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Speichertechnik läuft rund

Zu den ältesten technischen Errungenschaften der Menschheit gehört das Schwungrad. In der Antike hat es geholfen, Töpferscheiben in Bewegung zu halten. Später im Zeitalter der Industrialisierung brachte James Watt seine Dampfmaschinen mit rotierenden Metallrädern auf eine gleichmäßige Leistung. Und auch heute noch geben Schwungmassenspeicher ein attraktives Forschungsobjekt ab - zur Stabilisierung von Stromnetzen.

Von Arndt Reuning | 26.09.2007
    Mit Elektrizität ist es wie mit Wein: Es gibt verschieden Qualitäten. Die Spannung und die Frequenz in unserem Stromnetz können schwanken. Manchmal bloß für die Dauer von Sekunden. Die Versorgungsqualität auch über kurze Zeitabstände hinweg ist in den vergangenen Jahren aber immer wichtiger geworden. Wenn die Spannung für die Dauer eines Lidschlages einbricht, dann flackert eben nicht nur einfach das Licht.

    "Rechnergesteuerte Produktionsanlagen stürzen schlicht und einfach ab, beispielsweise. Das heißt, ich habe dann die Situation, dass ich eine ganze Charge zum Beispiel in Ausschuss produziere. Oder denken Sie an das Beispiel Banken, Versicherungen, die große Rechenzentren betreiben. Diese Rechenzentren sind beispielsweise alle extrem empfindlich gegen Versorgungsunterbrechungen. Wenn so ein Großrechner dann ausfällt, und die Konten werden alle gelöscht, dann ist der Folgeschaden also ungeheuer groß, so dass es fast zu einer Katastrophe dann führt."

    Wolf Rüdiger Canders ist Professor an der Technischen Universität Braunschweig. Mit seinen Mitarbeitern zusammen entwickelt er einen Stromspeicher, der vor einem kurzzeitigen Stromausfall schützen soll. Ein Schwungrad, das seine Bewegungsenergie in Sekundenbruchteilen wieder in Strom umwandeln kann. Doch im Moment stehen noch die Einzelteile in der Versuchshalle in Braunschweig. Ein mannshoher silberner Zylinder zum Beispiel.

    "Das ist jetzt ein Edelstahlbehälter. In diesen Edelstahlbehälter, der dann als Vakuumbehälter dient, wird dann der gesamte Versuchsaufbau eingebaut."

    In diesem Zylinder steht das Rad nicht aufrecht, sondern es liegt auf der Seite wie ein Mühlstein. Der Schwungkörper selbst besteht aus einem Kunststoff, der mit Kohle- und Glasfasern verstärkt worden ist. Ein Elektromotor soll ihn auf Touren bringen, gut 10-tausend Umdrehungen in der Minute. Dadurch wird der Speicher aufgeladen. Canders:

    "So, wenn ich jetzt den Speicher entladen will, dann muss ich ihn abbremsen. Und dann wird die Energie, die dabei entzogen wird, in elektrische Energie umgewandelt und ins Netz zurück gespeist."

    Der Motor verwandelt sich dann in einen Generator und kann blitzschnell eine vergleichsweise hohe Leistung von zwei Megawatt bereitstellen. Allerdings nur für ungefähr zwanzig Sekunden, dann ist der Speicher leer, das Schwungrad steht. Damit es die Energie aber nicht schon vorher verliert, durch Reibung, haben sich die Braunschweiger Forscher etwas besonderes einfallen lassen: Zum einen dreht sich das Rad in der Vakuumkammer aus Edelstahl, muss also nicht gegen den Luftwiderstand ankämpfen. Und zum anderen haben die Forscher um Wolf Rüdiger Canders ein berührungsloses Radlager konstruiert. Es besteht aus einem Dauermagneten und einer supraleitenden Keramik.

    "Und diese Keramik hat eine besondere Kristallstruktur, die unterhalb der sogenannten Sprungtemperatur den Elektronen freies Durchgleiten durch die Kristallstruktur ermöglicht und damit die Supraleitung überhaupt erst herstellt. Im normalen Zustand ist das Material eher ein Isolator."

    Verwandelt sich die Keramik in einen Supraleiter, dann hat das unter anderem zur Folge, dass sie den Dauermagneten abstößt. Beide Komponenten, im Radlager auf unterschiedlichen Seiten angebracht, halten so das Rad in der Schwebe. Der Nachteil dabei ist die Kühlung.

    "Ich muss es sehr tief runterkühlen, ungefähr minus 200 Grad Celsius. Dann sind die supraleitenden Eigenschaften voll ausgeprägt, und der Effekt ist voll wirksam."

    Das Abkühlen auf diese tiefe Temperatur verbraucht natürlich Energie. Trotzdem schneiden die Schwungräder der kommenden Generation in der Energiebilanz immer noch besser ab als diejenigen, die heutzutage schon benutzt werden. Bei denen geht zehnmal mehr Reibungsenergie verloren als bei dem Schwungrad aus Braunschweig.