Montag, 06. Mai 2024

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US-Außenpolitik
"Rückzug von Mattis könnte eine Zäsur darstellen"

US-Präsident Donald Trump stand nach Einschätzung des CDU-Außenpolitikers Jürgen Hardt bisher zu dem, was seine Vorgänger der NATO zugesagt hatten. Der geplante Truppenabzug aus Syrien und der Rücktritt von US-Verteidigungsminister James Mattis könnten eine Kehrtwende bedeuten, sagte Hardt im Dlf.

Jürgen Hardt im Gespräch mit Christoph Heinemann | 21.12.2018
    US-Verteidigungsminister James Mattis (links) und Präsident Donald Trump in Brüssel
    Der zurückgetretene US-Verteidigungsminister James Mattis (links) und Präsident Donald Trump (Archivbild: Juni 2018) (afp / Emmanuel Dunand)
    Christoph Heinemann: US-Verteidigungsminister James Mattis hat seinen Rücktritt angekündigt. Der steht im Zusammenhang mit der Entscheidung von Präsident Trump, die 2000 US-Soldaten aus Syrien abzuziehen. In seinem Rücktrittsschreiben erklärte Mattis: "Während die USA die unverzichtbare Nation in der freien Welt bleiben, können wir nicht unsere Interessen schützen, ohne diese Rolle effektiv auszuüben, ohne starke Allianzen aufrecht zu erhalten und diesen Verbündeten Respekt zu zeigen." Letzteres nicht unbedingt eine Stärke des amtierenden US-Präsidenten.
    Am Telefon ist jetzt Jürgen Hardt, der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion. Guten Morgen.
    Jürgen Hardt: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Was bedeutet dieser Rücktritt für die Stabilität der US-Regierung?
    Hardt: Der Rücktritt steht ja im Zusammenhang zu präsidentiellen Entscheidungen der letzten Stunden, nämlich zum einen die Zahl der Soldaten in Afghanistan zu reduzieren seitens Amerikas und zum anderen den Einsatz in Syrien zu beenden. Deswegen ist es schon eine Zäsur, die wir befürchten müssen. Wir haben ja bisher in der Außen- und Sicherheitspolitik erlebt, dass der amerikanische Präsident letztlich eins zu eins zu dem stand, was seine Amtsvorgänger zugesagt hatten, etwa das, was im Rahmen der NATO vereinbart wurde im Blick auf die Verschärfung und Verstärkung der Abschreckung hier in Europa.
    Möglicherweise ist das eine Kehrtwende und wir werden uns die Frage vorlegen müssen, was bedeutet das auch für unsere eigene Sicherheitspolitik hier in Europa. Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, vor Weihnachten über diese wirklich harten Fakten zu diskutieren, aber ich fürchte, dass der Rückzug von Mattis auch eine Zäsur in der Außen- und Sicherheitspolitik darstellen könnte.
    "Wir dürfen die zarten Pflänzchen in Afghanistan nicht gefährden"
    Heinemann: Es gibt unterdessen auch noch Meldungen, das Pentagon arbeite jetzt an Plänen für einen Abzug der Hälfte der 14.000 US-Soldaten aus Afghanistan. Welche Folgen hätte das für die Stabilität in Afghanistan?
    Hardt: Wir haben gegenüber dem damals neuen amerikanischen Präsidenten Trump ja als Europäer uni sono vorgetragen, dass wir der Meinung sind, dass der Afghanistan-Einsatz noch nicht erfolgreich beendet werden kann, sondern dass wir jetzt die zarten Pflänzchen, die dort seit einigen Jahren sprießen, nicht dadurch gefährden dürfen, dass wir die afghanische Regierung jetzt wieder ihrem Schicksal überlassen. Und das hat damals dazu geführt, dass der amerikanische Präsident seine ursprüngliche Absicht, den Einsatz zügig zu beenden, revidiert hat.
    Ob das jetzt, was er jetzt angekündigt hat in den letzten Stunden, eine wiederum Revision dieser damaligen Korrektur seiner Entscheidung ist, das weiß ich nicht. Ich fürchte allerdings, dass wir auch in dieser Frage uns darauf einstellen müssen, dass Amerika unter diesem Präsidenten einen weiteren Rückzug anstrebt, und der Beifall dafür kommt von der deutschen Linken und von Putin und das sollte uns schwer zu denken geben.
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt
    CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt (dpa / Kay Nietfeld)
    Heinemann: Verbirgt sich hinter der Empörung über Trump vielleicht auch das schlechte Gewissen derjenigen, die zum Beispiel die Bundeswehr zu einer schlecht funktionierenden Truppe heruntergespart haben?
    Hardt: Wenn Sie mit ausländischen Soldatinnen und Soldaten oder Politikern reden, erfahren Sie hohe Anerkennung für das, was die Bundeswehr tut. Innerhalb der NATO sind wir zweitgrößter Truppensteller für Auslandseinsätze. Wir sind zum Beispiel im Baltikum unterwegs, in Litauen. Ich bin Anfang der Woche selbst bei unseren Soldaten in Litauen gewesen …
    Heinemann: Herr Hardt, wie viele U-Boote funktionieren?
    Hardt: Im Augenblick funktioniert die gewünschte Zahl von U-Booten. Es ist nicht so, dass wir keine hätten.
    Heinemann: Kommen die auch wieder hoch?
    Hardt: Wir haben sechs U-Boote und wir werden davon zwei bis drei regelmäßig einsetzen können, und wir planen gegenwärtig eine Kooperation mit Norwegen zum Bau neuer U-Boote, und wir haben den Verteidigungshaushalt von 2018 auf 2019 um 12,2 Prozent gesteigert. Das ist eine deutliche überproportionale Steigerung und damit tun wir mehr als andere, was Steigerungsraten angeht, mehr als andere europäische Nationen.
    "Wir müssen weiter in die Bundeswehr investieren"
    Heinemann: Haben Sie Verständnis dafür, dass die US-Steuerzahler die Suppe nicht länger auslöffeln wollen?
    Hardt: Wir haben ja eine Vereinbarung mit den NATO-Partnern getroffen in Wales, dass wir bis 2024 uns an das Zwei-Prozent-Ziel annähern. Das bedeutet, zwei Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aufwenden. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir als Deutschland mehr im Bereich der zivilen Krisenprävention und der humanitären Hilfe tun als die allermeisten Länder dieser Erde. Wir sind in vielen Bereichen der UN-Flüchtlingsprogramme die Nummer zwei, was den Zahler angeht. Wenn man das alles zusammennimmt, müssen wir unser Licht nicht unter den Scheffel stellen.
    Ich glaube allerdings, dass wir weiter in die Bundeswehr investieren müssen und dass wir dieses Zwei-Prozent-Ziel im Blick auf 2024 auch ernst nehmen müssen. Wir haben jetzt die Legislaturperiode bis 2021. Ich erwarte, dass wir die Steigerungsraten, wie wir sie jetzt für den Haushalt 19 vorsehen, auch in den Folgejahren in etwa so weiterrealisieren, so dass wir tatsächlich diesen zwei Prozent näherkommen. Das gibt harte Diskussionen im Bundestag, auch mit unserem Koalitionspartner, aber ich glaube, dass wir in der Öffentlichkeit schon deutlich machen können, dass das sein muss.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.