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Schmutzige Mobilität

Rasmus Gerlach ergründet in seinem Dokumentarfilm "Apple Stories" das Universum des iPhone-Herstellers. So sind nicht nur die schlechten Arbeitsbedingungen bei Zulieferern wie Foxconn Thema, sondern auch der Fankult um die Produkte. Leider beleuchtet der Film die Themen sehr flatterhaft.

Von Josef Schnelle | 22.08.2013
    Eine Zinnmine im Grenzgebiet zwischen Ruanda und Burundi in Afrika. Begründet wurde sie noch von der Kolonialregierung in Deutsch-Ostafrika. Heute ist sie der Rückhalt für die Handyproduktion von Apple. Kein iPhone kommt ohne Zinn und andere seltene Metalle und Erden aus.

    "Na ja, wenn du dir das anguckst. Da ist zwar auch Silber und Kupfer und sonstige Edelmetalle drauf, aber das Zinn macht schon den größten Anteil, es sind 78 Prozent."

    Der Dokumentarfilmer Rasmus Gerlach hat sich aufgemacht, das Apple-Universum zu ergründen: die Begeisterung für die Appleprodukte, die bei der Eröffnung des Stores in Hamburg zu stundenlangen Schlangen führt, wie auch die Auswirkungen auf andere Teile der Welt mit miesen Arbeitsbedingungen in Afrika und China. Er beschäftigt sich auch mit den Untergrund-Gegenstrategien der Handyfrickler, die Apples Weigerung, Ersatzteile weltweit zur Verfügung zu stellen, zu unterlaufen versuchen. Handy-Doktoren kennen mittlerweile alle auch nur erdenklichen Tricks. Alte iPhones werden professionell ausgeschlachtet. In China gibt es sogar Piratenfirmen, die Touchscreens genau so gut fabrizieren können wie die Originalhersteller. Bessere Arbeitsbedingungen gibt’s aber auch hier nicht.

    "In dieser Fabrik stellen die Arbeiter iPhones her. Ihr Lohn ist so gering, dass sie sich selbst keins kaufen könnten."

    Nicht nur Zuliefer-Hersteller wie Foxconn aus China, der durch eine Selbstmordserie unter Mitarbeitern auf sich aufmerksam machte, tauchte das gigantische Erfolgsmodell des Weltkonzerns mit ihrem charismatischen Chef Steve Jobs ins Zwielicht. Auch die stille Datensammelwut des größten Computerherstellers der Welt brachte die "schöne neue Welt" des digitalen Zeitalters in Verruf. In Rasmus Gerlachs Film werden viele Seiten des Grundkonflikts beleuchtet. Vor dem neuen Hamburger Store stehen Fans seit vielen Stunden an und der junge Mann, der das erste iPhone 5 ergattert hat, wähnt sich schon als Medien-Star. Über die dunkle Seite der Handybegeisterung wissen eher die kleinen Reparateure bescheid. Sie schrauben die iPhones auf und kennen die Bestandsteile. Regisseur Rasmus Gerlach macht sie zu den eigentlichen unerschrockenen Helden seiner Geschichte. Auch das iPhone ist kein Mysterium, nur ein Haufen Technik, den man verstehen kann und man kann lernen, die Chips und Schaltungen zu beherrschen. Ein wenig Paranoia im Angesicht des Weltkonzerns ist trotzdem angebracht.

    "Apple weiß alles. Egal was sie mit diesem Handy machen, die wissen's."

    Rasmus Gerlachs Dokumentarfilm wäre perfekt, wenn er nicht so flatterhaft manchmal die gesellschaftspolitischen Konsequenzen des Apple-Universums, dann wieder dessen Suchtcharakter und gleich wieder die Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen in den Zuliefer- und Herstellerländern beleuchten würden. Der Film ist voller grandioser Momente, im Ganzen aber ein konfuser Filmsalat, in dem einzelne Entdeckungen oft das große Ganze verdecken. Auch die arabische Revolution mit ihrer digitalen Komponente in Kairo muss noch mit hinein. Ein Dokumentarfilm der alten Schule also, mit wenig Achtsamkeit auf die Bilder, aber mit klassischen Reportage-Qualitäten. Warum man sich diesen - übrigens stets aufrechten und wichtigen Film - ausgerechnet im Kino ansehen soll, bleibt einigermaßen schleierhaft. Den nächsten Apple-Film wünschen wir uns dann doch lieber von Michael Moore, und wenn es den denn gäbe, von seinem deutschen Pendant. Trotzdem: Bundespräsident Joachim Gauck gibt ihm aber schon einmal im Filmtrailer die höheren moralischen Weihen.

    "Man kann morgens um fünf für das neueste Gerät anstehen. Man kann aber auch einen ganzen Tag vor dem Laden protestieren gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen dort, wo diese Produkte hergestellt worden sind."