Montag, 13. Mai 2024

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Sexuelle Orientierung
Bei Käfern profitieren die Schwestern von Männerliebe

Zwischen ein und sieben Prozent der Männer lieben Männer. Bei Tieren verhält sich der Prozentsatz ebenso. Aus Sicht der Evolution ist Männerliebe ein Rätsel, denn dadurch vermehren sich die Individuen nicht. Schwedische Forscher haben aber in einer Studie gezeigt, dass bei Käfern die Schwestern und Tanten von der Männerliebe profitieren.

Von Volkart Wildermuth | 13.05.2016
    Speisebohnenkaefer
    Ein Speisebohnenkäfer (imago stock&people)
    Aus Sicht der Evolution ist die Homosexualität ein Rätsel.
    "Die Frage ist doch: Warum ist Homosexualität nicht längst ausgestorben, sie vermehrt sich ja nicht. Und gleichwohl finden wir überall in allen Kulturen immer wieder Homosexualität."
    Der Kieler Sexualmediziner Prof. Hartmut Bosinski weiß, dass je nach Definition zwischen einem und sieben Prozent der Männer Männer lieben. Das gilt im Übrigen auch für viele Tierarten.
    "Das schönste Beispiel sind die Schafe, wo sieben Prozent der Schafböcke schwul sind."
    Verhalten der Samenkäfer
    Sexuelle Kontakte zwischen Männchen gibt es auch bei vielen Insekten, bei manchen Arten sind sie sogar ebenso häufig, wie Paarungen zwischen Männchen und Weibchen. Der Evolutionsbiologe Dr. David Berger untersucht an der Universität Uppsala das Verhalten der Samenkäfer.
    "Sie besteigen manchmal andere Männchen, betasten sie mit ihren Antennen. Und wenn der Partner nicht wegläuft versuchen sie sogar, ihren Penis einzuführen. Der hat Spitzen und verhakt sich dabei gelegentlich, das ist dann ein großes Problem. Sie zeigen also das gleiche Verhalten gegenüber Männchen, wie sonst bei Weibchen. Diese Männchen machen das wohl nicht gezielt. Vielleicht glauben sie einfach nur, dass es sich da um ein Weibchen handelt."
    Den gleichgeschlechtlichen Paarungsversuchen könnte also schlicht eine Verwechslung zugrunde liegen. Deshalb vermeidet David Berger hier auch den Begriff Homosexualität. In seinem Labor hat er gezielt Käferlinien gezüchtet, bei denen sich die Männchen besonders häufig anderen Männchen nähern. Im Lauf von drei Generationen nahm die Zahl der gleichgeschlechtlichen sexuellen Kontakte immer weiter zu. In der Studie lag der Fortpflanzungserfolg der Männchen in diesen Linien etwas niedriger.
    "Den stärksten Effekt haben wir aber bei den Weibchen dieser Zuchtlinien gesehen. Die haben mehr Eier gelegt und mehr Nachwuchs gehabt, als andere Weibchen. Also man kann sagen, Weibchen, deren Brüder dieses gleichgeschlechtliche Verhalten zeigen, profitieren indirekt davon."
    Nicht nur das Sexualverhalten hat sich geändert
    Die Ursache vermutet David Berger in den Genen. Genvarianten, die das Verhalten der Männchen beeinflussen, helfen offenbar gleichzeitig den Weibchen. Wie? – das ist noch unklar. Fest steht nur, in dem Zuchtexperiment hat sich nicht nur das Sexualverhalten verändert, sondern beispielsweise auch die generelle Aktivität der Tiere und ihr Unterscheidungsvermögen. Was auch immer dahinter steht, das Ergebnis von David Berger bietet eine weitere Erklärung für das evolutionäre Rätsel des gleichgeschlechtlichen Verhaltens.
    "Wenn wir so ein Verhalten bei einem Geschlecht sehen, und es nicht verstehen, dann sollten wir auch darüber nachdenken, was die entsprechenden Gene im anderen Geschlecht machen. In unserem Fall können wir sagen, aha dieses Verhalten sehen wir in den Männchen, weil die Gene gut für die Weibchen sind."
    Ein solch indirekter Vorteil könnte auch bei der menschlichen Homosexualität eine Rolle spielen, meint Hartmut Bosinski.
    "Es gibt sehr interessante Untersuchungen vor allem von einer italienischen Arbeitsgruppe, die inzwischen von anderen Gruppen bestätigt wurden, die festgestellt haben, dass in der mütterlichen Linie männlicher Homosexueller mehr Kinder geboren werden."
    Die Tanten und Schwestern schwuler Männer haben mehr Nachkommen und das erklärt wenigstens zum Teil, wie die Männerliebe in der Evolution Bestand haben konnte.
    Programmtipp:
    Wissenschaft im Brennpunkt am 16. Mai 2016 - "Homo, Sex und DNA – Neues zur gleichgeschlechtlichen Liebe"