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Sandstein oder Pappmaschee?

Der berühmte Kopf der Hatschepsut im Berliner Ägyptischen Museum soll unecht sein. Ein Gutachten der Technischen Universität Berlin nährt den Verdacht, dass die Büste aus der Gegenwart kommt und nicht aus der ägyptischen Erde. Die Archäologin Katja Lembke warnt jedoch vor einem vorschnellen Urteil und rät zu einer kunsthistorischen Analyse.

Katja Lembke im Gespräch mit Michael Köhler | 21.07.2009
    Michael Köhler: Erst soll die Nofretete ein Ebenbild eher der Gattin des Grabungsleiters gewesen sein und aus dem Jugendstil stammen und nicht aus der ägyptischen Erde, und jetzt soll eine Berliner Pharaonin auch nicht echt sein, genauer: Der berühmte Kopf der Hatschepsut, der Friedenspharaonin vor 3500 Jahren, 16,5 Zentimeter groß, er soll unecht sein. Ein Gutachten der Technischen Universität Berlin nährt einem Medienbericht zufolge den Verdacht, dass eben dieses Prunkstück im Ägyptischen Museum Berlin aus der Gegenwart kommt und nicht aus der ägyptischen Erde. Nicht aus bräunlichem Granit gefertigt, sondern Magnesit-Siderit-reiches Gestein soll es sein. Und das ist von keiner anderen Büste vom Nil so bekannt als Werkstoff. Die Archäologin Katja Lembke vom Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum ist Projektleiterin bei Grabungen in Ägypten. Anders als bei Holz oder Öl, wo man ja Altersbestimmungen leicht machen kann, ist das bei Stein ja buchstäblich schwer. Kann es denn sein, dass Hatschepsut aus einer Art modernem Mörtel ist?

    Katja Lembke: Ich kann das überhaupt nicht beurteilen, weil ich dieses Stück erstens selbst nicht untersucht habe und zweitens dazu auch gar nicht die Fähigkeiten habe. Das, was im "Spiegel" publiziert wurde, kann ich nur bestätigen, dass von kunsthistorischer Seite es zunächst einmal keinen Grund gibt, an der Echtheit dieses Stücks zu zweifeln. Selbstverständlich steht aber natürlich einer Materialanalyse nichts entgegen, und es wurde ja auch schon der sehr renommierte Steinforscher des alten Ägypten, Herr Professor Klemm, dazu befragt. Insofern denke ich, dass man also durchaus auch schon die Wissenschaftler hier hinzugezogen hat.

    Köhler: Aber doch kann man sich fragen, ob da nicht vielleicht doch irgendwas schiefgelaufen ist. Wenn also ein ehemaliger Museumsdirektor vielleicht einem Antikenhändler aufgesessen ist, der inzwischen als durchaus windig gilt und dessen Depots schon lange als Waschanlage für gefälschte Kunstwerke gelten, dann muss man doch vielleicht vermuten, dass man vielleicht zu leichtgläubig war, oder?

    Lembke: Es gibt eine Regel, die in der Wissenschaft sich mittlerweile durchgesetzt hat, obwohl sie durch nichts begründet ist. Diese Regel lautet, dass man eine Fälschung erkennt, wenn eine Generation ins Land gegangen ist. Also dieses Übliche, 25, 30 Jahre liegt etwas im Schrank und dann wird überraschend festgestellt, oh, das ist ja gar nicht echt, das ist gar nicht so selten. Ich will nicht behaupten, dass es in diesem Fall so ist, aber ich denke, dass der damalige Museumsdirektor, Herr Professor Settgast, nach allen Regeln der Kunst gehandelt hat und auch Herr Professor Wildung hat ja schon betont, dass dieser Kunsthändler damals durchaus als sehr renommiert galt. Also man darf dann heute nicht mehr urteilen, was vor 25 Jahren war, wenn danach andere Erfahrungen gemacht wurden.

    Köhler: Verstehe ich Sie recht, dass bei antiken Funden von Steinskulpturen aus dem Sand der ägyptischen Wüste Materialproben nur bedingt wirkungsvoll sind, sondern man eher auf das uralte kunsthistorische Mittel der Stilanalyse sich verlassen muss?

    Lembke: So ist es. Man darf auch nicht vergessen, dass schon seit vielen Jahren es üblich ist, Stücke für den Verkauf aufzuhübschen. Das heißt, sie gehen in der Regel durch die Hände von Restauratoren, die dann das ein oder andere ergänzen, und nur ein sehr geübtes Auge kann diese Ergänzung überhaupt erkennen. Das heißt, wenn sich hier synthetische Fasern an dem Objekt befinden sollen - so wird es ja hier in der einen Analyse geargwöhnt, wobei ja auch nicht klar ist, ob dieses Material überhaupt zu dieser Büste gehört, aber das ist noch eine andere Frage -, aber jedenfalls, selbst wenn sich hier solche synthetischen Fasern finden lassen, heißt das nicht, dass das Stück an sich und als Ganzes gefälscht ist, sondern es kann sich eben auch um spätere restauratorische Eingriffe handeln.

    Köhler: Das heißt, so richtig sicher kann man nie sein, sondern ist damit auf den geschichtlichen Fortschritt aus Kunstgeschichte, Materialprüfung etc. angewiesen?

    Lembke: Genauso ist es. Und ganz wichtig ist natürlich auch das, was ich jetzt eine Rekontextualisierung nennen würde, das heißt, dass man versucht, alle Objekte, die aus der Zeit und insbesondere von der Pharaonin Hatschepsut bekannt sind, zusammenzuführen und miteinander zu vergleichen, und das eben sowohl hinsichtlich dieser naturwissenschaftlichen Untersuchung als auch der kunsthistorischen Analyse.

    Köhler: Sie waren selber lange Jahre Projektleiterin bei Grabungen in Ägypten und kennen sich damit aus. Sie würden sagen, man geht zu weit, wenn man jetzt sagt, vorausgesetzt, das Ding ist wirklich falsch oder nicht so ganz echt, dann zu sagen, na ja, dann ist doch die ganze Totentempelanlage ein gefälschtes Mausoleum, aus der das kommt?

    Lembke: Ich denke, das, was jetzt auch in letzter Zeit doch ein wenig um sich greift, dass selbst Funde, die aus bekannten Grabungen stammen, für Fälschungen erklärt werden, da muss man doch noch mal drüber nachdenken und schauen, ob die Argumente tatsächlich so stichhaltig sind.

    Köhler: Sagt die Archäologin Katja Lembke vom Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum zu Hatschepsut rekontextualisiert.