. Er war von Landwärme, einem Unternehmen aus der Biogas-Branche beauftragt worden, sich den Gesetzentwurf näher anzuschauen. Und Papier kam zu dem Ergebnis, dass der Vertrauensschutz für Eigentümer und Investoren und der Gleichheitsgrundsatz im Gesetz für Biogasanlagenbetreiber nicht gewährleistet sind. Etwa weil schon ab August die Förderung von Strom aus Biomasse massiv gekürzt werden soll und auch ein Gasaufbereitungsbonus ersatzlos wegfallen soll – da geht es um die Umwandlung von Biogas in Biomethan. Das könne für manche Betreiber existenzbedrohend werden so Papier, wenn keine andere Übergangsregelung oder Ausgleichsregelung gefunden werde und sei dann auch verfassungswidrig.
    Zweites Gutachten von einem Professor für Umweltrecht
    Das zweite Gutachten ist sozusagen druckfrisch, thematisch umfassender und wird zur Stunde gerade in Berlin vorgestellt. Es stammt von Felix Ekardt, einem Professor für Umweltrecht an der Universität Rostock, erstellt im Auftrag des Solarenergie-Fördervereins Deutschland. Und auch Felix Ekardt stützt seine Kritik auf den Vertrauensschutz, Eigentumsrechte und das Gleichbehandlungsprinzip. So hält auch er es für unzulässig, die Förderung für bereits existierende Biomasse-Anlagen so wie jetzt geplant zu begrenzen. Die schlechtere Einspeisevergütung für bereits geplante Anlagen sei ebenfalls ein Verstoß gegen den Vertrauensschutz, außerdem würde der Eigenstromverbrauch fossiler Kraftwerke gegenüber den anderen Betreibern unangemessen begünstigt, was mit EU-Recht unvereinbar sei. Ekardt geht in seiner Kritik noch einen qualitativen Schritt weiter, indem er den verschlechterten Klimaschutz, der seiner Meinung durch die Novelle bewirkt wird, für unvereinbar erklärt mit dem Grundrecht auf Leben, wie es im Grundgesetz steht.
    Gutachten könnten Verfassungsbeschwerden ermöglichen
    Römermann: Was für eine Bedeutung oder Wirkung könnten diese beiden Gutachten haben?
    Siebert: Also auf politischer Ebene läuft die Diskussion um die EEG-Novelle ohnehin auf Hochtouren. Auch mehrere Bundesrats-Ausschüsse haben zahlreiche Änderungsvorschläge für die Sitzung am Freitag vorbereitet. Einige davon durchaus im Sinne der Gutachter: etwa ein großzügigerer Ausbau der Biomasse oder Änderungen beim Eigenstromprivileg für Atom- und Kohlekraftwerke.
    Was davon letztlich ins Gesetz fließen wird, ist noch schwer zu sagen. Aber die Gutachten sind da wichtige Argumentationshilfen. Langfristig könnten die beiden Gutachten den Boden bereiten für Verfassungsbeschwerden, wenn die EEG-Novelle in etwa so kommt, wie sie jetzt auf dem Papier steht. Und Verbraucherschützer wie Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher erhoffen sich davon sogar noch mehr:
    "Die jetzige Reform des EEG schickt sich an, die Erneuerbaren schwer zu schädigen und auch die Energiewende schwer zu schädigen. Wir können das nicht hinnehmen. Die Strompreissenkung wird verhindert durch diese Reform, das ist auch ein Grund, warum wir kolossal erbost sind, dass die Verbraucherinteressen durch diese Reform mit Füßen getreten werden. Dieses Gutachten soll zum Nachdenken anregen, dass das EEG nicht so verabschiedet wird, wie es jetzt auf dem Tisch liegt, und dass man auch wirklich nochmal grundsätzlich darüber nachdenkt und diese Gesetzesänderung so nicht in Kraft treten lässt."