Archiv


"Scheitern ist keine Option"

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat die Forderung, den weltweiten CO2-Ausstoß bis 2050 zu halbieren, bekräftigt. Nur so lasse sich die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzen. Ein Scheitern der Klimaverhandlungen sei "keine Option", sagte Röttgen.

Norbert Röttgen im Gespräch mit Georg Ehring |
    Georg Ehring: Herr Röttgen, Sie sind seit wenigen Wochen im Amt und haben mit der Weltklimakonferenz in Kopenhagen gleich die erste Riesenaufgabe. Mit welchen Erwartungen und welchen Gefühlen fahren Sie denn nach Kopenhagen?

    Norbert Röttgen: Mit dem Gefühl, dass es eine der wichtigsten Konferenzen seit Jahrzehnten ist, ich glaube, die wichtigste in unserer Zeit, die die Weichen stellt, wie wir unsere Lebensgrundlagen sichern und Wohlstand erhalten und auch einen Beitrag für die Gerechtigkeit in den Lebensbedingungen weltweit leisten.

    Ehring: Was muss den rauskommen - wie hoch liegt die Latte, dass Sie hinterher sagen können: Das war ein Erfolg?

    Röttgen: Es muss etwas rauskommen. Scheitern ist keine Option, wenn es darum geht, wie ich es eben beschrieben habe. Und zu dem, was zwingend erfolgen muss, ist die Festlegung auf das Ziel, dass die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen ist als Zielfestlegung bis 2050, weil uns das einigermaßen sicher sein lässt, dass die dramatischen Folgen des Klimawandels nicht eintreten. Und dazu sind dann bestimmte Maßnahmen zu ergreifen.

    Wir müssen, um das Ziel zu erreichen, weltweit den CO2-Ausstoß halbieren. Die Industrieländer müssen weit mehr tun, sie müssen nahezu vollständig kohlenstoffneutral wirtschaften und leben. Es gehören dazu die Finanzierungszusagen der Industrieländer an die Entwicklungsländer. Das kostet Geld, aber Nichthandeln wäre viel, viel teurer. Es gehört dazu, dass wir alle auch in dieses Vertragswerk einsteigen, alle Länder - nicht wie bei Kyoto, das die USA nicht ratifiziert haben. China und die USA müssen dabei sein, weil sie für 40 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sind. Und über all dies müssen im Dezember jetzt in Kopenhagen die Würfel fallen und innerhalb eines halben Jahres müssen wir diese konkreten Entscheidungen dann in einen rechtlich verbindlichen Vertragstext überführen, der auch einen Überprüfungsmechanismus für die Instrumente und Ziele und Maßnahmen beinhaltet.

    Ehring: Inwieweit gehören auch konkrete Zahlen für die Reduktion des Treibhausgasausstoßes bis 2020 dazu? Die Europäische Union hat da ja ihre Vorstellungen, die USA haben ganz andere Vorstellungen, andere Länder möchten sich da überhaupt nicht verpflichten.

    Röttgen: Die Zahlen gehören dazu, weil wir wissen, dass die Ökosysteme träge sind. Das Ziel muss bis 2050 erreicht sein, aber wenn man erst zehn Jahre vorher anfängt, dann kann man es objektiv nicht mehr erreichen. Darum müssen wir jetzt anfangen, und wir müssen auf der Strecke bis 2050 Zwischenmessungen machen. Und 2020 ist eine solche Zeitmarge, wo wir schon erste Ziele erreicht haben müssen.

    Die deutsche Bundesregierung hat sich verpflichtet - ohne diesen Schritt von Bewegungen anderer Staaten abhängig zu machen -, 40 Prozent CO2 zu reduzieren. Die Europäische Union sagt 20 Prozent in jedem Fall, wenn sich andere auch bewegen - 30 Prozent. Die USA sind noch nicht so weit, aber die USA haben auch ihre Richtung gewechselt. Bislang war es in den USA so, dass sie immer mehr emittieren. Sie verpflichten sich jetzt, weniger zu emittieren, zu reduzieren, allerdings noch nicht in der Größenordnung, wie das die Europäer für notwendig halten oder die internationale Gemeinschaft für notwendig hält und wie die Europäer auch zu tun bereit sind.

    Allerdings muss man anerkennen: Die USA sind zehn Jahre später dran. In der Administration von Georg W. Bush hat dieses Thema keine Rolle gespielt, um es noch zurückhaltend zu sagen. Die USA haben jetzt die Richtung aufgenommen und sie sagen auch: Wir werden 2050 an diesem Ziel sein, wir werden dann beschleunigen. Aber sie müssen auch noch etwas zulegen.

    Ehring: Der Bundestag hat letzte Woche beschlossen, dass die Zahlungen zum Ausgleich an Entwicklungsländer aus dem Entwicklungsetat kommen oder aus dem Geld kommen, was eigentlich für Entwicklungshilfe vorgesehen worden wäre sonst. Müssen da die Entwicklungsländer nicht mit der einen Tasche das bezahlen, was sie in der anderen Tasche bekommen?

    Röttgen: Nein, das war ja ein Antrag der Fraktionen, und der Bundestag hat auch nicht das beschlossen, wie Sie es nun referieren. Es geht um zusätzliche Leistungen, die die Industrieländer - damit auch Deutschland und auch die Europäische Union - an die Entwicklungsländer zu erbringen haben. Zusätzlichkeit ist immer die Frage: Wie definieren wir das? Und die Alternative, die man aufmachen kann, ist eigentlich nur die: Ist es zusätzlich gegenüber den bisherigen Entwicklungshilfezusagen - 0,7 Prozent? Das ist aber ein bisschen eine theoretische Variante, weil wir leider ja noch weit vom 0,7-Prozent-Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttoinlandsprodukt entfernt sind, wir liegen bei 0,33 Prozent. Und darum ist, glaube ich, die Aussage, die den Entwicklungsländern wirklich hilft, die, die auch realistisch ist - die darin besteht, dass zusätzliche Leistungen für Klimaschutz bedeutet, dass sie über das hinausgehen, was wir bislang leisten. Sie bekommen also effektiv mehr als bislang geleistet worden ist. Das ist zusätzlich, und das wird dann gebunden sein für den Zweck "internationaler Klimaschutz".

    Ehring: Ein Problem bei der CO2-Reduktion ist die Kohleenergie. Und deutsche Energieunternehmen wollen weiter Kohlekraftwerke bauen. Wie stehen Sie dazu, lässt sich das mit dem 40-Prozent-Ziel vereinbaren?

    Röttgen: Unser Ziel in der Energiepolitik ist es, die Energieerzeugung komplett nahezu vollständig auf regenerative Energiequellen umzustellen. Das ist ein Prozess, der schreitet aber auch voran. Wir sind in der Stromversorgung jetzt schon bei 15 Prozent regenerativer Energieversorgung, das werden wir in den nächsten zehn Jahren mindestens verdoppeln können. Bis wir das Zeitalter der regenerativen Energien mit einer nahezu vollständigen Versorgung erreicht haben, braucht es auch noch Übergangstechnologien.

    Die Kernenergie ist in dieser Funktion "Brücke zu sein" von uns bezeichnet worden, und auch fossile Energiequellen werden noch eine Weile dazugehören. Aber auch hier ist Erneuerung besser, als mit alter Technik und Technologien weiter zu fahren. Wir haben alte Kohlekraftwerke mit einem ganz schlechten Wirkungsgrad - trotzdem kann man mit ihnen Geld verdienen, weil sie steuerlich abgeschrieben sind. Neue Kohlekraftwerke sind viel, viel effizienter, viel, viel besser regelbar. Und darum ist das ein Umstellungsprozess.

    Wir brauchen auch neue bessere Netze, intelligentere Netze, wenn regenerative Energie wirklich eingespeist werden soll - also ein Transformationsprozess, der aber Sicherheit bringt, Sauberkeit und Unabhängigkeit in der Energieversorgung. Das sollten wir uns auch etwas kosten lassen.

    Ehring: Neue Kohlekraftwerke laufen 30, 40 Jahre oder noch länger. Sie meinen, dass man sie trotzdem noch brauchen kann?

    Röttgen: Sie sind viel besser als alte Kohlekraftwerke, die schon seit 30 Jahren laufen. Und darum, wenn das eine das andere ersetzt, ist es besser. Sie sind auch viel flexibler, die neuen Kohlekraftwerke, die man auch in Teillast fahren kann, die nicht in gleichen Mengen eingespeisten Strom, zum Beispiel aus Windenergie, ausgleichen können. Und darum zählt das für einen Übergang dazu.

    Ehring: Atomkraft ist für Sie eine weitere Brücke ins regenerative Zeitalter. Wie lange braucht man die Brücke denn? Läuft es darauf hinaus, dass man am Atomkonsens der Vorgängerregierungen festhält, oder werden die Atomkraftwerke eine Verlängerung bekommen?

    Röttgen: Das werden wir diskutieren. Wir haben ja uns vorgenommen und das ist seit Langem fällig gewesen aber nicht eingelöst worden als Anspruch, ein energiepolitisches Gesamtkonzept zu erstellen. Das ist auch im Koalitionsvertrag in seiner Zielsetzung und in wichtigen Elementen schon beschrieben. Die Zielsetzung ist, wie ich sagte, die regenerative Energieversorgung. Die Kernenergie hat die Funktion einer Brücke. Und das ist auch der Zusammenhang: Die Brücke ist keine Straße, sie ist nicht das Ziel, sondern sie muss ans andere Ufer führen.

    Das heißt: Kernenergie ist endlich von vornherein auch in ihrer konzeptionellen Bedeutung, und sie soll es geben, bis sie verlässlich ersetzt werden kann. Das ist die Funktion, alles andere wäre Willkür. Aber es bedeutet eben auch, dass das nicht der Ausstieg aus dem Ausstieg ist. Sondern die Brücke bedeutet: Es ist eine politisch endliche Technologie, weil wir es politisch so wollen. Bei den fossilen Energiequellen ist es dann eine natürliche Endlichkeit, die besteht. Es sind knappe Ressourcen, die immer stärker nachgefragt werden, darum immer teurer werden und darum ein Ende finden sollen und finden müssen.

    Ehring: Das Atomkraftwerk Neckarwestheim hat nach dem Atomkonsens jetzt im Frühjahr die Strommengen aufgebraucht. Wenn Sie im Oktober ein Konzept vorlegen, muss da schon vorher eine Entscheidung fallen. Wie sieht die aus?

    Röttgen: Wir haben einen Koalitionsvertrag, was die Energiepolitik anbelangt, mit wichtigen Festlegungen. Wir haben inzwischen im Kabinett einen Zeitplan besprochen. Wir wollen mit dem Konzept im Oktober des nächsten Jahres im Kabinett sein - unter Führung des Kollegen Rainer Brüderle und von mir. Ich halte es für entscheidend, dass wir diese Fragen in einem konzeptionellen Zusammenhang entscheiden. Wir beginnen gerade auch intern mit diesen Gesprächen.

    Ich bin nicht in dem Stadium, Einzelfragen vorab zu beantworten. Allerdings unterstreiche ich, dass wir nur eine Chance haben am Ende zu überzeugen, wenn wir Einzelfragen aus der Einbettung in einem Zusammenhang beantworten und nicht herauslösen aus einem Gesamtpaket und aus dem Zusammenhang. Und das ist im Moment meine Position, eine Konzeption zu erarbeiten und nicht die Zuwendung zu Einzelfragen.

    Ehring: Zu den Fragen, die die Atompolitik noch zu klären hat und die uns auch noch relativ lange beschäftigen werden, gehört das Atomendlager Gorleben oder ein anderes. Wie ist da Ihre Position?

    Röttgen: Die Endlagerfrage stellt sich, seitdem wir in Deutschland Kernenergie wirtschaftlich nutzen, also seit mehreren Jahrzehnten. Sie ist bislang offen, und sie muss beantwortet werden. Dass Rot-Grün 1998 die Endlageruntersuchung in Gorleben eingestellt hat, ohne irgendeine neue Suche zu beginnen, war darum nichts anderes als die Verweigerung politischer Verantwortung, die uns obliegt.

    Ich habe nicht mit Kernenergie angefangen, aber die Folgen haben wir alle zu tragen. Das ist politische Verantwortung, vor der hat sich Rot-Grün gedrückt. Das ist ein Verhalten, das man nicht anders politisch beschreiben kann und darum von mir keinen Respekt findet und in der Folge auch keine Fortsetzung, sondern eine ergebnisoffene Prüfung. Das ist kein politisch gesteuerter Prozess, sondern es ist eine ergebnisoffene Prüfung, die in Gorleben wieder aufgenommen wird, weil es die politische Verantwortung gebietet. Egal, wer sich mal für Kernenergie entschieden hat, egal wer jetzt regiert, es ist unsere politische Verantwortung. Vor der werde ich nicht kneifen - anders als das Rot-Grün getan hat.

    Ehring: Werden Sie denn auch andere Standorte prüfen?

    Röttgen: Ich halte es für richtig, dass wir diesen Standort, in den schon viel Zeit, viel Geld geflossen ist, weiter prüfen und an der Stelle zu Ergebnissen kommen, wie das Ergebnis auch aussieht. Aber ich glaube, dass es richtig ist, jetzt an der Stelle weiter zu machen, wo unverantwortlicherweise aufgehört worden ist nach vielen Jahren der Prüfung.

    Ehring: Sie haben mit Gerald Hennenhöfer einen Atomkraftbefürworter zum Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit gemacht. Wie passt das in die doch langfristige Ausstiegsstrategie, die Sie auch weiter verfolgen wollen?

    Röttgen: Ich bin der Minister in diesem Hause und stehe für die politischen Entscheidungen, die verfolgt werden. Der Abteilungsleiter Reaktorsicherheit hat seine Zuständigkeit. Und für diese Position brauche ich den Mann, der dieses Gebiet Reaktorsicherheit am besten beherrscht. Darum habe ich mich für ihn entschieden. Und für die politischen Entscheidungen stehe ich. Und nicht nur an der Kompetenz, sondern auch an der Loyalität des Beamten habe ich keinen Zweifel. Und darum bin ich nach wie vor der Überzeugung, das war eine richtige Entscheidung.

    Ehring: Regenerative Energien, sie sorgen nach Ansichten von Kritikern dafür, dass die Strompreise steigen, speziell die Förderung des Solarstroms. Wie weit muss man da die Förderung kürzen?

    Röttgen: Erstens kann man auch für das nächste Jahr, wo es einen leichten Anstieg geben wird, die Förderung, die Verbraucher für regenerative Energie entrichten, beziffern. Es sind für einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt 5,95 Euro pro Monat im nächsten Jahr. 5,95 Euro dafür, dass wir den Weg beschreiten in eine sichere, saubere und Unabhängigkeit in der Energieversorgung gewährleistende Stromversorgung im Wesentlichen zu garantieren. Das macht den Förderanteil im nächsten Jahr pro Monat aus.

    Ich glaube, dass es uns das wert ist und dass viele bereit sind, diese Investition, um die es sich handelt, zu tätigen. Wir müssen gleichzeitig immer schauen und achten, gibt es Überförderungen, gibt es Unterförderungen? Also wir müssen effizient die Mittel der Stromrechnungsbezahler und Kunden einsetzen. Es ist unbestritten, selbst von der Branche so gesagt, dass es im Bereich der Fotovoltaik zu einer Überförderung gekommen ist, insbesondere weil die Marktentwicklung eine ganz andere geworden ist, als man vorausgesehen hat. Und darum wird es hier eine Anpassung der Instrumente, auch der Fördersätze, der Vergütungssätze im nächsten Jahr geben, die die andere, überraschende Marktentwicklung aufnimmt, indem es auch zur Reduzierung bei der Vergütung kommt.

    Ehring: Kann man das schon beziffern?

    Röttgen: Das werde ich alsbald dann auch beziffern, nicht nur in den Größenordnungen, sondern auch in neuen Instrumenten, die eben die Marktanpassung flexibel vornehmen.

    Ehring: Welche sind das?

    Röttgen: Das werde ich dann im Zusammenhang auch darlegen. Wir haben verabredet, dass wir über diese Thematik und die Anpassungen, die unbestritten sind, mit der Branche und auch mit den Verbraucherverbänden sprechen. Und meine Vorschläge, die ich dazu habe, möchte ich mit der Branche der erneuerbaren Energie im Bereich Fotovoltaik und den Verbraucherverbänden erörtern. Und dann glaube ich, dass wir einen guten Vorschlag machen können.

    Ehring: Umweltpolitik ist nicht nur Energie- und Klimapolitik. Es gab die große Biodiversitätskonferenz im vergangenen Jahr. Wie wollen Sie daran anknüpfen? Die Biodiversität schwindet nach wie vor dramatisch.

    Röttgen: Sie haben völlig recht. Und es ist auch zuzugeben, dass unter dem Megathema Klimaschutz als der einen globalen Herausforderung die zweite globale Herausforderung Schutz der Vielfalt der Natur in Gefahr ist, an Aufmerksamkeit zu verlieren.

    Das sehe ich und darum will ich das nächste Jahr 2010 als das internationale Jahr der biologischen Vielfalt nutzen, um deutlich zu machen, dass dies das Kernthema der Naturschutzpolitik im engeren Sinne ist, nämlich die Natur, die Schöpfung, um auch die ethische Dimension dieser Aufgabe zu beschreiben, zu bewahren, zu verteidigen. Deutschland hat hier besondere Verantwortung auch übernommen. Aber es ist kein deutsches Thema, sondern ein internationales Thema.

    Wir haben uns hier auch in der Koalitionsvereinbarung vorgenommen, ein Programm aufzustellen, Ziele zu definieren, dem Abbau und Verlust der Vielfalt der Natur entgegenzuwirken, auch im internationalen Rahmen. Und darum wird das zu einem Schwerpunkt meiner Politik national und international im nächsten Jahr werden.

    Ehring: Die Industrie ist traditionell nicht so begeistert, wenn Deutschland bei dem Umweltschutz vorprescht. Sie galten bisher als industrienah. Sie wollten ja auch schon mal als Hauptgeschäftsführer zum BDI wechseln. Wie können Sie jetzt mit der Industrie auf Konfliktkurs gehen und wie weit werden Sie das machen?

    Röttgen: Ich glaube nicht, dass es um Konflikt geht, sondern es geht um die gemeinsame Erkenntnis, die Politik und Wirtschaft in Deutschland hat, dass es beim Klimaschutz, wenn ich ihn ökonomisch betrachte, im Kern um die wirtschaftliche Modernisierung und die wichtigste technologische Innovation geht.

    Wir haben einen wachsenden Weltmarkt von Umweltdienstleistungen und Umweltprodukten. Wir sind Weltmarktführer mit 16 Prozent Weltmarktanteil bei den Umwelttechnologien. Das sind wir noch. Das werden wir nur bleiben, wenn wir erkennen, dass das der Zukunftsmarkt und die Leitinnovation des 21. Jahrhunderts ist. Wir werden nur Wohlstand sichern, wir werden nur Exportweltmeister bleiben, wenn wir die besten, die modernsten Produkte in den aktuellen Märkten und nicht den Märkten der Vergangenheit anbieten. Und darum ist das auch und insbesondere ein ökonomischer Wettbewerb um Wachstumsmärkte, um Technologieführerschaft, der jetzt schon stattfindet und immer stärkere Dynamik entwickeln wird. Darum habe ich gesagt und bleibe dabei, dass Kopenhagen auch die wichtigste Wirtschaftskonferenz unserer Zeit ist. Es geht um gleiche Wettbewerbsbedingungen und es geht um neue Märkte, neue Technologien und unsere Rolle auf diesen Märkten.

    Ehring: Die FDP ist ihr Koalitionspartner, eine Partei, die traditionell gegenüber Umweltvorschriften auch eine sehr distanzierte Haltung hat. Inwieweit können Sie mit der FDP das, was Sie jetzt vorgeschlagen haben, alles durchsetzen?

    Röttgen: Ich glaube, dass die Koalition auf diesem Gebiet und gerade auf diesem Gebiet sehr, sehr entschlossen ist und sehr, sehr einig ist. Ich habe nach dem Chinabesuch meines Kollegen Brüderle mit Herrn Brüderle gesprochen, habe auch den Besuch in der Zeitung sehr aufmerksam verfolgt.

    Er hat dort sehr intensiv, gerade in China, für deutsche Umweltprodukte und Umwelttechnologien geworben. Und darum bin ich davon überzeugt, dass die wirtschaftspolitische Strategie, die sich mit Klimaschutzpolitik verbindet, auch von der FDP geteilt wird. Das ist eine gemeinsame Vorstellung von CDU und FDP. Und klare Ansagen der Politik werden geradezu von der Wirtschaft verlangt. Sie wollen wissen und erwarten von der Politik, dass wir ihnen die Standards mitteilen, die nach einem gewissen Zeitablauf einzuhalten sind.

    Nur, wenn die Wirtschaft klare Ansagen durch die Politik bekommt, dann können Wirtschaftsunternehmen auch investieren in Innovationen. Wenn Unklarheit herrscht, können sie die Investitionen nicht vornehmen. Und dann bleiben die Innovationen und die Modernisierung aus. Es wird und mag auch Verlierer geben. Wir werden andere Produkte produzieren, und diejenigen, die stehen bleiben, die glauben, an den Staat mit der Erwartung herantreten zu können, alte Strukturen durch Beihilfen und Subventionen zu konservieren, die werden meine Unterstützung nicht finden.

    Das ist auch das Gesetz der Marktwirtschaft, dass nicht alles so bleibt, wie es ist, sondern dass diejenigen, die sich nicht verändern, nicht modernisieren, nicht auf der Höhe der Zeit sind, dann auch vom Markt verschwinden. Das Gesetz der Marktwirtschaft will ich nicht außer Kraft setzen, sondern ich möchte klare Rahmenbedingungen machen. Ökologie und Umweltschutz und Klimaschutz zählen zu den neuen Ordnungsbedingungen von Wirtschaft, mit denen man neue Produkte und Märkte erobern kann. Das ist mein modernes Verständnis von Klima- und Wirtschaftspolitik.

    Ehring: Die Wirtschaft steht im Mittelpunkt auch bei der Entscheidung, die nächste Woche Freitag im Bundesrat fällt über das Wachstumspaket der Bundesregierung. 100 Milliarden Euro Neuverschuldung, da spricht man jetzt drüber im nächsten Jahr. Ist das eine vernünftige Politik? Lasten wir da nicht der nächsten Generation untragbare Lasten auf?

    Röttgen: Die Schulden, die wir nun machen, dienen der Abwehr der Folgen einer wirtschaftlichen Jahrhundertkrise, in der wir nach meiner Auffassung immer noch stecken. Auch wenn wir nicht mehr so viel darüber reden, haben wir diese Krise auch in ihrer fundamentalen Veränderung und Dynamik noch nicht überwunden und auch die Folgen noch nicht.

    Darum ist diese Politik richtig, aber sie muss verbunden werden mit der Erkenntnis, dass das temporär ist, also auf Zeit ist, dass das Krisenreaktion ist und nicht die langfristige Orientierung und Ausrichtung. Und darum finde ich die Politik, die Wolfgang Schäuble als Bundesfinanzminister macht, genau richtig. Er bleibt bei diesem Akzent Krisenreaktion und Krisenabwehr. Aber er ist genau so konsequent darauf ausgerichtet, nunmehr auch die Kurve zu kriegen zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik, zu einer Konsolidierung und zu einem Ausgleich, wie er ja auch in der Verfassung in unserem Grundgesetz in diesem Jahr festgeschrieben worden ist, die sogenannte Schuldenbremse, die eingeführt worden ist, aber nicht natürlich, weil wir Grundgesetzvorschriften einhalten wollen, aber auch, weil wir uns dem Kurs nachhaltiger Finanzpolitik verschrieben fühlen.

    Nachhaltigkeit hat, darüber haben wir heute in diesem Gespräch uns schon viel ausgetauscht, eine ökologische Komponente, aber sie hat genau so eine Komponente in der Finanzpolitik und der Finanzwirtschaft und der öffentlichen Finanzen, und nebenbei auch in der Frage der Demografie. Das ist ein übergeordnetes Verantwortungsprinzip, und es findet meine absolute Unterstützung, dass Wolfgang Schäuble in seinem Bereich genau diese Orientierung hat.

    Ehring: Einschließlich Steuersenkungen?

    Röttgen: Steuerentlastung für Familien und mittlere Einkommen dienen dazu, dass wir Spielräume für Wachstum in diesen Bevölkerungsgruppen schaffen. Und das halte ich für richtig, gerade weil wir es mit einer Konsolidierungsstrategie verbinden. Aber Familien, mittlere Einkommen, sind diejenigen, die unser System ökonomisch, aber eben nicht nur ökonomisch, sondern auch politisch und sozial tragen. Und darum gehört die Honorierung von Leistung in einem umfassenden Sinne dazu, wenn wir einen Wachstums- und Konsolidierungspfad, der dann auch einen ökologischen Rahmen hat, ergreifen wollen.

    Ehring: Sie gelten als einer der Vorreiter auch für Schwarz-Grün. Sie haben schon früh mit den Grünen Kontakt aufgenommen. Wäre in einer neuen Konstellation eine schwarz-grüne Koalition oder eine Jamaika-Koalition auf Bundesebene für Sie vorstellbar?

    Röttgen: Also, Dreierkoalitionen sind immer schlecht, weil sie dazu führen, dass der gemeinsame Nenner immer kleiner wird, je mehr Koalitionsparteien sie haben. Wir haben jetzt seit wenigen Wochen eine neue Bundesregierung aus CDU, CSU und FDP und darum haben wir noch wirklich viel Zeit, um über neue Koalitionen mindestens mal auf Bundesebene zu sprechen. Wir haben eine gute Mehrheit, wir haben eine hohe Einigkeit und wir haben große Aufgaben vor uns und wir haben dafür jetzt eine gute politische Grundlage, die wir angestrebt haben, die wir wollen und hinter der ich uneingeschränkt stehe.

    Ehring: Herzlichen Dank für das Gespräch.

    Röttgen: Ich bedanke mich sehr bei Ihnen.