Donnerstag, 18. April 2024

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Recycling von Seltenerdmetallen
Vorbild Niere

Ohne das seltene Metall Gallium ist die moderne Drahtlos-Kommunikation über UMTS, WLAN und Bluetooth undenkbar. Die Nachfrage ist entsprechend hoch. Doch Gallium muss aufwendig bei der Aluminiumherstellung gewonnen werden. Seit Jahren setzt die Industrie daher auf das Recycling. Mit einem neuen Verfahren ist dies nun Freiberger Wissenschaftler gelungen.

Von Bernd Schlupeck | 20.01.2016
    Oliver Zeidler betritt das Labor an der Bergakademie Freiberg und geht auf einen Tisch mit Luftabzug zu. Er schiebt die Glasscheibe hoch und präsentiert einen handgroßen rechteckigen Kasten, der über viele Schläuche mit Pumpen und Behältern verbunden ist.
    "Da sehen wir mal eine Mini-Pilotanlage. In diesen Vorlagebehältern haben wir hier das Konzentrat, also die Ausgangslösung, das Dialysat, also die Empfängerlösung. Und diese werden praktisch von den Pumpen, die hier unten angeordnet sind im Kreislauf zurück in den Behälter und durch die eigentliche Dialysezelle gepumpt."
    Der Schlüssel ist eine durchlässige Membran
    Mit der Anlage will der Wissenschaftler vom Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie Gallium aus Abwässern zurückgewinnen. Die fallen bei der Produktion von sogenannten Galliumarsenid-Wafern an. Das sind millimeterdünne runde Scheiben, aus denen Chips, Halbleiter oder Solarzellen gefertigt werden. Was Oliver Zeidler Ausgangslösung nennt, ist ein Abwasser-Cocktail aus giftiger Arsensäure und stark ätzendem Königswasser, der Spuren von Gallium enthält. Um Gallium aus dem Cocktail herauszulösen, hat er ein Filterverfahren entwickelt. Der Schlüssel dabei: eine für bestimmte Moleküle durchlässige Membran.
    "Das ist im Endeffekt ein hauchdünnes Gewebe und das ist mit einem Ionenaustauscherharz imprägniert. Und auf der einen Seite bleiben die Gallium-Ionen hängen, auf der Seite, die das Gallium enthält. Aber weil die Membran praktisch nur minder durchlässig ist für das Gallium, diffundiert das Gallium nicht oder nur extrem langsam durch die Membran, während die Arsensäure sehr schnell diffundiert. Und das macht unsere Trennwirkung aus", sagt Oliver Zeidler. Sein Doktorvater Michael Stelter, Professor am Institut für Nichteisen-Metallurgie und Reinststoffe an der TU Bergakademie Freiberg, vergleicht das Verfahren mit der menschlichen Niere. Das Organ wäscht Giftstoffe aus dem Blut. Die landen im Urin. Für den Körper wertvolle Teilchen werden aber zurückgehalten.
    "Das macht unsere Membran auch. Und dazu brauchen Sie weder Strom noch Druck noch irgendwas anderes: Einfach durchlaufen lassen und warten."
    Methode auch für andere Branchen interessant
    Anders als in der Niere wird der Abwassercocktail dabei mit hunderten Membranen gereinigt. Die werden im Wechsel mit Abstandshaltern, so genannten Spacern, übereinander gestapelt. Dadurch vergrößert sich die Filterfläche. Gallium und Arsen können schneller voneinander getrennt werden. Oliver Zeidler zieht einen knapp halben Meter hohen, grauen Kasten hinter dem Tisch mit Luftabzug hervor – eine Membranzelle im Pilotmaßstab.
    "Und wenn wir hier die Zelle mit Spacern bestücken, das sind ungefähr 50 bis 100 Spacer im Versuchsbetrieb, kommen wir so problemlos auf zwei Quadratmeter Membranfläche."
    Damit können etwa 200 Liter Abwasser pro Tag aufbereitet werden. Übrig bleibt eine gereinigte Lösung, die direkt zu metallischem Gallium weiterverarbeitet werden kann. Künftig wollen die Freiberger Forscher mit ihrem Membran-Trennverfahren zwei bis drei Tonnen Gallium pro Jahr zurückgewinnen. Auch für andere Branchen ist das interessant, etwa Hersteller von Sensoren, Leuchtdioden oder Mikroprozessoren. Das System müsste dafür lediglich auf die dort anfallenden Abwässer angepasst werden, sagt Michael Stelter.
    "Wir haben immer verdünntere Ströme oder Abfälle, die auftauchen, immer vermischtere. Und diese selektive Trennung das wird ein Kernproblem in den nächsten Jahren sein. Und ich bin sicher, dass gerade andere Elemente wie Indium zum Beispiel oder auch Zinn oder auch die Seltenen Erden damit sauber abzutrennen wären."