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Sonnenschein im Wohnzimmer

Technik. - Leuchtstoffröhren in Großraumbüros liefern stets das gleiche monotone Licht, was vielen auf den Biorhythmus schlagen kann. Forscher aus Greifswald stellen jetzt eine Leuchte vor, die ihr Spektrum im Laufe des Tages verändern kann. Der Wissenschaftsjournalist Frank Grotelüschen berichtet im Gespräch mit Gerd Pasch.

30.03.2009
    Grotelüschen: Ja das habe ich zunächst auch gedacht, aber das hat durchaus eine wissenschaftliche Basis. Und zwar ändert sich das Sonnenlicht mit der Tageszeit: Mittags treffen die Sonnenstrahlen von oben auf die Erdatmosphäre, sie legen also eine relativ kurze Strecke durch Lufthülle zurück. Abends fällt das Licht etwas schräg auf die Atmosphäre und hat einen viel längeren Weg vor sich. Dabei bleiben dann die blauen Lichtanteile auf der Strecke, denn die Luftmoleküle in der Atmosphäre streuen das blaue Licht deutlich stärker als das rote Licht. Das Entscheidende ist jetzt Folgendes: die tagtägliche Änderung des Sonnenlichts beeinflusst unseren Hormonhaushalt. Solange wir dem blauhaltigen Tageslicht ausgesetzt sind, wird die Ausschüttung eines Schlafhormons unterdrückt, und zwar das Hormon Melatonin. Und erst abends, wenn das Blau aus dem Sonnenlicht verschwindet, öffnet der Körper sozusagen die Melatoninschleusen und wir werden müde. Und genau diesem Umstand tragen Leuchtstoffröhren bislang keine Rechnung, denn sie haben immer einen gewissen Blauanteil in ihrem Spektrum. Das kann dann unter Umständen zu einer unerwünschten Melatoninhemmung in den Abendstunden führen und das gilt dann vor allem für Menschen, die den ganzen Tag bei einem Kunstlicht arbeiten, also in Büros oder im Supermarkt, und das kann dann unter Umständen, so sagen die Experten, den natürlichen Schlaf-Wachrhythmus stören und unsere innere Uhr durcheinander bringen.

    Gerd Pasch: Wie soll denn eine solche dynamische Lampe funktionieren, die abends nicht ungewollt wach macht?

    Grotelüschen: Dieser Frage widmet sich ein Projekt des Instituts für Plasmaforschung und -technologie in Greifswald, der Berliner Charité-Klinik und einiger Unternehmen aus der Lampenbranche. Und zwar haben die Experten zunächst einmal einen Prototypen entwickelt für eine Lampe, die kaum noch Blauanteile ausstrahlt. Das basiert auf einer neuen Leuchtstoffbeschichtung, die das blaue Licht effektiv herausfiltern kann. Und tatsächlich, Versuche haben gezeigt, dass dieser neue Prototyp die Ausschüttung von Melatonin nicht behindert. Und um nun eine Lampe zu bekommen, die sich dann dem Tagesverlauf anpasst, bauen die Forscher zwei verschiedene Röhren in ein Gehäuse ein. Die eine Röhre hat einen Blauanteil, ganz normal und ist für tagsüber, und die andere ist eben diese neue Röhre ohne Blauanteil für abends. Und eine intelligente Steuerung soll diese beiden Lampen im Laufe des Tages gegeneinander dimmen, das heißt tagsüber wäre man dem Licht der blauen Lampe ausgesetzt, abends dann sozusagen in dem Licht der Schlaflampe.

    Pasch: Wie weit sind denn die Forscher? Wann könnte diese Lampe marktreif sein?

    Grotelüschen: Also marktreif könnte ein solches Produkt schon in zwei Jahren sein, wobei aber noch etwas unklar ist, wie genau man so eine Lampe eigentlich auslegen muss, damit sie auch wirklich effektiv arbeitet. Da ist nämlich noch etwas Grundlagenforschung nötig, um da die genauen Werte herauszubekommen. Und diese Leuchten werden natürlich auch etwas teurer sein, aber dafür bekommt man zu jeder Tageszeit das günstigste Licht, versprechen die Forscher. Sie hoffen langfristig auf einen Marktanteil von immerhin zehn Prozent.

    Pasch: Wer dürfte dann am ehesten von so einer Lampe profitieren?

    Grotelüschen: Am ehesten wohl Leute, die wirklich den ganzen Tag unter hellem Kunstlicht arbeiten, also typischerweise die Verkäuferin im Supermarkt. Bei solchen Leuten ist die Gefahr am stärksten, dass die innere Uhr durcheinander kommt durch so eine unnatürliche Beleuchtung, die werden dann abends unter Umständen einfach nicht müde. Aber man muss natürlich sagen, dass unsere innere Uhr natürlich nicht alleine von dieser Lichtfarbe abhängt, sondern auch von vielen anderen Faktoren wie etwa der Lichtstärke. Und dann wäre dann natürlich noch die individuelle genetische Veranlagung zum Beispiel zum Frühaufsteher oder zum Langschläfer. Der Frühaufsteher wird abends sowieso schnell müde, da dürfte die Lichtfarbe eine untergeordnete Rolle spielen. Anders bei Leuten, die eher zu den Langschläfer zählen und die abends vielleicht tatsächlich Einschlafstörungen haben - für die könnte so ein Entwicklung interessant sein. Oder ich könnte mir auch vorstellen, dass diese Lampen nützlich sind, um nach einer Fernreise möglichst schnell wieder in den neuen Tag-Nach-Rhythmus zu kommen.