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Sauberer frischer Fisch aus Aquakulturen

Frischer Fisch aus dem Meer wird immer seltener. In wenigen Jahrzehnten gibt es nach pessimistischen Vorhersagen keine Fischart mehr, deren kommerzieller Fang sich lohnen würde. Fisch aus Aquakulturen ist eine Alternative. Doch diese bringen Umweltprobleme mit sich.

Von Michael Engel | 18.11.2010
    Karpfen blau - Forelle Müllerin Art: Bislang reduziert sich Fishfarming in Deutschland vor allem auf die Teichwirtschaft. Expansion ist da kaum möglich. Das aber bieten moderne Hightech-Anlagen, die Indoor - also überdacht - für kontrollierte Aufzuchtbedingungen sorgen. Zander, Barsch, der afrikanische Wels und auch Pangasius - alles ist möglich - auch hierzulande. Birgit Schmidt-Puckhaber von der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft berät in Sachen Aquakultur.

    "Wir haben etwa 400 Spezies in der Aquakultur, die auf dem Markt sind. Und wir werden natürlich die Arten auswählen, die sich in diesen Systemen sehr gut halten lassen. Und die quasi auch in der Setzlingserzeugung gut nutzbar sind und die auch eine hohe Futterverwertung haben. Und sie dürfen natürlich nicht sofort umkippen, wenn in einer Anlage irgendwo mal ein Problem ist."

    Neuester Kandidat beim Fishfarming ist die Rutte. Nur 1,5 Tonnen pro Jahr ziehen die Fischer aus dem Bodensee, denn die Rutte ist extrem selten. Dabei reißen sich Restaurants um das nussig schmeckende, feste Fleisch. Seit sechs Jahren beschäftigt sich der Biologe Hendrik Wocher mit dem leckeren Fisch. Der Bezirk Niederbayern wollte herausfinden, ob sich das wohlschmeckende Tier kultivieren lässt.

    "Also es ist der einzige Vertreter der Familie der Dorsche im Süßwasser. Also mir persönlich schmeckt er auf jeden Fall. Wenn ich mich sechs Jahre damit beschäftige, muss ich es natürlich auch mal versuchen. Wir haben Versuchsschlachtungen durchgeführt. Die Leber, die war auch schon früher als Delikatesse bekannt. Die hat etwa zehn Prozent vom Eigengewicht. Die ist also sehr groß. Einfach um zu sehen, ob sich die Vermarktung hinsichtlich dieser Fischart eignet."

    Der begehrte Fisch lässt sich in kleinen Rundbecken aus Kunststoff kultivieren und das sogar ohne Heizkosten: Die Tiere lieben eiskaltes Wasser. Moderne Fischzucht-Anlagen können praktisch alle Lebensräume simulieren. auch Salzwasser. So entsteht gerade eine überdachte Fishfarm mit 6000 Kubikmetern Salzwasser im saarländischen Völklingen. Die noch im Bau befindliche Anlage soll 800 Tonnen Fisch im Jahr produzieren - ausgelegt für Doraden und den subtropischen Yellowtail Kingfish, der vor allem Sushi-Freunden ein Begriff ist. Martin Sander ist der Chef des Anlagenherstellers Neomar - was soviel wie neues Meer heißt:

    "Das neue Meer steht auf dem Land. Wir lesen in den Zeitungen nahezu täglich, dass wir Probleme haben mit der Fischversorgung aus dem Meer. Man muss sich auch mal auf der Zunge zergehen lassen, dass wir unsere Schiffe vor Piraten in Somalia schützen. Diese Piraten waren früher mal Fischer. Sie können kaum noch Fischer sein, weil die europäischen Fischfangtruppen den Kollegen die Fische wegfangen. Das sind alles Dinge, die dazu führen, dass wir ganz klar sagen, es muss ein Trend dazu geben, dass der Fisch auf den Acker geht, dass der Fisch im Land gezüchtet wird, und dafür stellen wir unsere Anlagentechnologie zur Verfügung."

    Viele Seefische, so der Anlagenbauer, werden künftig auf dem Binnenland erzeugt: Indoor - in Fabrikhallen mit Meerwasser. Kabeljau, Hering, Sardinen - alles sei machbar. Wenn der Preis nur stimmt. Vorerst züchten die Unternehmen vor allen die edlen, Gewinn versprechenden Arten. Der Stör gehört dazu, um teuren Kaviar zu erzeugen. Doch die Konkurrenz schläft nicht. China plant Anlagen, die das Vierfache der gegenwärtigen Weltproduktion an Kaviar ausstoßen sollen. Schon heute, so ein Vertreter von Caviale, dem größten Zuchtkaviarhersteller der Welt, sei die Produktion nicht mehr kostendeckend.