Dienstag, 19. März 2024

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SPD-Politiker verteidigt Ankauf von Steuer-CDs

Den Ankauf von illegal beschafften Steuerdaten aus der Schweiz hält der haushaltspolitische Sprecher der SPD Carsten Schneider weiterhin für legitim. Seine Begründung: Das geplante Steuerabkommen sei "nicht in Ordnung" und habe "Schlupflöcher" für Steuerhinterzieher aufgemacht.

Carsten Schneider im Gespräch mit Christiane Kaess | 01.09.2012
    Christiane Kaess: […]Jetzt schaltet sich Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ein, sie will jetzt wiederum die Datenhehlerei per Gesetz unterbinden und eine entsprechende Gesetzesinitiative auf den Weg bringen. Kurz vor der Sendung habe ich mit Carsten Schneider gesprochen, er ist haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Ich habe ihn zuerst gefragt, ob ihn die Ankündigung der Justizministerin überrascht hat.

    Carsten Schneider: Ja, es ist eine weitere Form der Eskalation. Die Justizministerin geht damit einen weiteren Schritt ab, um eine Zustimmung letztendlich der SPD auch für ein gerechtes Steuerabkommen in der Schweiz zu erreichen, und sie macht sich mehr oder weniger zum Handlanger derjenigen, die über Jahrzehnte Steuern hinterzogen haben in der Schweiz.

    Kaess: Auf der anderen Seite könnte man sagen, die Taktik der SPD, das Abkommen mit der Schweiz zu unterbinden und auf dem Weg des Ankaufs der Daten-CDs Geld einzutreiben, wäre damit aber auch gescheitert.

    Schneider: Na, warten wir erst mal ab, ob sich die CDU denn tatsächlich auch diese Form des Schwarzgeldhinterzieherschutzes zu eigen macht. Da muss man schon eine Mehrheit für haben, das sehe ich noch nicht. Und ich muss auch wirklich feststellen, dass die FDP sich immer mehr entwickelt zu einer Partei, wo die Steuerhinterzieher das Klientel bilden und nicht diejenigen, die solide ihr Geld versteuern in Deutschland, und darum geht uns. Dass jetzt letztendlich Leute, die in den Staatsanwaltschaften und in den Finanzämtern dafür zuständig sind, diese Schweizer Konten aufzudecken und die Leute letztendlich haftbar zu machen, dass die jetzt kriminalisiert werden von der Bundesjustizministerin, das ist ein Unding, und es führt sicherlich nicht dazu, dass es zu einer Deeskalation kommt.

    Kaess: Aber was den Kauf der Steuerdaten betrifft, das ist ja nichts Neues. Frau Leutheusser-Schnarrenberger – um es mit Ihren Worten zu sagen – bezeichnet das als hoch problematischen Graubereich, nicht nur ethisch-moralisch, sondern auch juristisch, und deshalb müsse nun rechtlich überprüft werden, wie das geregelt werden kann. Diese Argumentation sehen Sie nicht ein?

    Schneider: Nein, die sehe ich gar nicht ein, weil die Bundesregierung, der ja Frau Leutheusser-Schnarrenberger angehört, bis vor Kurzem selbst noch die Daten-CDs miterworben hat. Und wir haben ja dazu auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass das für rechtens erklärt hat. Von daher kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, wo auf einmal juristische Schwierigkeiten herkommen sollen. Es ist okay und hat vor allen Dingen gewirkt, das ist ja der entscheidende Punkt. Wir haben so viele Selbstanzeigen gehabt und über zweieinhalb Milliarden Euro Mehreinnahmen in den vergangenen ein, zwei Jahren erzielt mit den wenigen CDs, die wir erworben haben, und ich finde, das ist der beste Schutzschild des Staates gegen diejenigen, die sich vom Acker machen und in Deutschland eben nicht ihre Steuern ans Finanzamt […].

    Kaess: Ja, aber die Einnahmen hätten Sie ja mit dem Abkommen auch, also warum lieber mit halblegalen Mitteln Geld von Steuerhinterziehern eintreiben als mit einem legalen Abkommen mit der Schweiz?

    Schneider: Ja, weil das Abkommen nicht in Ordnung ist. Zum großen Teil hat es Schlupflöcher, die aufgemacht wurden – ich kann Ihnen zwei Punkte nennen: Das erste ist, dass die Banken in der Schweiz letztendlich die Steuerabführung machen, also diejenigen, die bisher die Steuerhinterziehung betrieben haben und beraten haben, sollen jetzt mehr oder weniger der Finanzbeamte Deutschlands sein, das geht nicht. Der zweite Punkt ist die Abschleichfrist. Diejenigen, die ihr Geld jetzt in der Schweiz haben, haben noch mehrere Monate Zeit, das wegzubringen, bevor letztendlich dieses Abkommen greift und die Dinge auch besteuert werden. Und der dritte Punkt ist der Steuersatz. Sie sind deutlich begünstigt, wenn sie ihr Geld jahrelang in der Schweiz hatten, anstelle es in Deutschland zu versteuern, und ich finde, da müssten sie letztendlich einen höheren Satz haben, wenn sie das Geld bisher hinterzogen haben.

    Kaess: Aber dann noch mal nachgefragt: Also weiterhin ist Ihre Position, lieber mit halblegalen Mitteln das Geld zurückholen als mit einem legalen Abkommen, das eventuell auch Schlupflöcher beinhaltet?

    Schneider: Nein, es ist ja nicht halblegal …

    Kaess: Das sieht die Justizministerin offensichtlich schon so – die FDP nennt den Ankauf der Daten-CDs schlichtweg Hehlerei.

    Schneider: Gut, ich mache mir das nicht zu eigen, im Gegenteil, ich finde, das sind […] Fragen Sie die die deutsche Steuergewerkschaft, deren Chef sagt, das ist absolut in Ordnung, die brauchen auch diese Mittel, um der Steuerhinterziehung Herr zu werden. Ich finde, dass die Steuerhinterziehung in Deutschland in diesem Fall mehr als illegal ist, und darum sollte sich die Justizministerin kümmern und nicht [um] Steuerbeamten noch letztendlich Steine in den Weg zu legen.

    Kaess: Und die Haltung der Schweiz, für die der Kauf der CDs ebenso Hehlerei ist und sogar Wirtschaftsspionage, wie das jetzt von einem Anwalt in der Schweiz formuliert worden ist, der Finanzminister Walter-Borjans in Nordrhein-Westfalen deshalb angezeigt hat. Also die Haltung der Schweiz, die ist Ihnen egal?

    Schneider: Nein, überhaupt nicht. Ich finde, die Schweiz, wenn sie es ernst meint – und ich denke, das ist auch durchaus gewillt von eben einem Teil des Geschäftszweigs, den sie über Jahre hatten, nämlich eben eine Oase für deutsche Steuerhinterzieher, aber vor allen Dingen auch für Schwarzgeld aus anderen Teilen der Welt, in vielen Bereichen auch organisierte Kriminalität […]. Wenn sie das nicht mehr wollen, auf die weiße Liste kommen wollen, dann gilt das, sage ich ganz klar, herzlich willkommen. Und ich würde überhaupt nicht die gesamte Schweizer Bevölkerung in Geiselhaft nehmen für das Geschäft einiger Banken. Die SPD zum Beispiel in der Schweiz, die lehnt dieses Steuerabkommen auch ab, die Jugendorganisation sagt, das ist immer noch nicht weitgehend genug in der Legalität, dass jeder seine Pflichten letztendlich einem Land gegenüber hat. Und wie gesagt, ich kann die Justizministerin nicht verstehen, bisher hat sie selbst den Ankauf von CDs mitbetrieben, mitgenehmigt im Bundeskabinett, und ich weiß nicht, wo sie jetzt auf einmal Illegalität da sieht oder Halblegalität, dann hätte sie es vorher auch nicht tun dürfen.

    Kaess: Die Meinung von Carsten Schneider, er ist haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Vielen Dank für das Interview, Herr Schneider!

    Schneider: Danke Ihnen!

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.