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Galaktische Geschwister

Astronomie.- Vor wenigen Wochen hat das Weltraumteleskop Kepler 1235 neue Himmelskörper entdeckt, die andere Sonnen umkreisen als die unsere. Die Feinauswertung hat nun ein Kuriosum zu Tage gefördert: Es sieht so aus, als gäbe es ein Sonnensystem, in dem sich zwei Planeten eine Umlaufbahn teilen.

Von Guido Meyer | 04.04.2011
    Aus acht Planeten besteht unser Sonnensystem, vom Merkur innen bis zu Neptun ganz außen. Diese acht sind gleichzeitig auch die einzigen Planeten, die wir direkt beobachten und somit sehen können. Alle Planeten außerhalb unseres Sonnensystems - also alle bislang entdeckten mehr als 1000 Exoplaneten - konnten Astronomen lediglich indirekt nachweisen, zum Beispiel mit dem Weltraumteleskop Kepler, wie Janice Voss vom Ames Forschungszentrum der US-Raumfahrtbehörde NASA in Kalifornien erklärt.

    "Kepler wendet die Transit-Methode an. Wenn ein Planet vor seinem Stern vorbeizieht, dimmt er für einen Beobachter auf der Erde das Licht seines Sterns minimal. Wiederholt sich dieser Helligkeitsabfall in regelmäßigen Abständen, lassen sich daraus mathematisch die Umlaufbahnen von Planeten errechnen."

    Je kürzer die zeitlichen Abstände zwischen solchen Transits, desto schneller kreist ein Planet um seinen Stern. Doch nun haben Astronomen bei der Auswertung der Kepler-Daten erstmals zwei Helligkeitsschwankungen entdeckt, die stets im selben Abstand auftreten. Dies lässt nur einen Schluss zu: Hier müssen sich zwei Planeten eine Umlaufbahn teilen. In diesem Fall rasen die beiden Himmelskörper alle zehn Tage einmal um ihren Stern KOI-730 herum, der eine stets 60 Grad vor dem anderen. Wahrscheinlich befindet sich einer der beiden an einem sogenannten Lagrange-Punkt, an dem die Anziehungskraft des anderen Planeten und die des Sterns im Gleichgewicht stehen.

    "Der eine der beiden von Kepler entdeckten Planeten ist vermutlich wesentlich größer als der andere. Er bildet gemeinsam mit dem zweiten, kleineren Planeten und deren gemeinsamer Sonne ein stabiles Kräftedreieck, in dem alle drei Körper im Gleichgewicht sind. Auch die Erde hat auf ihrer Umlaufbahn 60 Grad vor ihr und 60 Grad hinter ihr solche sogenannten Lagrange-Punkte, an denen Objekte für immer bleiben könnten."

    Edward Belbruno von der Princeton University im US-Bundesstaat New Jersey aus dem Kepler-Team der NASA. Mittlerweile haben Astronomen-Kollegen am Ames Research Center in Mountain View dieses Sonnensystem weiter untersucht. Die insgesamt vier Planeten dieses Systems stehen in Resonanz zueinander, das heißt, die Umlaufbahnen des jeweils nächst äußeren Planeten ist stets ein Vielfaches derer des nächst inneren. Alles scheint zusammenzuhängen in dieser exo-solaren Welt. Doch sie weist auch Ähnlichkeiten auf mit unserem Sonnensystem kurz nach seiner Entstehung.

    "Vor fast fünf Milliarden Jahren war unser Sonnensystem ein großes Durcheinander. Billionen von Gesteinsbrocken kreisten in der selben Ebene wie die Erde um die Sonne. An einem der Lagrange-Punkte dürften sie sich gesammelt und zu einem Himmelskörper zusammengefunden haben, der immer weiter angewachsen ist, bis daraus ein kleiner Planet wurde. Mit jedem neuen Einschlag wurde dieses Objekt in Schwingungen versetzt, so dass es sich mal vor und mal etwas hinter dem Lagrange-Punkt befand. Als es etwa die Größe des Mars' erreicht hatte, wurde es endgültig aus seiner stabilen Position heraus katapultiert und stieß mit der Erde zusammen."

    Bei einem solchen Zusammenstoß wäre so viel Material ins All geschleudert worden, dass daraus der Mond entstanden ist. Gut möglich, dass solch eine Entwicklung in einigen Millionen Jahren auch den Geschwisterplaneten um KOI-730 bevorsteht und geteilte Umlaufbahnen generell instabil sind. Offen ist nach wie vor die Frage, wovon es abhängt, ob sich auf ein und derselben Umlaufbahn ein oder zwei Planeten bilden.

    "Es könnte sich um einen Zufall handeln, es könnte aber auch die Regel sein. Wir wissen es nicht. Die Tatsache jedoch, dass Kepler zwei solcher Planeten in einem anderen Sonnensystem entdeckt hat, scheint mir daraufhin zu deuten, dass es häufiger vorkommt."