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Senken in der Stadt

Klimaforschung. - Das Globale Kohlenstoff-Projekt hat eine der letzten Lücken in der Welt-Bestandsaufnahme des Kohlenstoffkreislaufs geschlossen: Das internationale Forschungsprojekt hat jetzt in "Science" Zahlen zur Senke Wald vorgelegt.

Von Volker Mrasek |
    18 Autoren stehen über dem frisch veröffentlichten Artikel im Fachmagazin "Science". Zusammen haben sie so viele Daten über die Kohlenstoff-Bilanz von Wäldern zusammengetragen und analysiert wie nie zuvor. Wieviel Kohlendioxid Bäume aus der Atmosphäre aufnehmen, sei nun endlich für praktisch die ganze Welt bekannt, sagt Pep Canadell, Ökologe und Exekutivdirektor des Globalen Kohlenstoff-Projektes. Es hat sein Büro im australischen Canberra:

    "Zum ersten Mal können wir ziemlich genau sagen, wie groß der Kohlenstoff-Speicher aller Wälder auf der Erde ist. Und wieviel CO2 sie aufnehmen. Nach unseren Kalkulationen ist es fast ein Drittel der Kohlendioxid-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger. Jedes Jahr."

    Damit kühlen die Wälder der Erde das Klima stärker als erwartet, wie die Forscher schreiben. Grundsätzlich ist es so: Das CO2, das Bäume in ihre Biomasse einbauen, steht nicht mehr zur Verfügung, um als Treibhausgas die Erdatmosphäre aufzuheizen. In Nordamerika, Europa und Russland nimmt die Waldfläche seit Jahren wieder zu. In Tropenländern dagegen wird immer noch kräftig gerodet und CO2 aus Bäumen dadurch wieder frei. Ausgerechnet dort bestanden bisher die größten Datenlücken. Mit ihrer neuen Studie legen Canadell und seine Ko-Autoren jetzt aber auch eine Kohlenstoff-Bilanz für die Entwaldung in den Tropen vor. Sie stützen sich dabei auf Wald-Inventuren und Satellitenmessungen ...

    "Über Entwaldung wird schon lange geredet, aber wir hatten nie verlässliche Daten, die uns zeigten, wieviel Kohlendioxid dadurch wirklich frei wird. Jetzt können wir sagen, daß es rund drei Milliarden Tonnen jährlich sind. Wir haben immer geglaubt, es sei viel weniger."

    Zum Teil wird dieser Kohlenstoff-Verlust aber auch wieder ausgeglichen:

    "Zu unserer Überraschung sehen wir eine sehr große Kohlenstoff-Senke in wiederbewaldeten Gebieten der Tropen. Ziemlich oft ist es so, daß auf gerodeten Flächen nur vorübergehend Landwirtschaft betrieben wird und sie anschließend wieder verwildern. Der Wald kehrt dann zurück. Wie wir feststellen können, sind diese Flächen wichtige Senken für Kohlenstoff. Sie nehmen sehr viel CO2 aus der Atmosphäre auf."

    Der Schutz von Wäldern sei klimapolitisch sinnvoll, ja sogar sinnvoller als bisher vermutet. Dieses Fazit ziehen die Wissenschaftler aus ihren Analysen.

    In unseren dicht bebauten Städten ist eine Rückkehr des Waldes zwar nicht vorstellbar. Aber auch dort könnten mehr Bäume die CO2-Bilanz aufhellen und zum Klimaschutz beitragen. Das ist das Ergebnis einer anderen neuen Studie. Britische Forscher wählten dafür Leicester in Mittelengland als Modell, eine Stadt mit 300.000 Einwohnern. Dort inspizierten sie jede vorhandene Grünfläche. Zoe Davies, Ökologin an der Universität Kent:

    "Dies ist das erste Mal, daß so etwas in Europa gemacht wird. Wir haben untersucht, wieviel Kohlenstoff im Stadtgrün gebunden ist: in Wiesen, Büschen und Bäumen. Das Ergebnis: Der urbane Kohlenstoff-Pool ist viel größer als bisher angenommen, vor allem wegen der Stadtbäume. Man sollte ihn in Zukunft managen. In Leicester zum Beispiel sind zwei Drittel der Grünflächen Wiesen. Wenn man nur jede zehnte von ihnen mit Bäumen bepflanzte, könnte man den städtischen Kohlenstoffspeicher um zwölf Prozent erhöhen. Das wäre doch schon etwas!"

    Auch hier sagen die Forscher, das sei sinnvoll. Weil es auf jede noch so kleine Maßnahme ankommen dürfte, um unsere ehrgeizigen Klimaschutzziele in Zukunft zu erreichen.