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Reise mit Zwischenstopps

Medizin. - Transplantierte Organe retten ihren Empfängern oft das Leben, doch droht ihnen die Abstoßung durch das Immunsystem. Ersatzorgane aus körpereigenen Stammzellen wären ein Ausweg, doch ethisch sind sie umstritten. Neue Ansätze versprechen eine Alternative: umprogrammierte Körperzellen.

Von Martin Winkelheide | 15.07.2008
    Rudolf Jaenisch ist einer, der es ganz genau wissen will. Als vor gerade einmal zwei Jahren japanische Forscher um Shinya Yamanaka verkündeten, sie hätten Hautzellen von erwachsenen Mäusen in Zellen umgewandelt, die ebenso wandlungsfähig sind wie embryonale Stammzellen, da haben viele Forschergruppen begonnen, diese Reprogrammierung von Zellen zu erforschen. Aber kaum einer wohl so akribisch wie Rudolf Jaenisch vom Whitehead Institute in Cambridge, Massachusetts. Er will verstehen, was passiert, wenn in der Petrischale – "in vitro" also - die biologische Uhr von Körperzellen zurück gedreht wird - wieder auf Null?

    "Die in vitro Reprogrammierung dauert lange, dauert Wochen. Und bedarf vieler Zellteilungen."

    Das ist der offensichtlichste Unterschied zum so genannten therapeutischen Klonen. Denn wenn der Zellkern einer Körperzelle in eine Eizelle verpflanzt wird, dann ist die Reprogrammierung viel schneller abgeschlossen – innerhalb von Stunden.

    "Das Ergebnis ist das Gleiche. Der Mechanismus, wie man da hin kommt, würde ich annehmen, ist doch sehr verschieden."

    Zellen der Haut, des Darms, Haarwurzelzellen - viele Zelltypen des Körpers lassen sich schon reprogrammieren. Besonders gut klappt es mit Zellen des Immunsystems, so genannten B-Zellen, sagt Rudolf Jaenisch.

    "Wenn man das, so wie wir das gemacht haben, auf eine bestimmte Weise durchführt, dann ist das sehr effizient, viel effizienter als alles, was vorher gemacht worden ist."

    Von 30 B-Zellen ist eine in der Lage, sich in eine Stammzelle zu verwandeln.

    "Während vorher war die Idee: eine in 10.000 Zellen kann das machen oder eine in 100.000 Zellen."

    Yamanaka und sein Team schleusten mit Hilfe von Retroviren vier Gene in die Hautzellen ein. Dieser "Cocktail" – wie Fachkollegen die vier Faktoren seitdem gerne nennen - setzte die Reprogrammierung in Gang. Viele glaubten zunächst, die Reprogrammierung laufe - einmal in Gang gesetzt - automatisch ab. Ein Fehlschluss, so Rudolf Jaenisch. Auf der Reprogrammierungs-Reise einer ausgereiften Körperzelle hin zu einer Stammzelle, aus der alle möglichern Zellen werden können, gibt es Zwischenstopps. Die Zellen nehmen Zwischenstadien ein: nicht mehr einfache Körperzelle – aber noch nicht ganz Stammzelle.

    "Warum sind die nicht weiter gegangen, die Zellen? Warum sind die stecken geblieben? Das ist eine wichtige Frage. Wie wir jetzt sehen, dass es doch einige solcher Zwischenstadien gibt, die können wir definieren, weil die stabil sind. Und die Frage ist jetzt die: Warum bleiben die Zellen stehen an dem Zeitpunkt, und was bringt es dann weiter zu gehen?"

    Unklar ist zurzeit noch, ob die Zellen hin und her wechseln können zwischen den einzelnen Stadien. Der neue Fund kann helfen, den Vorgang der Reprogrammierung in kleinere Etappen zu zerlegen und systematisch zu untersuchen. Aber es geht um mehr. Eines Tages Ersatzgewebe für schwer kranke Mensche züchten zu können, zum Beispiel Nervenzellen, dieses Ziel hat sich die Stammzell-Forschung gesteckt. Ein möglicher Weg seit Yamanaka: Eine Hautzelle wird reprogrammiert, wird zu einer wandlungsfähigen Stammzelle. Die Stammzelle wird dann dazu gebracht, zu einer Nervenzelle aus zu reifen.

    "Die Frage ist, kann man das auch direkt machen? Kann man eine Hautzelle nehmen und direkt eine Hautzelle draus machen? Ich denke, da ist kein prinzipielles Problem drin, aber momentan müssen wir noch die Wege und die Mechanismen verstehen, um das bewerkstelligen zu können, und ich glaube, wir sind noch relativ entfernt davon."

    Für Rudolf Jaenisch ist es eine Frage der Zeit, wie lange die Forscher noch den Umweg über die Stammzelle nehmen. Und wie lange sie noch Körperzellen für die Reprogrammierung mit potentiell krebsauslösenden Genen und Viren manipulieren müssen. Seine Überzeugung: Es müsste anders gehen:

    "Ohne Viren und ohne zusätzliche Gene."

    Die Suche nach Alternativen hat längst begonnen.

    "Wir verstehen eigentlich schon viel, das heißt, es ist weniger Probieren und mehr Logik jetzt in den Versuchen, die wir machen können."