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Schnittstelle für die Kleinen

IT.- Wie kann Computertechnik Kindern mit Behinderung das Lernen vereinfachen? Ein wichtiger Schritt dorthin: sie muss personalisiert sein, also viel genauer auf die Anforderungen der jeweiligen Nutzer zugeschnitten werden.

Wissenschaftsjournalist Po Keung Cheung im Gespräch mit Manfred Kloiber |
    Manfred Kloiber: Kinder können mit Technik gestalten lernen – das ist also der Ansatz der Forscherin Anja Zeising. Doch in Bremen machten sich die rund 160 Wissenschaftler auch Gedanken um die Kinder, die durch eine Behinderung beim Lernen gehandicapt sind. Wie kann man ihnen durch besseren Einsatz von Technik das Lernen vereinfachen? Der englische Wortschatz hält hierfür einen besonderen Begriff vor: Children with special needs. Und das bringt es auf Punkt. Behinderte Kinder haben besondere Bedürfnisse, auch beim Lernen. Po Keung Cheung, welche sind das denn?

    Po Keung Cheung: Das hängt im Wesentlichen von der Art der Einschränkung ab. Da muss man unterscheiden, ob das Kind nun körperlich oder geistig behindert ist und welchen Grad der Einschränkungen haben. Anders als bei nicht-behinderten Menschen muss man hier also stärker auf die individuellen Eigenschaften der Person eingehen.

    Kloiber: Dafür gibt es ja unter den Softwaretechnikern zumindest ein Stichwort, nämlich "Personalisierung". Wichtig?

    Cheung: Ja. Sehr wichtig sogar. Ein Kind, das körperliche Handicaps hat, braucht andere Hilfen als eines mit geistiger Behinderung, das ist ganz logisch. Und bei der Entwicklung muss man sich dann eben stärker darauf konzentrieren, wie die Technik an die Bedürfnisse angepasst werden kann. Im normalen Computerleben ist es ja in der Regel so, dass dem Nutzer eine bestimmte fertige Software vorgesetzt wird und dass er sich dann in die Bedienung einarbeitet. Also er muss sich dann anpassen. Und bei den Lerntechnologien für Menschen mit Behinderungen muss man genau andersherum vorgehen. Hier muss man etwas entwickeln, das sich an den jeweiligen Benutzer anpasst. Schließlich hat dieser ja ein Handicap und kann sich nicht ohne Weiters an die Software anpassen. Und daher muss eine zugeschnittene, personalisierte Lösung her.

    Kloiber: Wie kann denn solch eine Software, eine personalisierte Software aussehen?

    Cheung: Ganz einfaches Beispiel: Ein Lernprogramm. Es merkt, dass ein Nutzer bei einer Aufgabe zögert oder überfordert ist. Dann nimmt es das Tempo oder Schwierigkeitsstufe herunter und passt sich somit an. Oder es vergrößert automatisch die Schrift oder setzt Töne ein, weil etwa derjenige, der vor dem Bildschirm sitzt, eine Sehschwäche hat. Bei hörbehinderten Kindern arbeitet die Software dann stärker visuell, beispielsweise mit Formen oder Farben. Hier greift eben die angesprochene Personalisierung. Man muss die Software entsprechend mit den Informationen über den jeweiligen Nutzer programmieren, damit sie auch richtig reagieren kann. Und ein weiterer Punkt, wichtig: Man baut eine gewisse Intelligenz ein: Das Programm lernt aus der Interaktion mit dem Nutzer und kann künftig schlussfolgern, welche Bedürfnisse erfüllt werden müssen. Das beiderseitige Lernen, das ist ein Bereich, mit dem sich die Wissenschaftler auch beschäftigen.

    Kloiber: Aber Hand aufs Herz: Das klingt ja nicht allzu neu. Grundsätzlich gibt es ja solche Funktionen schon. Worin liegt denn die derzeitige Herausforderung?

    Cheung: Das Problem ist, dass man das Ganze nicht nur rein technisch sehen darf. Klar, Hard- und Software sind soweit, um grundsätzlich das zu erfüllen, worüber wir gerade gesprochen haben. Die Herausforderung liegt darin, zu erforschen, nach welchen Kriterien man die Technik reagieren lässt. Man muss Modelle entwickeln, die dazu führen, dass auf eine Aktion auch die richtige Reaktion kommt, so dass sich auch der Nutzer verstanden und ernst genommen fühlt. Motivation ist da ein Stichwort, die Programmierung soll hier nicht einfach stumm oder statisch sein, sondern aktiv helfen. Denn Menschen sozusagen auch ein bisschen bei Laune halten. Da ist gewissermaßen Einfühlungsvermögen seitens der Technik, auch ein Stück Psychologie gefragt. Da ist also gewissermaßen Einfühlungsvermögen seitens der Technik, also Psychologie gefragt. Und wenn man das im Zusammenhang mit der Personalisierung betrachtet, dann kann man erahnen, wie komplex das Ganze eigentlich ist und dass man da nicht einfach mit einer Software aus dem Standardregal helfen kann.

    Kloiber: Und worin liegen da die größten Probleme?

    Cheung: Ich denke, dass es vor allem Schwierigkeiten bei der Interaktion zwischen Technik und Nutzer gibt. Also: Wie deutet der Computer Reaktionen? Warum zögert der Mensch bei einer bestimmten Aufgabe: Ist sie jetzt zu schwer oder ist der Nutzer vom Denkprozess langsam? Die Deutung der menschlichen Reaktion und die Implementierung der Psychologie, das sind die großen Baustellen, die großen Herausforderungen für die Wissenschaft. Und hinzu kommt, dass das Forschen dadurch schwierig ist, weil die Kommunikation nicht ohne Weiteres funktioniert. Es gibt behinderte Probanden, die sich naturgemäß nicht so ausdrücken können, wie es sich vielleicht Wissenschaftler wünschen. Da sind Rückmeldungen eben nicht so einfach. Da kann man nicht einfach sagen: "Pass mal auf, das und das geht nicht so gut und muss geändert werden". Aber diesen Menschen möchte man ja auch helfen. Da muss man eben zur Not lange beobachten und ausprobieren, bis man dann eine Lösung wirklich findet.

    Kloiber: Welchen Weg hat denn die Forschung jetzt eingeschlagen?

    Cheung: Das kann man eigentlich ganz kurz zusammenfassen: Das Idealbild sieht so aus, dass die Technik hilft, individuelle Schwächen soweit auszugleichen, dass am Ende jeder die gleichen Chancen hat. Ob behindert oder nicht behindert. Das ist das hehre Ziel der Forschung. Das wird sicher noch ein sehr langer Weg und vielleicht wird man das Idealbild in dieser Form auch nie erreichen können. Aber ich denke, dass jeder auch so kleine Schritt für die betroffenen Menschen eine sehr große positive Wirkung haben wird. Insoweit halte ich auch jeden Schritt für wichtig.