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Stabile Wärmepumpe

Klima.- Von einem zum anderen Jahr kann der Golfstrom stärker oder auch schwächer werden. Vorhersagen ließ sich sein launisches Verhalten bislang nicht. Nun präsentieren Hamburger Klimaforscher im Fachmagazin "Science" ein Verfahren, mit dem sich die Schwankungen des Golfstroms treffsicher prognostizieren lassen.

Von Frank Grotelüschen | 06.01.2012
    Die Atlantikzirkulation sorgt unter anderem für Dürren in der Sahelzone, aber auch für angenehme Temperaturen in Westeuropa.
    Die Atlantikzirkulation sorgt unter anderem für Dürren in der Sahelzone, aber auch für angenehme Temperaturen in Westeuropa. (Jan-Martin Altgeld)
    Warmes Wasser hin, kaltes Wasser zurück. So funktioniert in aller Kürze die Atlantikzirkulation. An der Meeresoberfläche fließt der Golfstrom von Amerika nach Europa. Dann sinkt das Wasser im Nordatlantik ab und fließt in der Tiefe zurück nach Amerika. Eine gewaltige Umwälzbewegung, die unser Klima maßgeblich prägt, sagt Johanna Baehr vom Institut für Meereskunde an der Universität Hamburg.

    "Die Stärke der Umwälzbewegung hat Auswirkungen auf die Oberflächentemperatur des nordatlantischen Ozeans und damit auch auf die Häufigkeit von tropischen Wirbelstürmen, zum Beispiel Hurrikans."

    Ferner sorgt die Atlantikzirkulation für Dürren in der Sahelzone, aber auch für angenehme Temperaturen in Westeuropa. Doch was die Forscher noch gar nicht so lange wissen: Die Zirkulation schwankt. Sie variiert mit den Jahren und kann mal schwächer, dann wieder stärker ausfallen. Um diese Wankelmütigkeit möglichst treffsicher vorauszusagen, warfen die Forscher um Daniela Matei vom Max-Planck-Institut für Meteorologie ihre Superrechner an.

    "Wir verwenden ein Computermodell, das das Geschehen in der Atmosphäre koppelt mit den Prozessen im Ozean. In dieses Modell haben wir Werte für Meerestemperaturen und Salzkonzentrationen eingegeben, wie sie für die letzten zehn Jahre typisch waren. Dann starteten wir die Simulation auf unseren Rechnern. Die Ergebnisse sind ziemlich ermutigend: Unser Modell kann vorhersagen, wie sich die Atlantikzirkulation in den nächsten Jahren verhalten wird. Konkret heißt das: Bis 2014 bleiben Atlantikzirkulation und Golfstrom weitgehend konstant und ändern sich kaum."

    Eine durchaus beruhigende Nachricht. Denn im Frühjahr 2010 hatte es so ausgesehen, als würde die Zirkulation nachlassen. Manche werteten das schon als Zeichen einer dauerhaften Abschwächung oder gar eines Versiegens des Golfstroms, und zwar als mögliche Folge des Klimawandels. Doch heute ist klar: Das Nachlassen der Zirkulation vor zwei Jahren war nichts anderes als ein Intermezzo, hervorgerufen durch kurzzeitige Störungen in der Atmosphäre.

    Was aber macht Johanna Baehr und ihr Team so zuversichtlich, dass ihr Modell tatsächlich treffsicher ist? Nun: Sie haben es sorgfältig getestet, indem sie – quasi im Nachhinein – Vorhersagen für die vergangenen zehn Jahre berechneten und dann mit realen Messdaten verglichen.

    "Wir haben ein gewisses Vertrauen darin, weil wir es in der Vergangenheit überprüft haben und bisher eine Übereinstimmung gesehen haben. Aber tatsächlich wird man wie bei jeder Wettervorhersage auch die Übereinstimmung erst im Nachhinein richtig feststellen können, ob's denn genauso gestimmt hat."

    Nun wollen die Klimaforscher ihr Modell weiter verfeinern, um Golfstrom und Atlantikzirkulation nicht nur für die nächsten drei oder vier Jahre vorhersagen zu können, sondern deutlich länger.

    "Echte Vorhersagen werden im Bereich von einer Dekade liegen. Alle theoretische Studien zeigen, dass zwei Dekaden das absolute Maximum sind. Darüber hinaus kann man Trend-Aussagen treffen. Wir machen dann Prognosen, wo man sagt: Es wird dann vermutlich 30 Prozent schwächer sein als jetzt. Das sind viel allgemeinere Aussagen. Die beziehen sich nicht mehr auf einzelne Jahre."

    Da der Golfstrom ja so wichtig ist für unser Klima, könnte das Hamburger Computermodell auch für etwas anderes taugen als die Golfstrom-Prognose: Es könnte der langfristigen Wettervorhersage auf die Sprünge helfen.

    "Man muss sagen, dass diese jahreszeitlichen Vorhersagen im Moment nur von sehr begrenzter Qualität sind. Wenn Sie vier verschiedene Modelle fragen, ist es sehr wahrscheinlich, dass man vier verschiedene Antworten kriegt. Wir sind dabei, das Modell zu verändern, dass man auch für Zeiträume von einigen Monaten bis hin zu einem Jahr die saisonalen Vorhersagen besser machen kann."

    Dann wird man vielleicht genauer sagen können als bisher, wie der nächste Sommer wird: trocken und heiß oder feucht und kühl.