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Seuchen-Alarm in Großbritannien

Biologie. - Lange Jahre ist es ruhig geblieben, doch jetzt bedroht erneut der Erreger der gefürchteten Maul- und Klauenseuche MKS die britische Landwirtschaft. Nachdenklich stimmt indes der Verdacht, das Virus könne aus Versuchslabors stammen. Der Chef des Friedrich-Löffler-Instituts für Tiergesundheit auf der Ostsee-Insel Riems, Professor Thomas Mettenleiter bezieht im Gespräch mit Arndt Reuning Stellung.

    Arndt Reuning: Herr Professor Mettenleiter, wie wahrscheinlich ist es denn, dass ein Virus aus einem Labor entkommt?

    Thomas Mettenleiter: Es kann natürlich nie ausgeschlossen werden. An der Stelle dort sind zwei Labore: Zum einen das Institute for Animal Health, das in Pirbright lokalisiert ist, und zum zweiten eben ein Produktionsbetrieb der Firma Merial. Und insbesondere bei der Impfstoffproduktion werden natürlich große Mengen Viren hergestellt, die dann inaktiviert werden und als Impfstoff verwendet werden, und da kann es immer wieder mal sein, dass solche Viren auch entkommen können. Man hat weder Mensch noch Technik 100 Prozent im Griff.

    Reuning: Aber Sie sagen ja, es sind abgeschwächte Viren, um Impfstoffe herzustellen. Wie gefährlich sind denn solche inaktive Stämme?

    Mettenleiter: Die inaktiven Stämme sind selber völlig ungefährlich, aber das sind keine abgeschwächten Viren, sondern das ist ein Isolat, das 1967 bei einem Ausbruch von Maul- und Klauenseuche in Großbritannien gewonnen wurde. Das ist also immer noch ein Virus, das hoch ansteckend ist und das auch krank machend ist, sonst wären ja diese Fälle gar nicht aufgetreten.

    Reuning: Welche Sicherheitsauflagen müssen diese Labore denn erfüllen?

    Mettenleiter: Diese Labore, genauso wie die Produktionsstätten, man muss da wirklich unterscheiden zwischen den beiden, haben die gleichen Sicherheitsauflagen. Es ist so, dass hier die Abluft durch Hochleistungsschwebstofffilter gefiltert werden muss, Personal darf diese Labore nur nach komplettem Kleidungswechsel und einer entsprechenden Dusche verlassen, Material verlässt diese Laboratorien nur nach entweder einer thermischen oder chemischen Inaktivierung. Das heißt also, dadurch soll sicher gestellt sein, soweit man das kann, dass hier auch keine Entweichung stattfindet.

    Reuning: Wie könnte es nun doch zu so einer Schwachstelle gekommen sein?

    Mettenleiter: Also weder die Technik, noch der Mensch ist zu 100 Prozent beherrschbar in diesem Fall. Ich kann es hier natürlich nicht sagen und auch nicht irgend ein Ergebnis der Untersuchung vorwegnehmen, an welcher einzelnen Stelle hier möglicherweise eine Schwachstelle war, aber dass so etwas immer wieder einmal vorkommen kann, zeigt uns auch die Vergangenheit. Man muss sich einfach vorstellen, man arbeitet in diesen Laboren mit großen Mengen dieser für Tiere hoch gefährlichen Erreger und da ist natürlich auch ein Entweichen nicht hundertprozentig ausgeschlossen.

    Reuning: Sie sprechen es an, ein Blick in die Geschichte, wann ist so etwas denn schon einmal vorgekommen?

    Mettenleiter: Der letzte MKS-Ausbruch in Deutschland geschah 1988 in der Nähe von Großburgwedel, auch dort ist das Virus aus einem Produktionsbetrieb, aus einem Firmenbetrieb, entfleucht. Also es ist einfach nicht zu 100 Prozent auszuschließen, das muss man bei der Herstellung solcher Impfstoffe natürlich immer mitberücksichtigen.

    Reuning: Ihr eigenes Institut, das Friedrich-Loeffler-Institut, Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, liegt ja auf einer Insel. Bietet so eine Inselsituation einen besonderen Sicherheitsvorteil?

    Mettenleiter: Die Insel wurde am Anfang des vorigen Jahrhunderts als Standort für das Institut gewählt, weil eben damals Sicherheitsvorkehrungen, die wir heute haben, noch nicht zur Verfügung standen und es deshalb zu Ausbrüchen von MKS in der Umgebung von Greifswald, wo Friedrich Loeffler seine Versuche durchgeführt hat, gekommen ist. Heutzutage ist eine Insellage sicherlich nicht mehr absolut essentiell, aber wir haben immer die Meinung vertreten, wenn es die Möglichkeit gibt, dann sollte man solche Insellagen natürlich auch für solche Institute verwenden.

    Reuning: Insgesamt also keine deutliche Bedrohungssituation durch irgendwelche Versuchs- oder Produktionsanlagen?

    Mettenleiter: Eine akute Bedrohungssituation für uns kann ich zumindest nicht sehen, aber ich kann mich nur wiederholen, man kann es nie hundertprozentig ausschließen.