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Reputation, Forschung und Mitarbeiter

Ein Professor muss viel Zeit darauf verwenden, Gelder zu beschaffen – darunter auch sogenannte Drittmittel. 20 Prozent machen die inzwischen durchschnittlich am Etat einer Hochschule aus - Tendenz steigend.

Von Andrea Lueg | 20.12.2010
    "Ich habe gerade zwei Anträge in der Begutachtung gehabt."

    Erzählt Uwe Wilkesmann, Professor für Organisationsforschung an der TU Dortmund. Einer wurde bewilligt, einer abgelehnt. Bei dem bewilligten Projekt geht es um den Wissenstransfer in Unternehmen, also darum, wie die Kenntnisse von älteren Mitarbeitern an jüngere weitergegeben werden können.

    Im Schnitt, sagt der Wissenschaftler, erhält etwa jeder dritte seiner Anträge einen Zuschlag, und etwa drei Monate Arbeit stecken jeweils darin. Drittmittel braucht Wilkesmann, damit er forschen kann, denn dafür gibt der reguläre Unihaushalt nicht genug her. An den Geldern von Stiftungen, dem Forschungsministerium, der EU oder aus der Wirtschaft hängt aber noch viel mehr:

    "Weil ich auch oft Projekte machen muss, weil ich Mitarbeiter beschäftige. Da sitzen dann ein bis zwei Mitarbeiter in den Projekten, Projekte gehen in der Regel zwei Jahre. Wenn das Projekt ausläuft, sind die arbeitslos. Die Finanzierung ist nur zwei Jahre, solange das Projekt läuft und ich habe als Chef die soziale Verantwortung vorher zu sehen, nach einem Jahr, wenn das Projekt läuft, müssen wir wieder einen neuen Antrag schreiben, um im Anschluss wieder finanzielle Mittel zu haben, damit die weiter beschäftigt werden können."

    Der Dortmunder Professor hat deutlich weniger feste Mitarbeiter als ein Wissenschaftler vor zehn oder 15 Jahren. Die Finanzierung an den Hochschulen ist komplexer geworden.:
    "In NRW ist das zum Beispiel so, dass die Universitäten ihre Mittel zu 50 Prozent nach der Absolventenquote, zu zehn Prozent nach der Zahl der Promovenden und zu 40 nach den eingeworbenen Drittmitteln zugewiesen bekommen."

    Das heißt: Je mehr Drittmittel die Uni einwirbt, desto höher ist ihr Budget. Die Leitung der Hochschule ist also daran interessiert, dass die Professoren möglichst viele Drittmittel einwerben. Also macht sie wiederum mit den Professoren Zielvereinbarungen, mit denen sie das Einwerben externer Mittel belohnt. Meistens beantragt Wilkesmann Mittel bei Stiftungen oder beim Forschungsministerium. Nur wenn die Forschung für Unternehmen konkreten Nutzen bringt, hat er auch in der Wirtschaft Chancen auf Finanzierung. So zum Beispiel bei einem Projekt, bei dem es um Weiterbildungsstrategien für Unternehmen ging.

    Die Einwerbung der Drittmittel kostet Wilkesmann viel Zeit und auch der bürokratische Aufwand ist oft hoch. Jede Stiftung macht eigene konkrete Vorgaben, was der Antrag enthalten muss, bis hin zur Länge der Begründung. Oft wird die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen verlangt, zu denen man erst mal Kontakte knüpfen muss. Alle einzelnen Ausgabenposten, für Personal, Reisen, Computer und so weiter müssen genau dokumentiert und zum Teil auch begründet werden. Der Dortmunder Prof fragt sich manchmal:

    "Warum bist du eigentlich Professor geworden, du wolltest doch eigentlich Wissenschaftler werden."

    Damit sein Wissenschaftlerdasein nicht ganz auf der Strecke bleibt, versucht er an jedem seiner eingeworbenen Projekte selbst mitzuarbeiten und das nicht nur seinen Mitarbeitern zu überlassen. Bei mehr als dreien gleichzeitig schafft er das allerdings nicht mehr. Zu viele Drittmittel und damit zu viele Projekte tun der Forschung also auch nicht gut:
    "Es gibt da übrigens auch Forschungsergebnisse zu, eine Kollegin von der Hochschule Speyer hat dazu Forschung gemacht. Und die haben herausgefunden, wenn Institute oder Professoren mehr als eine gewisse Anzahl von Drittmittelprojekten haben, dass dann auch der Forschungsoutput also die Anzahl der Publikationen wieder abnimmt."