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Senat vs. Hochschulrat

An nicht wenigen Hochschulen gibt es Konflikte zwischen dem Senat und den neu eingerichteten Hochschulräten, vor allem wenn es um die Besetzung der Rektorate geht. Diethard Kuhne ist selbst Hochschulrat an der Hochschule Bochum. Er plädiert für mehr Transparenz und einer verbesserten Kommunikation zwischen Hochschulrat und Senat.

Diethard Kuhne im Gespräch mit Jörg Biesler | 28.08.2008
    Jörg Biesler: Die neu eingerichteten Hochschulräte sind an vielen Universitäten Anlass für Konflikte und meist geht es dabei um die Besetzung von Spitzenämtern. An der Fachhochschule Darmstadt verhinderte der Hochschulrat im Juli die Absetzung der Rektorin durch den Senat, in Siegen wurde der vom Hochschulrat gewählte Rektor vom Senat abgelehnt und das Verfahren neu eingeleitet. Und in Düsseldorf wählte der Hochschulrat statt des amtierenden Rektors einen neuen und löste damit eine heftige Diskussion aus, in der sich der Senat in der nächsten Woche positionieren wird. Heute ist der Hochschulrat und seine Macht im Machtgefüge der Hochschule Thema einer Wissenschaftskonferenz von Hans-Böckler-Stiftung, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und Studentenwerk in Papenburg. Und einer der Diskussionsteilnehmer ist Doktor Diethard Kuhne, selbst Hochschulrat an der Fachhochschule in Bochum und ehemals Geschäftsführer der Landespersonalräte in Nordrhein-Westfalen. Guten Tag, Herr Kuhne!

    Diethard Kuhne: Einen schönen guten Tag, Herr Biesler!

    Biesler: Diese Konfliktfälle, die ich jetzt gerade geschildert habe, es sind ja keine Einzelfälle sozusagen, um die es da geht. Liegen die notwendigerweise im System aus Ihrer Erfahrung als Hochschulrat oder ließen die sich auch vermeiden?

    Kuhne: Also, sie sind im System angelegt, deswegen, weil der Hochschulrat ein Überstimmungsrecht gegenüber der Nichtbestätigung seines Vorschlages durch den Senat hat. Der Hochschulrat übernimmt das, was früher das Ministerium selbst ausgeführt hat, nämlich die Fachaufsicht über die Hochschulen. Das Ministerium beschränkt sich auf die sogenannte Rechtsaufsicht. Und indem der Hochschulrat die Fachaufsicht ausübt, ist er auch gleichzeitig oberste Dienstbehörde, was zum Beispiel bedeutet, dass der Vorsitzende des Hochschulrates gleichzeitig auch Vorgesetzter des Präsidenten oder des Rektors beziehungsweise der Rektorin ist. Und damit hat natürlich der Hochschulrat eine ganz wesentliche Funktion, insofern er auch zustimmungsberechtigt ist und auch diese Zustimmung geben muss für die Hochschulentwicklungsplanung und für den Entwurf der Zielvereinbarungen, die die Hochschule mit dem Ministerium abzuschließen hat und einige andere Punkte auch noch.

    Biesler: Die Ernennung der Hochschulräte ist ja verhältnismäßig ruhig vonstatten gegangen. Da gab es eigentlich kaum Widerspruch durch den Senat, der ja den einzelnen Hochschulräten dann auch zustimmen sollte und musste. Waren die Senate da vielleicht zu blauäugig? Haben die gar nicht geprüft, wer in einen solchen Hochschulrat berufen wird?

    Kuhne: Ich würde erst mal vermuten, dass die Senate im Vertrauen darauf, dass die auch vom Senat selbst mitbesetzte Findungskommission, die dann dem Senat einen Vorschlag für die Hochschulratsmitglieder gemacht hat, von daher vom Senat als hinreichend ausgewiesen angesehen worden sind, sodass man dann den Vorschlägen gefolgt ist. Es gab an einigen Hochschulen, wie ich erfahren habe, Diskussionen, auch über einzelne Personen, aber in den meisten Fällen sind die Wahlen beziehungsweise Bestätigungen dieser Personen durchaus unproblematisch über die Bühne gegangen.

    Biesler: Kommen wir mal zu Ihrer eigenen Hochschule, zur Fachhochschule in Bochum: Gibt es da auch Konflikte oder wie ist die Zusammenarbeit zwischen Hochschulrat und den Gremien der Hochschule?

    Kuhne: Ja, dazu muss man sagen, dass der Hochschulrat in Bochum an der Hochschule Bochum aus sechs Mitgliedern besteht, die alle extern sind, drei davon aus dem Wissenschaftsbereich, drei, könnte man sagen, aus dem Bereich der Wirtschaft. Und diese extern gewählten Personen sind also sofort der Auffassung gewesen, dass es erforderlich sei, sich dem Senat vorzustellen, und zwar ganz ausdrücklich, und auch in der Weise, dass eine offizielle Senatssitzung dazu genutzt wurde, die Hochschulratsmitglieder vorzustellen und die Probleme, die aktuell in der Hochschule Bochum virulent sind von den zuständigen Senatorinnen und Senatoren erzählt und berichtet zu bekommen. Ich bin darüber hinaus dann selbst auch, habe ich mich zur Verfügung gestellt für die Personalvertretung und andere Interessensvertretungen als Ansprechperson innerhalb des Hochschulrates für den Fall, dass Probleme auftreten, die vielleicht mithilfe des Hochschulrates etwas befördert werden können in der Lösung.

    Biesler: Sie plädieren also für ein, sage ich mal, partnerschaftliches und hochkommunikatives Verhalten des Hochschulrates.

    Kuhne: Genau so.

    Biesler: Ist das denn an den anderen Universitäten nicht passiert oder liegt das jeweils an den Einzelpersönlichkeiten sozusagen der Mitglieder des Hochschulrates, ob die es wollen oder ob die es nicht wollen?

    Kuhne: Also, die Gesetzesbestimmung ist, dass der Hochschulrat nicht öffentlich tagt. Andererseits hat er aber die Gelegenheit und auch die Möglichkeit, sich in alle Vorgänge der Hochschule einzumischen beziehungsweise sich darüber informieren zu lassen. Und deswegen kommt es jetzt darauf an, wie sehen die Mitglieder des Hochschulrates diese Spanne an Möglichkeiten für sich selbst? Ich habe den Eindruck, kenne das allerdings nur aus Zeitungsberichten in der Hauptsache, dass etwa in Siegen die Zusammenarbeit zwischen Hochschulrat und Senat überhaupt nicht geklappt hat, dass dort mangelhafte Kommunikation stattgefunden hat und dass auf die Art und Weise Möglichkeiten verspielt wurden, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Ich denke, dass auch an anderen Hochschulen, wo inzwischen Präsidenten- beziehungsweise Rektorenwahlen gewesen sind, häufig der Hochschulrat sich ein wenig das Leben schwer gemacht hat dadurch, dass er nicht hinreichend viel Informationen an die Senatsmitglieder weitergegeben hat, auch über diejenigen, die nicht in die nähere Wahl gezogen, aber sich wohl beworben hatten. Und das macht auf Seiten des Senates selbstverständlich eine schlechte Stimmung, denn sie brauchen unbedingt diese Informationen, um überhaupt eine ordentliche Abwägung vornehmen zu können, ansonsten würden sie zu reinen Zustimmungsorganen verkommen und das wäre dem, was der bisherige Senat konnte, insbesondere in Bezug auf die Präsidentenwahl, äußerst nachteilig.

    Biesler: Das heißt, es gibt aus Ihrer Perspektive nur zwei Möglichkeiten, wie man das Problem jetzt lösen kann. Entweder man reformiert das Hochschulfreiheitsgesetz, das den Hochschulrat sozusagen als wesentliches Entscheidungsgremium an den Hochschulen festlegt, oder die Hochschulräte gleichen sozusagen die Fehler des Gesetzes durch eigenes Verhalten aus.

    Kuhne: Genau so würde ich das sehen. Ich denke, dass wenn mehr Transparenz zwischen dem, was der Hochschulrat tut und dem was die Hochschulmitglieder mitbekommen, gegeben ist und zusätzlich kommunikative Wege und Instrumente eingeführt werden, die die Informationsmöglichkeiten erhöhen, dann wird der Hochschulrat, meiner Auffassung nach, nicht unbedingt zu einem abgehobenen Gremium verkommen, wie zu befürchten ist in einigen Situationen, sondern kann dann seine Funktion auch sachdienlich und sachgerecht besser durchführen.

    Biesler: Doktor Diethard Kuhne, Hochschulrat der Fachhochschule Bochum zu den Konflikten zwischen Hochschulräten und Senaten. Vielen Dank!