Freitag, 19. April 2024

Archiv


Relative Ruhe in der Kinderstube

Umwelt. – Die Hurricanes, die US-Ostküste und die Karibik heimsuchen entstehen über dem Atlantik vor Afrika. Daher haben US-Meteorologen gerade eine Messkampagne vor Westafrika abgeschlossen, um die Entstehung der tropischen Stürme besser beurteilen zu können.

15.09.2006
    Ausgerechnet auf dem letzten Messflug am Dienstag gab es dann doch noch einen Zwischenfall. Die DC-8 der US-Raumfahrtbehörde NASA flog gerade durch Türme von Gewitterwolken, da passierte es:

    "”Die Maschine wurde vom Blitz getroffen. Das hatte zwar keine direkten Folgen. Doch später zeigte sich: Der Blitz hat ein Stück Metall aus dem Leitwerk herausgeschlagen.""

    Als Leiter der Nasa-Messkampagne war der Meteorologe Ed Zipser auch bei diesem Flug an Bord - zusammen mit über 30 anderen Wissenschaftlern und Technikern. Jetzt brechen sie ihre Zelte auf den Kapverdischen Inseln vor der afrikanischen Westküste wieder ab. Nach vier Wochen endet das Projekt in der Kinderstube von Hurrikans. Die US-Forscher waren ganz bewusst auf die andere Seite des Atlantiks umgezogen. Viele der Wirbelstürme, die später in der Karibik oder im Golf von Mexiko wüten, entstehen nämlich vor Afrika und ziehen dann quer über den Ozean. Zipser und seinen Kollegen ging es darum, möglichst viele Wetterdaten aus dieser Region zu sammeln. Um besser zu verstehen, unter welchen Bedingungen sich Hurrikans überhaupt entwickeln:

    "”Wir haben in den vier Wochen sieben Mal atmosphärische Störungen erwischt, aus denen sich Hurrikans entwickeln können. Und so wie es aussieht, sind sie in drei Fällen zu Wirbelstürmen geworden, die später einen Namen erhielten. Nehmen wir zum Beispiel Ernesto Mitte August. Kurz zuvor haben wir beobachtet, wie sich ein Tropensturm vor Westafrika entwickelte. Über dem zentralen Atlantik schien er zunächst wieder verschwunden zu sein. Aber inzwischen sind wir ziemlich sicher, dass dieser Sturm wieder aufflackerte und fünf Tage später zu Ernesto wurde.""

    Ein tropischer Wirbelsturm entsteht nur dann, wenn das Meerwasser mindestens 26 Grad Celsius hat. Aufsteigende, feuchtwarme Luftmassen quellen dann zu riesigen Wolkenfeldern auf. Die Erddrehung versetzt sie in Rotation, und so kommt es zu den typischen Tiefdruckwirbeln, wie man sie von Satellitenfotos kennt. Doch nicht jede atmosphärische Störung im Atlantik vor Afrika wächst sich zu einem Hurrikan aus. Dafür ist der Einfluss der Sahara mit ihrem trockenen Wüstenklima zu groß. Er reicht bis in die Tropen. Zipser:

    "Wir haben Einiges gelernt, was wir vorher so noch nicht wussten. Zum Beispiel, dass so viel Staub und heiße Luftmassen aus der afrikanischen Wüste in der tropischen Atmosphäre vorhanden sind. Oft hüllen sie die Stürme draußen auf dem Atlantik komplett ein. An der Meeresoberfläche ist die Luft feucht, aber schon ein Kilometer darüber kann sie sehr trocken sein. Vielleicht spielt das bei der Entwicklung von Hurrikans eine viel größere Rolle als wir dachten. Denn trockene Luft ist tödlich für Wirbelstürme. Unsere Messkampagne sollte uns hier ein Stück weiterbringen."

    Die letztjährige Saison im Atlantik war extrem. Die Meteorologen zählten fast 30 Hurrikans und Tropenstürme - so viel wie noch nie. Darunter waren auch so verheerende wie Katrina und Rita. In diesem Jahr geht es viel ruhiger zu - jedenfalls bisher. Doch der Schlüssel hierzu liegt nicht in der Hurrikan-Kinderstube vor Afrika. Das kann Ed Zipser schon jetzt sagen:

    "Wir haben inzwischen schon den achten Wirbelsturm in diesem Jahr. Die Saison ist also keineswegs inaktiv und noch lange nicht vorbei. Es haben sich eine Reihe Stürme in unserem Untersuchungsgebiet gebildet. Doch sind sie später über dem Atlantik nordwärts gezogen. Das ist der Unterschied zu 2005, als viele Hurrikans auf Nordamerika zuliefen. Es ist eine Frage der Zugbahnen und der vorherrschenden Luftströmungen in der Atmosphäre."

    Zipser und seine Kollegen müssen nun erst einmal ihre ganzen Messdaten auswerten. Das wird Monate dauern. Doch sie schmieden schon Pläne für eine noch größere Forschungskampagne mit mehreren Messflugzeugen. Sie soll dann auch den zentralen Atlantik abdecken, wo sich entscheidet, welchen Kurs ein Wirbelsturm am Ende steuert: an Land oder auf See.