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Serie Nikolaus von Kues (Teil 4)
Ungeliebte Kirchenreformen und die Eroberung Konstantinopels

Der Religionsphilosoph Nikolaus von Kues, auch Cusanus genannt, musste sich zunehmend mit seinen Kritikern auseinandersetzen. Währenddessen unternahm er Reisen im Auftrag des Papstes, erlebte die Eroberung Konstantinopels und stellte die Existenzberechtigung "heidnischer" Religionen infrage.

Von Rüdiger Achenbach | 24.07.2014
    Deutschland - Rheinland-Pfalz - Bernkastel-Kues an der Mosel, Ortsteil: Kues, Sankt-Nikolaus-Hospital u. Weinkulturelles Zentrum (Cusanusstift), Darstellung des Nikolaus von Kues am Eingang zum Hospital
    Im 15. Jahrhundert hatte Nikolaus von Kues zeitlebens mit seinen Kritikern zu kämpfen. (picture alliance / dpa / Friedel Gierth)
    "Immer noch herrscht diese Sekte des Aristoteles! Es gibt eben Menschen, die geben eher ihr Leben her als auf ihre Denkgewohnheiten zu verzichten."
    Cusanus reagierte gereizt auf seine Kritiker unter den Scholastikern an den Universitäten. Er war verärgert, dass die Anhänger des Aristotelismus sich nicht die geringste Mühe gaben, seine Schriften zu verstehen, ihn aber trotzdem heftig kritisierten. Einer der wenigen, die sich ausführlich mit Cusanus' Schriften beschäftigt hatten, war der Heidelberger Theologieprofessor Johannes Wenck gewesen. Wenck hatte bei seiner vernichtenden Kritik schwere Geschütze aufgefahren und Cusanus sogar als Häretiker und Pantheisten beschimpft.
    Cusanus zur Kritik der Scholastiker
    Cusanus, der als Kardinal inzwischen auf dem Höhepunkt seiner kirchenpolitischen Laufbahn angekommen war, hatte Wenck zunächst nicht antworten wollen, aber da sich immer wieder neue Kritiker auf Wenck beriefen, entschloss er sich dann doch direkt auf den Heidelberger Professor zu reagieren. Vor allem wollte er richtigstellen, dass Wenck ihn für Dinge kritisierte, die er so gar nicht geschrieben hatte:
    "Dieser Wenck scheint wenig gelesen und noch weniger verstanden zu haben. Und er verwirrt sich selbst, indem er Nichtgeschriebenes als Geschriebenes tadelt."
    Direkt an Wenck gerichtet, macht er noch einmal deutlich, dass volkstümliche Konzepte für philosophische Fragen über göttliche Inhalte einfach untauglich seien. Das größte Problem der aristotelischen Verstandesphilosophen sei aber, dass sie die Begriffe, die sie sich ausgedacht hätten, mit der Realität gleichsetzten. Gebetsmühlenartig wiederholt Cusanus deshalb eine für ihn grundsätzliche Voraussetzung im Umgang mit göttlichen Inhalten:
    "Versteht doch endlich, Gott ist weder dies noch das. Gott ist das Sein von allem, aber ohne irgendein Ding zu sein."
    Er fordert die Scholastiker dazu auf, endlich den "simplen" Theismus aus der Theologie zu vertreiben.
    "Wer Gott mit Begriffen zu einem Ding machen will, der kann ihn nur verfehlen. Auf diesem Weg kommt man nicht weiter."
    Denn alle positiven Gottesnamen, wie Herrscher, Vater oder Sohn, die sich auf Kreaturen beziehen, bedürfen auch der Korrektur, um nicht im Götzendienst zu versinken. Man braucht deshalb auch immer die negative Theologie, nach der man von Gott nur sagen kann, was er nicht ist, um die Verdinglichungen Gottes korrigieren zu können.
    Genau hier bringt er dann wieder sein Koinzidenzdenken, das "Zusammenfallen der Gegensätze" ins Spiel. Denn gerade diese Methode des Denkens verhindere doch, dass man Gott vulgär als Kreatur oder Ding denke und vermeide gleichzeitig auch, dass man Gott mit der Welt identifiziere.
    "Johannes Wenck muss wissen, dass ich niemals behauptet habe, dass Gott und die Welt zusammenfallen."
    Anknüpfung an Meister Eckhart
    Dass Wenck ihm das vorgeworfen habe, sei nur so zu erklären, dass der Heidelberger Professor auch das Koinzidenzdenken überhaupt nicht verstanden habe. Aber etwas anderes hatte Johannes Wenck durchaus sehr scharfsinnig erkannt, nämlich dass Cusanus bei manchen seiner Überlegungen an Meister Eckhart anknüpfte. Obwohl Cusanus aus gutem Grund darauf verzichtet hatte, den Namen Eckhart überhaupt ins Spiel zu bringen. Denn eine Reihe von Meister Eckharts Thesen waren immerhin 1329 von Papst Johannes XXII. als häretisch verurteilt worden. Für die Theologie an den Universitäten war Eckhart deshalb zum Tabu geworden.
    Im Antwortschreiben an Johannes Wenck, erwähnt Cusanus nun erstmals einige Stellen, bei denen er sich auf Meister Eckhart bezogen und die er bisher verschwiegen hatte. Der Philosophiehistoriker Kurt Flasch:
    "Er zitiert und verteidigt Meister Eckhart. Doch wie er das macht, ist merkwürdig. Aus öffentlichen Bibliotheken solle Eckhart entfernt werden, denn er sei nichts für gewöhnliche Studierende. Denn für diese weiche Eckhart zu sehr von den Gewohnheiten der anderen Lehrer ab."
    Cusanus macht also keinen Hehl daraus, dass Meister Eckhart durchaus Neues und auch Außergewöhnliches gelehrt hatte. Denn Eckhart habe eine höhere Stufe der Einsicht erlangt, die nicht für jedermann zugänglich sei.
    Zu diesen Gelehrten gehörten für Cusanus natürlich die Scholastiker an den Universitäten, denn die hielten geradezu verbissen an überlieferten dogmatischen Formeln fest. Dazu kam aber auch, dass der erstarrte scholastische Lehrbetrieb an den Universitäten sehr eng mit der Institution Kirche verwachsen war.
    Auch wenn Cusanus und seine Freunde in der Kirche und an den Universitäten für Reformen im Sinne des Humanismus eintraten, mussten sie dabei behutsam vorgehen und auf Zeit und Diplomatie setzen, denn der größte Teil der Theologieprofessoren und ein beträchtlicher Teil der kirchlichen Hierarchie waren gegen solche Reformen.
    Reisen im Auftrag des Papstes
    Diplomatisches Geschick wurde von Cusanus auch bei seinen Aktivitäten in der Kirchenpolitik verlangt. Dazu gehörten zum Beispiel auch seine Reisen im Auftrag des Papstes nach Deutschland. Cusanus hatte unter anderem die großen Reichstage in Mainz, Frankfurt und Nürnberg besucht, um die deutschen Fürsten von ihrer neutralen Haltung gegenüber den Konziliaristen abzubringen. Denn damals tagte in Basel immer noch ein übrig gebliebener, beharrlicher Teil des Konzils.
    Nach langwierigen Verhandlungen war es Cusanus schließlich gelungen, mit den Fürsten ein Konkordat abzuschließen, das dem Papst in Rom weiterhin bestimmte Rechte im Reich zusicherte und den Gegenpapst der Konziliaristen ablehnte. Diesen Vereinbarungen hatte sich auch Kaiser Friedrich III. angeschlossen. Für Cusanus war das ein kirchenpolitischer Erfolg auf der ganzen Linie. Das Schrumpfkonzil der Konziliaristen musste sich nun auflösen und der Gegenpapst Felix V. abdanken.
    Im Sommer 1450 gönnte Cusanus sich dann nach zahlreichen Reisen endlich eine Ruhepause. Da in Rom wegen der nahegelegenen pontinischen Sümpfe im Sommer ein ungesundes Klima herrschte, zog der päpstliche Hof traditionell in dieser Zeit aufs Land. Cusanus nutzte diese Gelegenheit, um sich eine gewisse Zeit ausschließlich seinen philosophischen Studien zu widmen. Er setzte sich nun auch immer häufiger mit Problemen der Naturwissenschaften auseinander. Hans Gerhard Senger, Cusanus-Forscher an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften:
    "Cusanus versprach sich davon exaktere Erkenntnisse über die natürliche Welt, als sie aus dem Bücherwissen gewonnen werden konnte."
    Auseinandersetzung mit der Vernunft
    In seinem Hinterkopf geht es dabei natürlich auch immer noch um die Auseinandersetzung mit den Scholastikern. Die ihrerseits allein auf den Verstand, die Ratio, vertrauen.
    Natürlich gesteht auch Cusanus dem Verstand zu, das man mit dessen Hilfe, ordnen kann, was die Sinne wahrnehmen. Aber die Scholastiker übersehen dabei, dass man dabei auch Täuschungen ausgesetzt ist, weil Naturdinge einem ständigen Wandel unterworfen sind.
    Deshalb brauche man auch die Vernunft, den intellectus, mit dem man den Verstand übersteigt. Denn der Intellekt ist ein Auge für das Wesentliche, aber in den herkömmlichen Wissenschaften bekam er nichts zu sehen und war daher leer. Cusanus bleibt bei dieser Vorstellung völlig der neuplatonischen Ideenlehre verhaftet.
    "Im Intellekt liegt ein unzerstörbares Vorwissen. Wenn wir das nicht hätten, würden wir uns gar nicht erst auf die Suche nach etwas begeben."
    Man kann also nur nach etwas suchen, weil es davon ein Vorwissen im Intellekt gibt.
    "Wenn wir etwas finden, denn wüssten wir ohne das Vorwissen nicht, ob das Gefundene auch wirklich das Gesuchte ist."
    Bei diesem Vorwissen handelt es sich aber nicht um irgendein Wissen von Tatsachen. Es ist vielmehr eine intuitive Einsicht, die es möglich macht, Zusammenhänge zu durchschauen. Es ist eine eigene Methode des Denkens, das sich vom diskursiven Denken grundsätzlich unterscheidet.
    Um noch einmal zu verdeutlichen, dass die Vernunft bisher in der Wissenschaft vernachlässigt worden war, führt Cusanus nun ausgerechnet die Figur des Laien ein, also eines Mannes ohne Universitätsstudium. Den lässt er in einem Dialog mit einem Gelehrten auftreten. Fazit des Gesprächs ist:
    "So ein Gelehrter ist wie ein Pferd, das an der Krippe festgebunden ist, es frisst nur, was es vorgesetzt bekommt."
    Deshalb wird zum Beispiel der aristotelische Universitätslehrer niemals wirklich zur Erkenntnis der Dinge gelangen, es sei denn, er reißt sich wie das Pferd von diesem Halfter los. Das heißt, er muss sich von vorgegeben Autoritäten befreien und sich für neue Formen des Denkens öffnen. Kurt Flasch:
    "Cusanus hat in diesem Zusammenhang den Laien erfunden, um seine Distanz zum Universitätswissen zu markieren. Aber der Laie greift nicht nur allein die eingeschliffene Tradition der aristotelisierenden Universitätstradition an, er wendet sich auch gegen das neue Unwesen der Überschätzung der Rhetorik. Was ihn daran stört, ist deren Breite und die überflüssige Ausschmückung."
    In der Tat schwärmen inzwischen nicht wenige Humanisten, die wie Cusanus die Scholastik als überholt ablehnten, für die antike Rhetorik und meinen, nun ganz auf die Philosophie verzichten zu können. Diese Vorstellung lehnt Cusanus grundsätzlich ab.
    Cusanus wieder in Deutschland
    Nachdem dann einige Wochen der Sommerfrische in den italienischen Marken vorüber sind, ist Cusanus wieder auf dem Weg nach Deutschland. Papst Nikolaus V. hatte 1450 zum Heiligen Jahr erklärt. Der deutsche Kardinal soll deshalb im Reich den Jubiläumsablass verkünden. Außerdem beabsichtigt Cusanus in Deutschland und den angrenzenden Gebieten, Reformen in der Kirche durchzuführen. Was sich allerdings als nicht einfach erwies.
    Erfolgreich war er eigentlich nur bei den Benediktinern, mit deren Spiritualität ihn viel verband. Sie waren auch eifrige Leser seiner Schriften. Mit den Mönchen am Tegernsee entwickelte sich sogar ein regelmäßiger Briefverkehr.
    Ebenfalls mit der Absicht zu reformieren, zog der Kardinal dann auch 1452 zum ersten Mal ins Bistum nach Brixen, zu dessen Bischof er ernannt worden war. Der Philosophiehistoriker Norbert Winkler:
    "Allerdings war die Einsetzung in dieses Amt mit einem Geburtsfehler behaftet, denn sie erfolgte kraft königlicher Belehnung gegen den erklärten Willen des Domkapitels."
    Kaum in Brixen angekommen, ging er sehr energisch gegen den Verkauf von kirchlichen Ämtern vor. Außerdem studierte er eifrig die alten Akten des Bistums, um herauszufinden, welche früheren Privilegien der Bischöfe inzwischen abgeschafft worden waren, um sie wieder einfordern zu können.
    "Hier leistet Cusanus, der von der Macht des überkommenen Rechts überzeugt war, Erstaunliches, um den Säkularitätsbestrebungen des Herzogs Einhalt zu gebieten."
    Mit diesen Aktivitäten machte er sich in Tirol erwartungsgemäß keine Freunde. Herzog Sigmund war nicht bereit, sich in irgendeiner Weise in seine landesherrliche Herrschaft hineinreden zu lassen. Aber auch die Kleriker unterstützten ihren neuen Bischof nicht. In einem Brief aus dieser Zeit an einen Freund spricht Cusanus seine Probleme offen an:
    "Meinem Domkapitel gefällt mein Eifer nicht. Alle scheinen sich gegen meinen heiligen Vorsatz zu verschwören. Die Drohungen der Adeligen nehmen zu. Der Herzog tut so, als wüsste er von nichts und begünstig die Gegner."
    Besonders die adeligen Ordensfrauen vom Kloster Sonnenburg und ihre Äbtissin Verena ließen Cusanus seine bürgerliche Herkunft spüren und straften den Emporkömmling mit Verachtung. Der Herzog hielt sich allerdings mit einer offenen Gegnerschaft zurück, denn er hoffte insgeheim darauf, dass der Bischof, um dessen Kasse es gut bestellt war, ihm mit einem Kredit aushelfen könne.
    Sultan Mohammed II. erobert Konstantinopel
    Dann plötzlich kam eine Meldung aus dem Osten, die alle aufschrecken ließ, und vorläufig von den Querelen in Tirol ablenkte. Sultan Mohammed II. hatte Konstantinopel erobert. Das war der Beginn des Untergangs des christlichen byzantinischen Reiches.
    Der Humanist und Cusanus-Freund Enea Silvio Piccolomini, der spätere Papst Pius II., schrieb nun an Nikolaus V. in Rom und forderte den Papst auf, sofort etwas gegen die Türken zu unternehmen, bevor diese die gesamte christliche Welt bedrohten. Dieser Meinung schloss sich auch Cusanus an, als er von der Eroberung Konstantinopels erfuhr. Er reagierte sofort in einer Predigt in der Domkirche zu Brixen auf das Ereignis.
    Cusanus über das Heidentum
    Der Tenor dieser Predigt war eindeutig. Durch Christus sind die anderen Religionen überflüssig geworden. Denn Christus vereinigt in sich sowohl, das jenseitige Wesen, das die Juden anbeteten und auch die vergöttlichte Natur, welche die Heiden der Antike verehrten. Kurt Flasch:
    "Er argumentiert, alle Vernünftigkeit, die je im jüdischen und heidnischen Kult vorhanden war, findet sich in Christus. Wenn also ein Jude oder ein Heide sich weigert, Christ zu werden, dann verlässt er den wahren Kern seiner eigenen Religion. Denn Christus ist nichts anderes als die Vereinigung unserer menschlichen Natur mit dem unsterblichen göttlichen Wesen."
    Um die Vertreter der verschiedenen Religionen darüber aufzuklären, verfasst Cusanus umgehend die Schrift "de pace fidei", "Über den Frieden im Glauben". Sie soll ein gegenseitiges Abschlachten im Namen Gottes verhindern. Tilman Borsche, Professor für Philosophie an der Universität Hildesheim:
    "Auf die Eroberung Konstantinopels findet Cusanus keine politische Antwort mehr. Er kann nur noch mit der Feder reagieren. Die Ereignisse nötigen ihn zu religionsphilosophischen Betrachtungen. Und so entwirft er ein Programm eines künftigen weltweiten Religionsfriedens."
    "Wenn einige Philosophen aus allen Religionen zusammenkommen, werden sie in ihren Gesprächen schnell erkennen, dass die Riten in ihren Religionen verschieden sind, aber dass sie alle die eine Religion meinen. Die Frommen glauben oft, sie erweisen Gott einen Dienst, wenn sie die anderen gewaltsam bekehren und Hartnäckige umbringen, aber sie täuschen sich."
    In diesem Sinne verfasst er seine Schrift "Über den Frieden im Glauben" als Bericht eines Unbekannten, der ein Religionskonzil im Himmel beschreibt.
    Dort haben sich Vertreter aller Religionen mit Petrus und Paulus versammelt und erörtern die Vielfalt ihrer religiösen Riten, um letztlich die eine wahre und universelle Religion zu ermitteln, an der sie alle teilhaben. Diese eine universelle Religion ist für Cusanus ohne Zweifel das Christentum, in dem alle Religionen an ihr eigentliches Ziel kommen. Karl Jaspers:
    "Weil Cusanus meint, keine Religion könne zum Frieden führen, die nicht im Glauben an den Gottmenschen gründet, kann er zu Sätzen kommen, die ihrerseits den Frieden faktisch ausschließen. Er spricht vom missklingenden Aberglauben der Sarazenen, die die Gottheit Christi leugnen. Und auch die Juden sind für ihn von derselben teuflischen Blindheit geschlagen. Das ist in der Tat keine Toleranz."
    Im Laufe der Jahre fällt dann sein Urteil über den Islam immer härter aus. Und auch gegenüber seinen zeitgenössischen Juden verhielt er sich weniger verständnisvoll als er dies im Blick auf die Israeliten in der alttestamentlichen Zeit tat. Kurt Flasch:
    "Was im Himmel der Ideen galt, galt für ihn noch lange nicht auf dieser Erde. Hier galten Gesetze, zum Beispiel auch, dass Juden eine Art Judenstern zu tragen hatten. Cusanus hat immer wieder versucht, diese alte Vorschrift des Laterankonzils von 1215 durchzusetzen."
    Cusanus hält an seinen Thesen fest
    Im Bistum Brixen hatte sich inzwischen die Situation nicht entschärft. Im Gegenteil. Cusanus beanspruchte jetzt – mit Berufung auf alte Privilegien des Bischofs von Brixen - nicht nur geistliche, sondern auch weltliche Rechte. Herzog Sigmund lehnte dies kategorisch ab. Und als ihn dann auch noch der Adel unter Druck setzte, sah der Herzog sich schließlich gezwungen, sogar mit militärischen Mitteln gegen den Bischof vorzugehen.
    Cusanus fürchtete um sein Leben. Im Juli 1457 floh er in die Dolomitenburg Buchenstein, wo er bis zum Sommer des folgenden Jahres wie ein Gefangener festsaß. Die Situation schien ausweglos. Aber Cusanus war nicht bereit zu kapitulieren. Da erreichte ihn ein Brief seines alten Freundes Enea Silvio Piccolomini, der inzwischen als Nachfolger von Nikolaus V. zum Papst gewählt worden war. Und was der neue Papst Pius II. schrieb, war unmissverständlich:
    "Eines Kardinals Vaterstadt ist Rom allein. Unpassend ist jede Entschuldigung. Komm also, ich beschwöre dich, komm. Denn deine Kraft darf nicht eingeschlossen in Schnee und dunklen Tälern dahinsiechen."
    Dieses Schreiben war zwar eine gut gemeinte Einladung des alten Freundes Piccolomini, aber es war auch der Befehl des Papstes, der einen Kardinal nach Rom zurückrief.