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Schwarze Dahlie und deutsche Heimat

Brian de Palmas Film "Die Schwarze Dahlie" lief beim 63. Filmfestival in Venedig als Eröffnungsfilm. Autor James Ellroy, auf dessen Roman der Film basiert, zeigte sich mit der Umsetzung sehr zufrieden. Ein deutscher Fim ist in diesem Jahr nur im Nebenwettbewerb Horizons zu sehen: Der 4. Teil der Heimat-Fragmente von Edgar Reitz.

Interview mit Josef Schnelle |
    Karin Fischer: Cannes hat das teuerste Filmfestival der Welt, Berlin das kälteste und Venedig ohne Zweifel das Schönste: Es ist Spätsommer, die Lagune glitzert, und der morbide rosafarbene Charme der Stadt relativiert wohltuend die Grandezza auf dem Lido. Heute Abend wird die Tour d’Horizon des Weltfilmschaffens dort eröffnet, mit vielen Stars natürlich, und mit dem Film "Die schwarze Dahlie" von Brian De Palma. Man fühlt sich ein bisschen an Patrick Süskinds "Parfüm" erinnert bei dem Film. Es geht auch um eine Literaturverfilmung, in diesem Fall um einen Roman von James Ellroy; es geht um eine beachtliche Vorlaufzeit, die der Film hatte – fast 20 Jahre warteten Ellroys Fans auf den Film. Außerdem spielt die Hauptrolle, wen wundert's, eine tote Frau. Josef Schnelle ist für uns in Venedig und hat den Film gesehen, ganz einfach ist der ja nicht zu erzählen?

    Josef Schnelle: Das ist eine höchst komplexe Geschichte, sie bezieht sich auf einen spektakulären Mordfall in den 40er Jahren, einen sehr bestialischen Mord. Im Unterschied zum "Parfum" ist es dort allerdings so, dass die Geschichte von der Seite zweier Polizisten erzählt wird und nicht von dem Mörder her, und diese Geschichte, der historische Fall hat damals sehr viel Staub aufgewirbelt. Es war so der erste Mordfall, der so eine Medienbegleitung hatte, wie wir das heute bei allen spektakulären Kriminalfällen gewöhnt sind, und das war mit das Besondere daran.

    Es gibt aber noch etwas Besonderes daran: James Ellroy, der Autor der Vorlage, fühlte sich durch diesen Mord an eine sehr persönliche Geschichte erinnert, nämlich an den Tod seiner Mutter, und das hat er auch auf der Pressekonferenz mal kurz erläutert.

    Also er erzählt, dass er den Mord an der schwarzen Dahlie und den an seiner Mutter im Grunde zusammengefasst hat und lobt Bryan de Palma, dass er sich nicht genau an die Geschichte gehalten hat, sondern nur die Hauptmotive isoliert hat und dann einen ganz anderen Film gemacht hat, auch dem Film ein Ende gegeben, ein Ende, bei dem man erfährt, wer der Mörder ist, also so ein Who-done-it-Ende, und es ist eigentlich ein Film, der sich auf die Motive, sämtliche Motive des Film Noir, der schwarzen Serie bezieht. Man findet alles vor, was man da kennt aus den Filmen "The big sleep", "Chinatown" oder was immer einem so im Kopf herumschwebt. Es gibt eine Femme Fatale, es gibt ein blondes, gutes Mädchen, es gibt Sex, Gewalt, Korruption, die Mafia spielt eine Rolle, und eben diese sehr spezielle Polizeitruppe, die LAPD, die ja heute schon serienfähig ist, ja, so ein Film-Noir-Sammelsurium, wo man eben alles wieder finden kann.

    Fischer: Es ist gute Tradition in Venedig, dass das Festival zu Beginn von kulturpolitischem Rumor umgeben ist. In diesem Jahr stehen die Querelen um das neue Filmfestival in Rom dabei im Mittelpunkt. Worum geht der Streit?

    Schnelle: Ja, es geht darum, dass plötzlich Rom auf der Festivallandkarte erscheint, das ist die Hauptstadt Italiens, und ein Festival mit sehr viel Geld, mehr Geld, als hier zur Verfügung steht, und Giorgio Gosetti, der Direktor dieses neuen Festivals, hat schon damit geprahlt, fünf Filme dem Festival abgejagt zu haben, fünf wichtige Filme, so dass der Kulturminister Francesco Rutelli, der für beide Festivals natürlich Geld locker machen muss, gesagt hat, also basta, so ein Machtwort gesprochen hat, dass die Polemik doch bitte aufhören soll zwischen den beiden Festivals, das Eine sei also Rom so ein bisschen populärer, mit einem Markt auch, und das Andere eben so Venedig, Tradition und die reine Kunst, und da wäre doch viel Platz für beide Festivals, nur über die Termine müsste man sich noch mal unterhalten. Trotzdem wabert das hier so im Untergrund. Also Venedig muss schon in diesem Jahr eine starke Vorstellung hinlegen, um da auf der gleichen Augenhöhe zu bleiben.

    Fischer: Eine Frage, Josef Schnelle, die wir immer stellen müssen, auch wenn eigentlich klar ist, wie sie beantwortet wird: Was ist eigentlich mit dem deutschen Film in Venedig?

    Schnelle: Ja, wir hatten ja in diesem Jahr viele deutsche Filme in Berlin und anderswo, und jetzt ist hier mal kein deutscher Film im Wettbewerb. Das ist manche Jahre so gewesen, diesmal ist es auch so, es gibt allerdings noch Edgar Reitz mit seiner Heimatfragmente, 145 Minuten, in dem Nebenwettbewerb Horizons, und Phillip Gröning ist da in der Jury, also so ein bisschen deutsche Präsenz ist doch da, nur in diesem Jahr ist mal ein anderer Teil der Welt dran, das sollte uns jetzt nicht wirklich so aufregen.