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Russisches Radioteleskop gestartet

Raumfahrt.- Russland hat sich, als eine der führenden Raumfahrtnationen, lange auf bemannte Flüge ins All konzentriert und seine Rubel in den Aufbau der Internationalen Raumstation gesteckt. Nun soll es mal wieder über die Erdumlaufbahn hinaus gehen - mit der Weltraumteleskop-Mission "Radioastron".

Von Guido Meyer | 18.07.2011
    Es lag noch tiefe Nacht über Deutschland, als sich vom russischen Raketenbahnhof Baikonur eine Spektr-R-Rakete in den Himmel über Kasachstan erhob. In der Nutzlastspitze: ein Weltraumteleskop mit dem Namen Radioastron. Diesem Start hatten die Astronomen am Max-Planck-Institut für Radioastronomie seit Jahren entgegengefiebert. Denn die Bonner Wissenschaftler werden die Auswertung der Daten aus dem All übernehmen.

    "Radioastron ist ein Projekt der Russischen Akademie der Wissenschaften, das zum Ziel hat, ein Radioteleskop in eine Erdumlaufbahn zu bringen, das für astronomische Beobachtungen im Radiobereich eingesetzt werden wird. Und zwar zusammen mit Radioteleskopen auf der Erde, wie unserem Effelsberger Radioteleskop beziehungsweise vergleichbaren Instrumenten in anderen Ländern, und das durch diese gemeinsamen Beobachtungen enorm hohe Winkelauflösung der Beobachtung ermöglicht. Damit ist es dann möglich, in die zentralen Regionen von astrophysikalischen Objekten - also Galaxien vor allen Dingen – hinein zu schauen."

    Anton Zensus, der Direktor des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn. Von hoher Winkelauflösung sprechen Astronomen, wenn verschiedene Instrumente zu einem einzigen, quasi weltumspannenden Teleskop zusammengeschaltet werden – in diesem Fall das Radioastron-Fernrohr in der Erdumlaufbahn und das stationäre Hundert-Meter-Teleskop in der Eifel, das vom Bonner Max-Planck-Institut betrieben wird. Um die Winkelauflösung noch weiter zu erhöhen, entfernt sich Radioastron bei jedem Umlauf extrem weit von der Erde.

    "Der Radioastron-Satellit wird nicht auf einer kreisförmigen Umlaufbahn, sondern auf einer stark elliptischen Umlaufbahn sich um die Erde bewegen. Das heißt, der weitestmögliche Abstand, wenn er am entferntesten von der Erde ist, wird 300.000 bis 350.000 Kilometer sein. Gleichzeitig werden wir mit Effelsberg beziehungsweise mit anderen sehr großen Teleskopen auf dem Boden die Radioquellen beobachten. Und erst aus dem Zusammenspiel des kleinen Raumradioteleskops Radioastron und des großen Radioteleskops in Effelsberg werden wir eine Chance haben, diese Signale nachzuweisen."

    Im Fokus der Untersuchungen steht das, was im Weltraum mit bloßem Auge nicht zu sehen ist: nicht das sichtbare Licht, sondern Radiostrahlung ist es, die Radioastron in die Fänge gehen soll.

    "Die Objekte, um die es hier geht, um die es Radioastron vornehmlich geht, sind Galaxien, entfernte Galaxien im Weltall. Und die strahlen eben nicht nur das vor allem bekannte optische Licht aus, sondern strahlen im gesamten elektromagnetischen Wellenlängenbereich aus. Nur im optischen und Radiobereich als zweitem großen Bereich können wir von der Erde aus Strahlung dieser Objekte nachweisen. Alle andere Strahlung, wie die Gammastrahlung, die Röntgenstrahlung, die UV-Strahlung, müssen wir entweder von sehr hohen Bergen oder vom Weltraum aus messen. Insofern hat sich die Radioastronomie als das zweite große Beobachtungsfenster erwiesen, mit dem wir verschiedenste Objekte, vor allem aber auch Galaxien messen können."

    Im Radiobereich gelingt es Fernrohren Informationen einzufangen, an die beispielsweise mit dem Hubble-Weltraumteleskop im sichtbaren Licht nicht zu kommen ist. So erscheinen Schwarze Löcher im Zentrum von Galaxien nur im optischen Bereich schwarz. Im Radiobereich hingegen geben sie durchaus Strahlung ab. Und auch das "letzte Aufbäumen" von Materie soll Radioastron nachweisen, wenn sie im Radiobereich strahlt bevor sie von einem Schwarzen Loch verschluckt wird.

    "Im Radiobereich finden wir eine ganze Anzahl von Quellen – wir nennen die die aktiven Galaxienkerne -, die in ihren Zentralregionen im Vergleich zum restlichen Himmel sehr, sehr helle Strahlung abstrahlen. Und die Modelle, die wir für diese Objekte haben, sind eben, dass wir aufgrund von Gravitationskräften, der Präsenz von Schwarzen Löchern, von Explosionsphänomenen die Ursachen für diese Strahlungsausbrüche haben. Und wir interessieren uns ganz besonders für die inneren Kernregionen, in denen zum Teil sichtbar wird die Wechselwirkung der Schwarzen Löcher mit der umliegenden Materie."

    Optisch gibt Radioastron nicht viel her – ungefähr zehn Meter groß, bestehend aus einer großen, runden Schüsselantenne und zwei Sonnenzellen-Auslegern, alles befestigt auf einem kleinen Zentralkörper. Kleinere Antennen stellen den Kontakt zur Bodenkontrolle in Moskau her. Russlands Radioastronomie-Mission, von Anton Zensus zusammengefasst in einem Satz:

    "Also, Sie haben einen Kasten mit einer Antenne drauf."