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Sechs Frauen, sechs Lebensweisen

Ein Barmädchen, eine Politikerin, eine Ringerin oder eine Arbeitslose: Der Film "UmDeinLeben" begleitet sechs Frauen beim Kampf mit dem Alltag eines ganz normalen Großstadtlebens. Ein gelungenes Kinodebüt von Gesine Danckwart.

Von Rüdiger Suchsland | 11.07.2009
    Wo es ums Leben geht, da geht es ums Ganze. Und so suggeriert schon der Titel von Gesine Danckwarts Kinodebüt "UmDeinLeben" eine existentielle Achterbahnfahrt. Diese Achterbahnfahrt kennen wir alle. Es ist das ganz normale Leben, und so darf man sich hier auch keine spektakulären Ereignisse erwarten, sondern eher das Glück, und vor allem den Schrecken der Normalität. "UmDeinLeben" ist eine Reise ins Innere der modernen Seele, vor allem der weiblichen.

    Man lernt sechs verschiedene Frauen über 30 kennen, begleitet sie durch ihren Alltag in Berlin: Ein Barmädchen, eine Politikerin, eine Freiberuflerin, eine Großbürgerin, eine Ringerin und eine Arbeitslose. Es gibt keine Handlung im konventionellen Sinn, sondern Szenen, Situationen, die sich im Verlauf des Films wie Mosaiksteine zu einem Gesamtbild formen. Vieles spielt in öffentlichen Räumen, wie Flughäfen oder Shopping-Malls, oder anonymen Zwischenräumen wie Hotelzimmern und Taxis:

    "Nun fahren sie schon den Umweg, den ich bezahle."

    "Bis Taxifahren oder umbringen?"

    "UmDeinLeben" ist, wie man an dieser Figur der ständig taxifahrenden, ständig telefonierenden Freiberuflerin merkt, manchmal auch ziemlich witzig.

    Dies ist, in seinem schnoddrigen Ton, in der Weltläufigkeit, in seinen Schauplätzen Medien und Politik, durchaus ein typischer Berlin-Film, eine Momentaufnahme auch vom Leben in der Hauptstadt. Man merkt auch, dass er von dem besonderen Potenzial der vielen außergewöhnlichen Theaterbühnen der Hauptstadt mit ihren großartigen Darstellern inspiriert ist: Maren Kroymann, Anne Ratte-Polle, Caroline Peters, Kathi Angerer, Esther Röhrborn und Bettina Stucky spielen die Hauptrollen.

    Zugleich könnte "UmDeinLeben" aber ebenso in jeder anderen Stadt sonst spielen. Stadt muss es allerdings schon sein. Denn ein Thema dieses außergewöhnlichen Films ist Urbanität und das urbane Lebensgefühl, ist das Tempo, das Flirrende, Driftende, die Freiheit des modernen Großstadtlebens, die sehr eng mit ständiger Unsicherheit verbunden ist. Die spürt man sogar bei der Politikerin, wenn sie eine Rede einübt.

    Regisseurin Gesine Danckwart kommt vom Theater, und manchmal wirkt ihr vom ZDF-Theaterkanal co-produzierte Film, auch zu wenig filmisch, zu theaterhaft. Meistens aber gelingt der Regisseurin der unkonventionelle Umgang mit den Mitteln des Kinos sehr gut. Und gerade in seiner Verwendung des Montage-Prinzips, das hier im Zentrum steht, erweist sich "UmDeinLeben" als radikaler und spannender, als das meiste, was wir heute aus dem Kino kennen.

    "UmDeinLeben" ist ein absolut moderner Film. In seiner Ästhetik, in seinen Fragestellungen, in seiner Verbindung von cooler Ironie und Unsicherheit, von abgeklärtem Gestus und dem Suchen, das hier alles durchdringt.

    Das Suchen gilt nicht allein im Allgemeinen dem modernen Leben in den Metropolen des digitalen Kapitalismus. Es gilt auch, im Besonderen, den weiblichen Rollen in unserer Gegenwart. "Man wird nicht als Frau geboren, zur Frau wird man gemacht", schrieb, vor über 50 Jahren schon, die französische Philosophin Simone de Beauvoir in ihrem bahnbrechenden Werk "Das andere Geschlecht", das am Anfang der modernen Frauenbewegung steht.

    Danckwarts Film füllt diesen Satz mit Erfahrungen, in dem sie zeigt, was hier und heute Weiblichkeit bedeuten kann, zwischen Selbstentfaltung und Selbstfindung, nicht zuletzt auch Selbstverteidigung. Die "richtige" Rolle gibt es hier nicht, das Ich ist immer ein Anderer, und eine Frau muss, so genannte "starke Frauen" wie Madonna haben es vorgemacht, immer mehrere zugleich sein, um überhaupt zu sein.

    Damit ist "UmDeinLeben" nicht zuletzt auch ein Film über Sprache und über Sprachspiele. Das heißt über die rhetorischen Konventionen, in denen wir uns oft verlieren, oder uns auch festhalten; über Kontrolle und Kontrollverlust mit Hilfe von Worten.

    In beidem steckt Wahrheit. Dies zeigt im Film Maren Kroymann, als zunächst distinguerte Dame, die verzweifelt versucht, eine Einladung für eine Party zu bekommen. Und dann ausrastet.