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Sorge um den deutschen Wein

Ein Aufschrei der Empörung ging durch die Reihen der deutschen Winzer, als die Kommission der Europäischen Union die Eckpunkte für eine Reform der EU-Weinmarktordnung veröffentlichte. In aller Schärfe würden diese Vorschläge abgelehnt, erklärte der Deutsche Weinbauverband. Unter anderem wird eine subventionierte Vernichtung von Kulturlandschaften befürchtet.

Von Anke Petermann | 30.06.2006
    Manubach – ein 400 Einwohner-Dörfchen am Mittelrhein. Von einstmals 200 Genossenschaftswinzern überlebten den Verfall der Fassweinpreise keine zehn, eine Handvoll Privatwinzer bewirtschaftet Kleinstflächen im Nebenerwerb - wie das dänische Winzerehepaar, das vor fünf Jahren anfing, auf Manubacher Steillagen Qualitätswein anzubauen. Vivi Hasse deutet auf eine Wiese neben ihrem Weinberg:

    "Es ist eigentlich ein Weinberg, den man genauso wie unsere hätte auf Qualität aufputschen können, das heißt mehr Natürlichkeit einbringen, mehr Kräuterbewuchs, dann wäre es auch gelaufen, aber im Moment gibt es ja Förderung, auch wenn man Weinberge ausreißt, und dann ist es einfacher, sich für diese Sachen zu entscheiden. Auch gute Weinberg–Steillagen, die werden rausgerissen, nur weil man ein bisschen Geld kriegen kann, und das sind nicht die schlechten Lage, die jetzt verschwinden, da sind auch gute bis sehr, sehr gute dabei."

    Stilllegung von Steillagen im Oberen Mittelrheintal, das die UNESCO auch wegen des Weinbaus zum Welterbe erkoren hat - und das mit Hilfe von EU- Geldern – das sei "staatsfinanzierte Vernichtung von Kulturlandschaft", meinen die dänischen Neuwinzer. Wenn die EU-Kommission jetzt vorschlägt, die Flächenstilllegung auszuweiten, hat sie jedoch nicht die 13 deutschen Anbaugebiete im Auge, die großenteils längst den Weg von der Masse zur Klasse zur eingeschlagen haben und nicht verantwortlich sind für die Weinseen. Das vorgeschlagene Programm zur freiwilligen Rodung von 400.000 Hektar in fünf Jahren gegen eine Prämiensumme von 2,4 Milliarden Euro wird hierzulande die Stilllegung nicht nennenswert forcieren. Dennoch: einerseits Rodungen zu belohnen, andererseits zuzulassen, dass europäische Winzer Weine aus importierten Mosten aus Nicht-EU-Ländern herstellen, das bringt die Deutschen auf die Barrikaden. Gunther Hiestand, Nachwuchswinzer im rheinhessischen Guntersblum, ist Bundesvorsitzender der Deutschen Landjugend:

    "Das dramatische wäre das, dass wir in Europa unser Produktionspotenzial zurückfahren, aber auf der anderen Seite aus anderen Ländern Moste einkaufen, die dann unter einer europäischen Bezeichnung verkauft werden können. Wir subventionieren im Endeffekt ausländische Weinerzeuger, dadurch dass wir unsere Flächen zurückfahren und die Moste aus Drittländern zulassen."

    "Die EU verkauft ihre Erzeuger an die Produzenten in Übersee", schimpft der Deutsche Weinbauverband in Bonn, Hiestand stimmt vollen Herzens zu. Die deutschen Jungwinzer verlangen mit Blick auf die Sonderrolle der nördlichsten Anbaugebiete in der EU mehr Entscheidungsbefugnisse für die nationalen Regierungen:

    "Für Länder wie Spanien, Frankreich, Italien ist die Rodung bestimmt ein interessanter Weg. Für Deutschland wäre vielleicht die Umstrukturierung oder die verstärkte Investition ins Auslandsmarketing viel interessanter."

    In den Weinbauregionen sehen das Politiker aller Couleur ähnlich. Der Mainzer SPD-Ministerpräsident Beck würde EU-Gelder gern investieren, um den Anbau in den spektakulären Steillagen an Mosel und Mittelrhein zu unterstützen. Sie stärken vor allem als Touristenziele das Einkommen dieser Regionen. Begrüßenswert findet Beck, dass die Subventionen für die so genannte Übermengen-Destillation gekürzt oder gestrichen werden sollen. Derzeit wendet die EU eine halbe Milliarde Euro jährlich auf, damit nicht absetzbare Massenweine in Industriealkohol umgewandelt werden. Deutsche Winzer greifen darauf nur noch in seltenen Krisenjahren zurück. Doch in den südeuropäischen Ländern werden Weine teilweise ohne Absatzchancen angebaut, das Einstreichen der Subvention ist von vornherein einkalkuliert. Zuvor wird der Alkoholgehalt der Billigware durch Zugabe von Konzentrat zum Most künstlich erhöht - wiederum mit Subventionen. Wegen dieser Missstände will die Kommission nun auch den Deutschen das Traditionsverfahren verbieten, dem Most vor der Gärung Zucker zuzusetzen. Die Winzer, ob Öko- oder konventionell, schäumen:

    "Ich verstehe auch nicht ganz, was die Kommission für Probleme damit hat, gerade in Bezug auf Deutschland. Wir in Deutschland können die Weine, die angereichert werden, absolut absetzen – zu guten Preisen."