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Schulprojekt Deutschland-Niederlande
Vom Nachbarn lernen

Gemeinsam die Sprache verbessern: Das ist das erklärte Ziel von Schüler- und Lehreraustauschen zwischen deutschen und niederländischen Schulen. Die Idee ist, sich mit Gleichaltrigen in der Fremdsprache auszutauschen und die Kultur des Nachbarlandes hautnah zu erleben. Die Erfahrungen bisher: positiv.

Von Hilde Braun | 23.10.2017
    Die angehende Studentin Katarina Fenske schreibt am Dienstag (21.08.2007) daheim an ihrem Schreibtisch in Ennigerloh-Ostenfelde (Kreis Warendorf) in niederländischer Sprache auf ein Blatt Papier. Daneben ein Niederländisch-Wörterbuch und eine Karte der Niederlande mit ihrem zukünftigen Studienort Heerlen. Immer mehr Studienanfänger entscheiden sich für ein Studium in den Niederlanden. Die Zahl der deutschen Studierenden in den Niederlanden stieg, nach Angaben des Statistischen Bundesamtes allein vom Studienjahr 2005/2006 auf 2006/2007 um gut 1000 auf knapp 13 000. Foto: Friso Gentsch +++(c) dpa - Report+++
    Niederländisch verbessern - das Ziel des Kooperationsprojekts Nachbarsprache und Buurcultuur (dpa Friso Gentsch )
    Schülerinnen und Schüler der Klasse sechs der deutschen Euregio-Realschule Kranenburg in dem knapp 10.000 Einwohner großen Ort sind zu Besuch in den Niederlanden. Zusammen teilen sie sich den Klassenraum mit Schülern der weiterführenden Schule Notre Dame in Ubbergen.
    Dort sitzen sie in Vierer-Gruppen an Schultischen. Die Aufgabe: Gemeinsam ein Bilderbuch gestalten - Figuren auswählen, eine Geschichte erzählen und sie dann sie aufschreiben, auf niederländisch.
    Auch die Sprache am Schultisch ist Niederländisch. Angelina Pejic, 11, sitzt allein am Tisch mit drei niederländischen Mädchen, sie sind ein bis zwei Jahre älter als sie, denn in den Niederlanden fängt die weiterführende Schule erst in der 7. Klasse an:
    "Ja also wir müssen ein Buch schreiben, mit Bildern dazu und Figuren. Also die Figuren machen und malen und eine Geschichte schreiben. Wir haben so eine Prinzessin und eine Fee und die müssen zum Diamanten."
    Sie kommt aus einer zweisprachigen Familie. Die Verständigung ist für sie kein Problem. Anders ist es für Kilian Hieronymus, 12. Seine Eltern sind deutsch. Niederländisch ist für ihn keine Muttersprache - sondern eine Fremdsprache:
    "Das war schwer mit Holländisch, aber es hat geklappt. Es war auch witzig, wir haben immer Wörter gesagt und dann haben die es verstanden. Manchmal haben die es falsch verstanden und dann haben wir uns kaputt gelacht."
    Erste positive wissenschaftliche Ergebnisse
    Die Schule im niederländischen Ubbergen ist schon vom Gebäude her völlig anders als eine übliche typische deutsche Schule bei uns. Es gibt eine Rezeption, eine Kantine, eine gemütliche Cafeteria für die Lehrer. Jeder Schüler hat sein eigenes Schließfach vor der Klasse, wenn er möchte auch für größere Utensilien im Foyer. Hunderte Fahrräder stehen auf dem großen Fahrradparkplatz draußen. Der Schulhof ist eine Wiese, zur Pause können die Schüler aber auch auf einer Terrasse an einem kleinen See sitzen. Im ganzen Gebäude gibt es kostenfreies Wlan. Bunte Kacheln peppen Wände und Sanitärräume auf. Überall sind Glastüren.
    Die Universität Duisburg-Essen hat das Schulprojekt ins Leben gerufen, mit dem Ziel, gemeinsam voneinander zu lernen. Die Idee ist, sich mit Gleichaltrigen in der Fremdsprache auszutauschen - im Lebensalltag. Katharina Kleemann macht den Masterstudiengang Niederlande Deutschlandstudien an der Universität Münster. Sie begleitet das Projekt wissenschaftlich und hat schon erste positive wissenschaftliche Ergebnisse ausgemacht:
    "Man würde denken, dass es oft aufs Englische hinausläuft, aber das ist nicht so. Gerade hier in der Grenzregion ist es so, dass entweder auf Deutsch oder Niederländisch gesprochen wird. Und das ist wirklich sehr schön zu beobachten, wie man sich gegenseitig hilft und versucht, die Vokabeln zu umschreiben, wenn man nicht gerade darauf kommt, und das ist wirklich sehr schön zu sehen, das ist ein sehr, sehr schönes Projekt."
    Zweisprachiger Sportunterricht klappt gut
    Die Lehrer können an der jeweiligen Schule den Unterricht mitgestalten. Die Schüler sollen durch das Projekt auf das Arbeiten in Europa besser vorbereitet werden, Vorurteile sollen abgebaut werden und das europäische Zusammenwachsen gefördert werden. Im Rahmen des Förderprojektes soll der Austausch der Schulen untereinander noch verstärkt werden. Im benachbarten Kranenburg - der Partnerschule in Deutschland - ist das schon fast eine Selbstverständlichkeit. Hier findet der Unterricht in der Notre-Dame-Realschule schon zweisprachig statt, zum Beispiel im Sport: Eddie van de Sluis ist der niederländische Sportlehrer, die Klasse will Fußball spielen.
    "Fußball, ok. Jongens, vor vandaag hebben wir in de Programma stehen: Zombieball."
    Wer etwas nicht gleich versteht, fragt nach. Sportlehrer Eddie van der Sluis übersetzt auch schon mal.
    "Nein, ich habe gesagt, letzte Woche ist die letzte Woche vor die Ferien, dann können wir aussuchen was wir machen, aber für heute fangen wir an mit Zombieball."
    Bilinguales Unterrichten erfordert Zeit
    Aber nicht nur Sport wird auf Niederländisch unterrichtet, auch Mathematik beispielsweise. Der Stundenplan ist bilingual: Manche Fächer finden auf deutsch statt, manche auf niederländisch. Das gilt auch für die Schulbücher. Was so modern klingt, ist aber nicht immer einfach, erklärt Schulleiter Ulrich Falk:
    "Wir haben dafür gesorgt, dass wir im gebundenen Ganztag ganz viele Lernzeiten haben, die ja die Hausaufgaben ersetzen, um Zeit zu haben und Raum zu haben für diese individualisierten Lernwege. Denn die einen brauchen deutlich mehr Schritte im Deutschen und die anderen deutlich mehr im Niederländischen - die muss ich irgendwie begleiten! Wir haben eine ganz intensive Phase des Trainings und des Mentorats, wir haben jede Woche einen Termin mit einem Mentor. Das klappt, ist aber sehr sehr aufwendig."
    Deutscher Realschulabschluss oder niederländischer Grundschulabschluss
    Die Notre-Dame-Realschule befindet sich noch im Aufbau. Erst zwei Klassen gibt es hier: die fünfte und sechste Klasse. Da sind gleichaltrige niederländische Schüler wegen des anderen Schulsystems noch in der Grundschule in ihrem Schulsystem - deutsche Schüler dagegen bereits in der weiterführenden Schule. Dennoch: Hier lässt sich sowohl ein deutscher als auch ein niederländischer Schulabschluss machen - der deutsche Realschulabschluss oder der niederländische Grundschulabschluss. Die Kinder haben die Wahl und können dann wählen, wo sie weiter die Schule besuchen.
    Es gibt so einige Unterschiede - anders als bei uns in Deutschland werden die niederländischen Lehrer beispielsweise gedutzt.