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Schleppender Absatz trotz fairem Siegel

Seit 20 Jahren gibt es in Deutschland das Fair Trade-System. Die anfägnlichen Nischenprodukte gehören heute zum Mainstream. Fairer Kaffee und Schokolade verkaufen sich laut dem Verein transfair gut. Anders sieht es jedoch bei Tee aus.

Von Tim Farin | 20.04.2012
    Ein früher Nachmittag auf dem Burnside Tea Estate in den Nilgiri Hills in Südindien. Zwischen dichten dunkelgrünen Sträuchern bewegen sich Frauen in bunten Kleidern über den steilen Hang. Mit ihren sonnengegerbten Händen suchen sie geschickt nach reifen Blättern, pflücken sie und werfen sie in große weiße Plastikbeutel, die sie auf dem Rücken tragen. Es ist der Rohstoff für schwarzen und grünen Tee, der in Europa konsumiert wird. Das Besondere an dieser Plantage: Burnside produziert Tee, der hierzulande das Siegel "Fair Trade", also "fairer Handel", trägt.

    Seit 31 Jahren arbeitet Thangamani Chandran, 52, als Pflückerin auf dieser Plantage, und sie hat gesehen, dass der faire Handel etwas verändert:

    "Ich habe keine Schule besucht. Die Bildung hat sich deutlich verbessert, heute können die Kinder aller Arbeiter eine gute Schule besuchen."

    Wenn der Tee aus Thangamani Chandrans Händen in Deutschland als Fair Trade-Ware einen Käufer findet, landen 50 US-Cent pro Kilogramm abgesetztem Tee als Prämie auf der indischen Plantage und können in die Schule, aber auch in Krankenstationen, Gemüsegärten und wetterfeste Arbeitskleidung angelegt werden. Ein direkter Nutzen für die Arbeiter, die gemeinsam mit dem Plantagen-Management über die Investition entscheiden.

    Seit 20 Jahren gibt es inzwischen das Fair Trade-System in Deutschland – und doch hat es sich beim Produkt Tee noch nicht so recht herumgesprochen. Nur 230 Tonnen mit dem Fairhandels-Siegel gingen 2010 weg – gerade mal ein Prozent des deutschen Gesamtverbrauchs.

    Dieter Overath, Geschäftsführer der deutschen Fair Trade-Organisation Transfair, musste bei seinem jüngsten Indienbesuch eingestehen, dass der Konsum in Deutschland anders als beim Kaffee deutlich geringer als die Fair Trade-Kapazitäten im Süden ausfällt.

    "Unsere Arbeit wird es sein, die deutlichen Wachstumsraten, die wir bei Kaffee und anderen Produktkategorien haben, auf Tee zu übertragen. Tee ist kein politisches Produkt."

    Immerhin stellte im vergangenen Jahr beispielsweise Rewe seine Tee-Eigenmarke auf Fairtrade um.

    Ermutigung kommt auch vom führenden Teeimporteur in Deutschland, Hälssen & Lyon in Hamburg. Das Traditionsunternehmen handelt bereits seit 1995 mit Fair Trade-Rohstoffen – sieht aber auch, dass andere Labels im Kommen sind und bietet entsprechende Produkte an. Darunter beispielsweise solche mit dem Siegel Rainforest Alliance, das auf Tee der Sorte Lipton des Großkonzerns Unilever zu finden ist. Bei Hälssen & Lyon erwartet man, dass der Markt für Teesorten mit Siegel auf fünf Prozent des Gesamtmarktes wachsen wird. Umweltschutz und sozial gerechter Umgang mit Arbeitern würden den Konsumenten immer wichtiger – und das präge zunehmend die Kaufentscheidung.

    Siegel wie Fair Trade versuchen, die Arbeitnehmerrechte und Umweltstandards über den etablierten Handel zu verändern. Einen anderen Weg beschreitet dagegen seit 1985 die Teekampagne des Berliner Ökonomieprofessors Günter Faltin. Sie bricht mit Traditionen.

    "Von der Teeplantage zum Käufer verteuert sich der Tee ungefähr um das Zehnfache. Wenn man sich wie die Teekampagne auf eine einzige Sorte beschränkt, nämlich Darjeeling-Tee, dann sind die Einkaufsmengen groß genug, dass man praktisch den gesamten Zwischenhandel überspringen kann. Das ist unser Vorteil."
    Kein Zwischenhandel, niedrigere Transport- und Verpackungskosten, das sind für Faltin Argumente, warum am Ende mehr für die Arbeiter in Indien herausspringt. Die Kunden beziehen den Tee nicht aus dem Geschäft, sondern per Direktversand. Konsequent betont die Teekampagne die Herkunft des Tees und damit auch die Qualität, was ebenfalls das Preisbewusstsein treibt, glaubt Teekampagnen-Gründer Faltin.

    "Wenn wir einkaufen wollen, ist immer eine lange Schlange von Teepflanzern, die bei uns verkaufen will, also ein Zeichen dafür, dass wir gute Preise zahlen. Wir kämpfen für diesen 100 Prozent reinen Darjeeling, mit Erfolg, das ist der ökonomisch wichtigste Faktor für unsere Partner, und wir haben dieses große Wiederaufforstungsprojekt. Wir haben das angefangen, als es das Wort Fairtrade noch gar nicht gab."