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Softes Plasma

Sterne, Blitze oder Polarlichter - sie alle bestehen aus einem Plasma. So nennt der Experte einen gasähnlichen Materiezustand, in dem derart viel Energie steckt, dass ein Großteil des Gases stark elektrisch geladen ist. Wie man diesen Extremzustand bändigen und für die Technik nutzbar kann, diskutieren Physiker auf einer Tagung in Kiel.

Von Frank Grotelüschen | 30.03.2011
    "Schon seit vielen Jahrzehnten versucht man, Plasmen für Anwendungen zu zähmen. Jede Leuchtstoffröhre ist eine Plasmalampe", "

    sagt Achim von Keudell, Physikprofessor an der Ruhruniversität Bochum. Eine Leuchtstoffröhre enthält nur wenig Gas, man kann fast schon von einem Vakuum sprechen. Eine elektrische Spannung lädt dieses verdünnte Gas auf und verwandelt es so in ein Plasma. Wenn sich dieses Plasma entlädt, leuchtet es und erzeugt Licht. Ganz ähnlich funktioniert ein Plasmabildschirm, wie er heute in manchem Wohnzimmer steht. Ein Plasma dagegen, das in normaler Umgebung existiert, also bei Atmosphärendruck, gab es lange Zeit nur in einer Form:

    " "Ein Schweißbrenner ist auch ein Plasma, ist aber sehr heiß. Und man würde nie wagen, etwas sehr Kompliziertes mit diesem Schweißbrenner zu machen."

    Mittlerweile aber haben die Experten eine Technik entwickelt, mit der sich ein kaltes Plasma erzeugen lässt, und zwar ohne Vakuum: Sie nehmen zwei kleine Elektroden, höchstens einen Millimeter voneinander entfernt. Durch den Zwischenraum lassen Sie Gas strömen. Setzt man dann die Elektroden unter Spannung, wird das Gas elektrisch aufgeladen, und heiße und energiereiche Elektronen werden freigesetzt. Die verbleibenden Gasatome dagegen sind, im Gegensatz zum Schweißbrenner, relativ kalt. Und weil sich das alles auf kleinstem Raum abspielt, sprechen Achim von Keudell und seine Kollegen von Mikroplasmen.

    "Mikroplasmen haben den Vorteil, dass sie in viele technische Prozesse einfach integriert werden können, weil sie bei Normaldruck betrieben werden können. Normalerweise waren Plasmen immer Unterdruck-Prozesse. Das heißt, Sie müssen ein Bauteil, was sie behandeln wollen, in eine Vakuumkammer einschleusen, zumachen, abpumpen und das Plasma erzeugen. Das kann man jetzt weglassen."

    Ein bewährtes Einsatzfeld der Plasmatechnik ist die Materialbearbeitung. Schon lange lassen sich per Plasma Oberflächen kratzfest machen. Denn die Teilchen in einem Plasma sind sehr reaktiv und können chemische Prozesse auslösen, mit deren Hilfe eine kratzfeste Beschichtung entsteht.
    Die Mikroplasmen versprechen neue Anwendungen.

    "Ein Beispiel ist Verklebung von Autoscheinwerfern. Da hat man Kunststoffe, und die wollen nicht aufeinander kleben. Da fährt eine kleine Plasmadüse am Rand dieses Scheinwerfers entlang und tut die vorbereiten vor dem Klebeschritt. Und dann ist der Scheinwerfer perfekt verklebt."

    Der feine Plasmastrahl aus der Mikrodüse macht den Kunststoff an den entscheidenden Stellen haftfähig, und zwar punktgenau. Ein zweites Beispiel: die Behandlung von Getränkeflaschen aus dem Kunststoff PET.

    "Die ist nicht dicht gegenüber Durchgang von CO2. Wenn sie eine PET-Flasche lange hinstellen, ist die Kohlensäure draußen. Es gibt Anstrengungen, diese Kunststoffe durch eine glasartige Schicht zu veredeln, damit das CO2 nicht mehr rauskommt. Das möchte man dünn herstellen, möchte man billig herstellen."

    Mit herkömmlichen Plasmen klappt das im Prinzip zwar schon, ist aber noch zu teuer. Mit Mikroplasmen hoffen die Forscher, die Plastikflaschen künftig einfacher und billiger beschichten zu können. Und schließlich soll die Technik auch in Arztpraxen Einzug halten, und zwar für die Desinfizierung von akuten und chronischen Wunden.

    "Mit einem Schweißbrenner würden Sie es nicht machen. Aber so ein Mikroplasma können Sie anfassen. Diese Mikroplasmen erzeugen Reaktivteilchen und wirken antibakteriell, können also Keime abtöten, sodass sie die Wundheilung beschleunigen."

    Der Arzt würde dabei einfach eine Art Plasmastift über die Wunde fahren. Gegen diesen Plasmaangriff könnten die Keime - anders als bei einem Antibiotikum - keinerlei Resistenzen entwickeln. Noch aber gibt es Forschungsbedarf: Denn noch ist nicht auszuschließen, dass die Mikroplasmen auch gesundes Gewebe schädigen, weil sie zu viel Ozon oder UV-Strahlung erzeugen. Aufschluss bringen sollen klinische Studien. Doch bis die Resultate auf dem Tisch liegen, werden noch einige Jahre vergehen.