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Richtig lernen

Was ist gute Lehre? Darüber diskutieren Wissenschaftler an der Kieler Fachhochschule. Eine Erkenntnis: An den Hochschulen wird zu stupide gepaukt und zu wenig selbstständig gedacht. Was also muss sich ändern, damit der akademische Nachwuchs tatsächlich gut qualifiziert von der Uni kommt.

Von Jens Wellhöner |
    "20 bis 26 Stunden in der Woche. Aber man kann sagen, dass etwa zwei Drittel der Studenten bei einigen Studiengängen unterhalb dieses Mittelwerts noch sind."

    Der Professor wird sehr ernst. Laut den Empfehlungen für die Bachelor- und Masterstudiengänge sollten Studierende weit mehr lernen, nämlich 40 Stunden. Aber: Ein Drittel der Studierenden lernen sogar noch mehr als empfohlen. Nämlich bis zu 50 Stunden. Eigentlich müssten diese Super-Fleißigen doch auch die guten Noten haben:

    "Das ist das Erstaunliche: Wir haben auch herausgefunden, dass die Zeit, die die Studenten verbringen, kein Prädiktum dafür ist, welche Noten sie am Ende erhalten."

    Also keine besseren Noten durch mehr Lernen. Aber: Gute Noten machen noch keinen guten Studenten aus, der fit ist für den Arbeitsmarkt. Denn das selbstständige Denken bleibe dabei auf der Strecke, so Rolf Schulmeister:

    "Das ist nicht der Absolvent, den wir in der Gesellschaft haben wollen. Wir brauchen höher qualifiziertes Personal. Und deshalb können wir es uns eigentlich nicht leisten, die Prüfungsanforderungen so weit abzusenken, dass auch jemand durchkommt, der nur zehn Stunden die Woche lernt."

    In dasselbe Horn stößt auch Wibke Derboven, Diplom-Ingenieurin an der TU Hamburg-Harburg. Sie hat untersucht, warum jeder zweite Student der Ingenieurwissenschaften sein Studium abbricht. Ihr Ergebnis: Es wird zu viel gepaukt. Und zu wenig selbstständig nachgedacht:

    "Weil man in den Ingenieurwissenschaften immer noch das Bild des Nürnberger Trichters hat: Man füllt ganz viel Formeln in die Studierenden hinein. Und dann müssen die das irgendwie in den Klausuren dann anwenden. Und ich glaube, wenn man im Semester so mit Stoff bombardiert wird, dass man da auch Schwierigkeiten hat, kontinuierlich zu lernen. Weil diese Stoffdarbietung dazu verleitet, nicht nachhaltig zu lernen."

    Nachhaltigkeit: Das Zauberwort für gute Lehre. Da sind sich die Experten einig. Aber wie sollen die Hochschulen das organisieren? Wibke Derboven schlägt vor, dass sich die Professoren mehr persönlich um ihre Studierenden kümmern. Um dafür Zeit zu haben, sollten die Professoren mehr E-learning einsetzen:

    "Ich glaube sogar, dass man bestimmte Vorlesungen, die von Professorinnen und Professoren gemacht werden elektronisch in Form von Großleinwänden ersetzen könnte."

    Ohne, dass der Dozent selber anwesend ist. Der bereitet sich nämlich derweil auf die persönliche Betreuung der Studierenden vor. Hochschuldidaktiker Rolf Schulmeister von der Uni Hamburg propagiert noch eine weitere Lehrmethode. An der TU Ilmenau lernten Studierende ein Semester lang nach der Methode "Betreutes Selbststudium". Seminare fanden hier nur früh morgens und abends statt. Dazwischen mussten die Studierenden selber forschen:

    "Das sieht so aus: Die Veranstaltung frühmorgens, die endet damit, dass der Professor den Studierenden eine Aufgabe mitgibt. Und die wird dann in der nächsten Veranstaltung am selben Tag besprochen. Das, was dabei wichtig ist, ist dass der Student zum ersten Mal in seinem Leben zu seinem Selbststudium auch Rückmeldung erfährt."

    Dies hat zwei Vorteile: Einerseits müssen die Studierenden selber forschen. Andererseits bekommen sie später dann Rückmeldung, wie gut sie selber gearbeitet haben. Ob diese Methode der Königsweg für zukünftige Seminare an den Hochschulen ist: Darüber werden die Experten wohl noch einige Zeit diskutieren.